$ 7. Das Axiom der Reduzierbarkeit. 107 Angesichts dieser Sachlage haben Whitehead und Russell den Ausweg gewählt, daß sie, ein besonderes Postulat, das „Axiom der Reduzierbarkeit‘““ (‚axiom of reducibility‘‘) dem Stufenkalkül hinzu- gefügt haben. Zum Zweck der allgemeinen Formulierung dieses Postulats er- weitern wir den bisher nur für Prädikate definierten Begriff der Äqui- valenz, indem wir allgemein zwei Funktionen mit Argumenten von derselben. Art als äquivalent erklären, wenn sie für genau dieselben Wertsysteme der Argumente zutreffen. Ferner führen wir als neue Bezeichnung ein, daß ein Funktionsausdruck „prädikativ‘““ heiße, wenn er die niedrigste mit der Art seiner Argumente vereinbare Stufe be- sitzt, d. h. diejenige Stufe, welche einem Ausdruck zukommt, der die Argumente des betrachteten Ausdrucks als einzige unbestimmte Zeichen enthält. Bei der Anwendung dieser Terminologie lautet unser Axiom folgendermaßen : „Zu jedem im Stufenkalkül vorkommenden Funktionsausdruck gibt es einen äquivalenten prädikativen Ausdruck.‘“ Als Spezialfall ist hierin die Annahme enthalten, daß zu jedem Prädikat P„(x) (mit beliebigem Index x“), dessen Argument sich auf die ursprünglichen Gegenstände des Kalküls bezieht, ein äquivalentes Prädikat der ersten Stufe existiert; d.h. in der Ausdrucksweise des Kalküls: Für jeden Index % ist (Pn) (E P) (x)(Pu(x) > P,(%)) eine richtige Formel. Man könnte nun meinen, daß infolge der Annahme des Axioms der Reduzierbarkeit die eben erst vermiedenen Widersprüche sich wieder einstellen. Daß dies aber nicht der Fall ist, läßt sich an den behandelten Paradoxien leicht erkennen. Was zunächst die ersten beiden Paradoxien anbetrifft, so findet auf diese unser Postulat gar keine Anwendung; auf die erste deshalb nicht, weil hier die Funktion Pd(P„,) gemäß ihrer Definition bereits prädikativ ist, und auf die zweite nicht, weil unser Axiom nur die Funktionsausdrücke, nicht aber die Darstellungen von Aussagen betrifft. Bei der dritten Paradoxie liegt allerdings eine Anwendungsmöglichkeit für unser Postulat vor. Hier beruht die durch den Stufenkalkül be- wirkte Aufhebung des Widerspruchs darauf, daß die Stufe der Funk- tion Mds (x) um eins höher ist als der Index des in ihrer Definition implizite auftretenden Funktionszeichens P. Dies ist nun. eine Ge- legenheit, unsere neue Annahme zur Geltung zu bringen. Wir können jetzt die Existenz eines zu Mds (x) äquivalenten Prädikates erster Stufe behaupten. Dadurch wird aber nicht etwa die Wiederkehr des früheren Widerspruchs herbeigeführt. Denn mit der Behäuptung