$ 4. Die logischen Paradoxien. 93 Es zeigt sich nämlich, daß ein derartiges logisches System nicht ein- mal dem Postulate der Widerspruchsfreiheit genügt. Den auftretenden Widersprüchen, den sog. Paradoxien, auf welche man übrigens auch unabhängig vom Gebrauch der logischen Symbolik geführt wird, kann man entsprechend der doppelten Deutung des Funktionenkalküls eine mehr eigentlich logische oder aber eine mengentheoretische Deutung geben. Von diesen Widersprüchen sollen hier einige dargelegt werden. Es sei P(F) ein Prädikatenprädikat. Da P selbst ein Prädikat ist, so stellt der Ausdruck P(P) eine Aussage dar, welche richtig oder falsch sein kann. Ein Beispiel eines Prädikatenprädikats, für welches P(P) eine richtige Aussage darstellt, bildet die Negation des Prädikates 0(F) („F trifft auf keinen Gegenstand zu“), d. h. die Funktion 0(F), welche durch den Ausdruck (Ex)F(x) definiert ist. 0(0) ist eine Abkürzung für (EF)O(F), wofür wiederum (EF) (Ex) F(x) geschrieben werden kann. Die letzte Formel bringt in der Tat ein richtiges Urteil zur Darstellung, nämlich den Satz: ‚„Es gibt ein Prädikat F und einen Gegenstand x derart, daß F{(x). besteht.“ ; Dagegen ist 0(0) eine falsche Aussage. Gemäß der Definition von 0 ergibt sich nämlich 0(0) > (EF)(0(F)) > (EF) (Ex) F(x) > (F) (Ex) F(x). Der letzte Ausdruck stellt die falsche Aussage dar, daß jedes Prädikat für mindestens einen Gegenstand zutrifft. Wir können nun den Ausdruck P(P) als Funktion. von P auf- fassen. Diese Funktion drückt die Eigenschaft eines Prädikates aus, sich selber zuzukommen. Die Leerstelle dieser Funktion bezieht sich auf alle Prädikatenprädikate. Wir wollen dieses Prädikatenprädikat mit Pd(P) bezeichnen (zu lesen: ‚P ist prädikabel‘“). Da Pd, also auch Pd selbst ein Prädikatenprädikat ist, so haben auch die Aus- drücke Pd(Pd) und Pd(Pd) einen Sinn. Entweder ist nun Pd(Pd) richtig. D.h. das Prädikatenprädikat Pd trifft auf sich selber zu, also Pd(Pd) ist richtig. Oder aber Pd(Pd) ist nicht der Fall. Dann trifft das Prädikatenprädikat Pd nicht auf sich selber zu, d.h. aber Pd(Pd) ist der Fall. Es folgt also, daß Pd(Pd) > Pd(Pd). Das ist aber ein Widerspruch, denn ein logischer Ausdruck kann nie seinem Gegenteil äquivalent sein. Diese Paradoxie ist zuerst von Russell entdeckt worden. Man kann sie auch in der Ausdrucksweise der Mengenlehre darstellen. Hier entspricht der Prädikatenfunktion Pd. die Menge aller derjenigen Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten. Diese Menge ist ihrem Begriff nach widerspruchsvoll, denn gemäß ihrer Definition