$ 9. Die Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit des Axiomensystems. 65 verschoben wird und sich sein Wirkungsbereich über die ganze Formel erstreckt. Damit kommen wir auf den vorigen Fall zurück, und die Richtigkeit der Umformung ist damit allgemein bewiesen. 8 9. Die Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit des Axiomensystems. Die Methode der arithmetischen Interpretation, mit Hilfe derer sich früher für die Axiome a) bis d) die Widerspruchsfreiheit und Un- abhängigkeit einsehen ließ, ermöglicht es uns auch, das Gesamtsystem ‚der Axiome des Funktionskalküls als widerspruchsfrei, in dem früher erklärten Sinne, zu erkennen. Hierzu müssen wir die arithmetische Interpretation, welche damals nur für die Aussagenvariablen bestand, auf die bisher noch nicht gedeuteten Zeichen ausdehnen. Dies ge- schieht in der folgenden Weise: Wir behandeln die Funktionszeichen in gleicher Weise wie die Aussagezeichen. Wir fassen beide als arithmetische Variable auf, welche der Werte 0 und 1 und keiner anderen fähig sind. Wie bei den Funk- tionszeichen die Leerstellen ausgefüllt sind, wird dabei nicht berück- sichtigt. Die Zeichen für Individuen, auch die zugehörigen Klammer- zeichen werden nicht mitgelesen. Die Verknüpfung v wird wieder als arithmetisches Produkt aufgefaßt, und unter 0 wollen wir 1 und un- ter 4 07 verstehen: Bei diesen Festsetzungen gilt zunächst wieder, daß alle Axiome einschließlich e) und f) bei der arithmetischen Deutung immer den Wert 0 ergeben. Haben ferner eine oder mehrere Formeln immer den Wert 0, so überzeugt man sich leicht, daß jede weitere nach unseren Regeln daraus abgeleitete Formel ebenfalls immer den Wert 0 ergibt. Da nun andererseits zwei Ausdrücke, von denen der eine die Negation des anderen ist, nicht beide 0 ergeben können, so folgt, daß unter den Formeln, die sich aus unseren Axiomen ableiten, keine zwei einander entgegengesetzt sein können. Die Bedingung der Widerspruchsfreiheit ist also erfüllt. Man darf das Ergebnis dieses Beweises für die Widerspruchsfreiheit unserer Axiome übrigens in seiner Bedeutung nicht überschätzen. Der angegebene Beweis der Widerspruchsfreiheit kommt nämlich inhaltlich daräuf hinaus, daß man annimmt, der zugrunde gelegte Individuenbereich bestehe nur aus einem einzigen Element, sei also endlich. Wir haben da- mit durchaus keine Gewähr, daß bei der symbolischen Einführung von inhaltlich einwandfreien Voraussetzungen das System der beweisbaren Formeln widerspruchsfrei bleibt. Z. B. bleibt die Frage unbeantwortet, ob nicht bei Hinzufügung der mathematischen Axiome in unserem Kalkül jede beliebige Formel beweisbar wird. Dieses Problem, dessen Lösung eine zentrale Bedeutung für die Mathematik besitzt, läßt sich in bezug auf Hilbert-Ackermann, Grundzüge. 5