100 Der erweiterte Funktionenkalkül. prädikat‘‘, „für alle Aussagen‘“ kann man nämlich Bedenken haben, Es ist möglich, daß in der Definition eines Individuenprädikates ein Klammerzeichen‘ vorkommt, zu dem eine Variable für Individuen- prädikate gehört, daß also das Individuenprädikat durch Bezugnahme auf die Gesamtheit aller Individuenprädikate definiert wird. Oder be- trachten wir einen anderen Fall. Der Satz: ‚„„Alle Aussagen sind richtig oder falsch“‘, ist selbst eine Aussage. Andererseits wird diese Aussage aber erst: definiert durch Bezugnahme auf die Gesamtheit aller Aus- sagen. Um auch hier den Zirkel zu vermeiden, wird der folgende Weg eingeschlagen : Wir denken uns zunächst einen festen Individuenbereich gegeben und darin gewisse Grundprädikate. Man kann sich diese Grundfunk- tionen etwa als anschaulicher Natur vorstellen. Auf diesen ursprüng- lichen Bereich werden wir nun den engeren Funktionenkalkül an und erhalten so:eine Theorie der „ersten Stufe‘. Ein Prädikat auf dieser ersten Stufe ist eine logische Funktion eines Arguments oder von mehre- ren Argumenten, die sich aus den Grundprädikaten mit Hilfe der logischen Operationen „und“‘‘, „oder“‘, „nicht‘‘, „„‚wenn — so‘‘, „‚alle‘“ und „es gibt‘“ zusammensetzen läßt, Die Operationen „‚alle‘“ und „es gibt‘“ beziehen sich hier selbstverständlich nur auf den ursprünglichen In- dividuenbereich. Durch Ausfüllung der Leerstellen der Funktionen der ersten Stufe und eventuell durch Vorsetzen von Klammerzeichen erhält man die Aussagen der ersten Stufe. Nun bilden wir eine‘ Theorie der zweiten Stufe. Wir betrachten die Funktionen und Aussagen der ersten Stufe als einen neuen In- dividuenbereich, den wir als einen weiteren Bereich dem Bereiche der ursprünglichen Individuen hinzufügen. Indem wir das so erweiterte System von Individuen zugrunde legen, können wir dann einen Be- reich von Funktionen und Aussagen der „zweiten Stufe‘“ abgrenzen. Dabei: ist der Unterschied gegen ‚vorher, daß die Argumente der logischen Funktionen sowie der All- und Seinszeichen sich nicht nur auf die ursprünglichen Individuen, sondern auch auf Prädikate und Aussagen der ersten Stufe beziehen können. Ebenso wie der Übergang von. der-ersten zur zweiten Stufe läßt sich auch der Übergang zu einer dritten und weiter zu höheren Stufen vollziehen. \ Durch dieses Verfahren des Stufenkalküls erhalten wir einerseits die Möglichkeit, jede vorkommende Aussage, Eigenschaft oder Be- ziehung zum Gegenstande des Urteilens zu machen; andererseits bleiben wir vor einem fehlerhaften Operieren mit Gesamtheiten von allen Aussagen oder Funktionen deshalb gesichert, weil ja nur solche Ausdrücke zu- gelassen werden, die durch sukzessive Stufenbildung erreichbar sind, und weil für die Theorie einer bestimmten Stufe die Gesamtheit der Gegen- stände, auf welche sie sich bezieht, abgegrenzt ist.