Drittes Kapitel. Der engere Funktionenkalkül. 8& 1. Unzulänglichkeit des bisherigen Kalküls. Der kombinierte Kalkül ermöglichte eine systematischere Behand- lung der logischen Fragen als die inhaltliche traditionelle Logik. Anderer- seits kann man aber sagen, daß in Hinsicht auf die Möglichkeit der logischen Folgerungen sich beide wesentlich gleich verhalten. Die komplizierteren Schlüsse, die im kombinierten Kalkül möglich sind, lassen sich auch durch mehrfache Anwendung der aristotelischen Schlußfiguren gewinnen. Nach der Meinung der früheren Logiker, die auch Kant teilte, war nun mit der aristotelischen Schlußlehre die Logik überhaupt erschöpft. Kant sagt!: „Merkwürdig ist noch'an ihr (der Logik), daß sie auch bis jetzt (seit Aristoteles) keinen Schritt vorwärts hat tun können und also allem Anschein nach geschlossen und vollendet zu sein scheint.‘“ In Wirklichkeit ist es so, daß sich der aristotelische Formalismus schon bei ganz einfachen logischen Zusammenhängen als unzulänglich erweist. Insbesondere ist er prinzipiell unzureichend zur Behandlung der logischen Grundlagen der Mathematik. Er versagt nämlich überall da, wo es darauf ankommt, eine Beziehung zwischen mehreren Gegen- ständen zur symbolischen Darstellung zu bringen. Wir wollen das an einem einfachen Beispiel erläutern. Betrachten wir den Satz: „Wenn B zwischen 4 uünd C liegt, so liegt B auch zwischen C und A.“ Diesen können wir zwar im gewöhnlichen Aussagenkalkül in der Form X — Y aufschreiben; und dieselbe Darstellung erhält der Satz auch im Prädikatenkalkül. Im letzteren läßt er sich ja in folgender Weise formulieren: „Wenn ein geordnetes Punktetripel die Eigenschaft hat, daß der zweite Punkt zwischen dem ersten und dritten liegt, so besitzt es auch die Eigenschaft, daß der zweite Punkt zwischen dem dritten und ersten liegt.‘“ Jedoch kommt bei dieser Darstellung das logisch Wesentliche der Behauptung, nämlich die Symmetrie der Be- ziehung „Zwischen‘“ in bezug. auf A und C gar nicht zum Ausdruck. Daher läßt sich diese Darstellung auch nicht dazu verwenden, um aus dem betrachteten Satze die sich aus ihm ergebenden mathematischen 1 In der Vorrede zur 2. Ausgabe der ‚,Kritik der reinen Vernunft‘‘.