Aus der Geschichte der Himmelskunde. 2 53 nannt. Dank den ausgezeichneten optischen Hilfsmitteln konnte W. Herschel unsere Kenntniss über die Vertheilung der Sternsysteme, der Sternhaufen und der kosmi- schen Nebel in einer Weise berei- chern, welche zu einer völligen Umgestaltung der Topographie des Himmels führte. Seine Schwester Karoline war ihm eine unermüd- liche und gelehrige Gehilfin, in seinem Sohn John erzog er sich einen ebenbürtigen Nachfolger. John Herschel wandte sich vor- nehmlich der Untersuchung der Sternhaufen und Nebel des südli- chen Sternhimmels zu, wodurch deren Gesammtzahl auf 5079 stieg. Der grösste Mathematiker vom 18. zum ig. Jahrhundert ist Karl Friedrich Gauss (1777—1855) aus Braunschweig. Er zeigte von Jugend auf grosse Anlagen für schwierige rechnerische Probleme und ent- deckte noch als Student an der Göttinger Universität die »Methode der kleinsten Quadrate« (1795) und die Theorie der Kreis- theilung (1796). Noch glänzender entfaltete er seine Begabung in dem 1795 begonne- nen, ein Jahr später in Druck vollendeten ■»Disquisitiones arithmeticae«, einem Werke Fig. 533. William Herschel (1738—1822). voll der feinsten mathematischen Specula- tion, durch welche die höhere Arithmetik mit den schönsten Entdeckungen bereichert wurde. Mit der Astronomie kam er zuerst in Berührung, als Piazzi den ersten Planetoiden, die Ceres, entdeckt hatte. Der Entdecker hatte nur ein kleines Bahnstück beobachtet, und man zweifelte allgemein, ob es möglich sein werde, den Ort zu berechnen, wo die Ceres wieder auftauchen würde. Da sprang der 24jährige Gauss ein; er berechnete aus Piazzi’s dürftigen Bahnelementen mit so absoluter Schärfe die ganze Bahn der Ceres, dass durch OIbers genau am Jahrestage der ersten Entdeckung, 2. Januar 1802, der Planetoid wieder gefunden werden konnte. Damit führte sich Gauss, der kaum erst seine akademischen Studien beendet hatte, als erster Rechner seiner Zeit ein. Im Begriff, die Ceres zu verfolgen, fasste Olbers’ Rohr am 28. März 1802 die Pallas. Und auch ihre Bahn umspannte alsbald das Genie des grossen Gauss, der wenig später seine Professur in Göttingen erhielt, »von wo er bis 1855 ak ein ’n jedem Sinne Gewaltiger die Wissenschaft beherrscht hat, so- weit diese nur irgendwie das mathematische Gebiet streifte«. Die beobachtende Astronomie erhielt durch die Entdeckung der ersten Planetoiden neue Impulse. In diese Zeit reicht noch vom 18. Jahrhundert der tüchtige Messier (f 1817) herein. Mit seinem riesigen Spiegelteleskope von r8 Meter Durchmesser und 16 Meter Brennweite ergänzte Lord Rosse (1800—1867) in erfolgreicher Weise die Forschungen des älteren Herschel. Bemerkenswerth sind seine Wahr- nehmungen bezüglich der spiraligen Natur vieler Nebelflecke, womit die Kant-Laplace’sche Hypothese an Beweiskraft gewann. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war besonders ergebnissreich für die Selenographie. In diesem Zeitabschnitte entstanden die ausgezeichneten Mondkarten von Lohrmann, | Beer und Maedler und Julius Schmidt. Im Jahre 1828 begann Heinrich Schwabe planmässig die Sonnenflecke zu beobachten und fand eine Periodicität zwischen deren Maximum und Minimum von 10 Jahren, welches Ergebniss nachmals Rudolf Wolf auf n'l-2 Jahre corrigirte, nachdem er alle Nachrichten über Sonnenflecke von 1610 an sammelte und überprüfte. Gelegentlich einer totalen Son- nenfinsterniss im Jahre 1842 be- merkte man eine Reihe von Er- scheinungen, welche bis dahin so gut wie unbekannt waren. Die Strahlengloriole der »Corona« und die aufflackernden rothen »Protube- ranzen« beherrschten das Interesse der Astronomen. Diese Erschei- nungen bildeten seitdem ein spe- cielles Studium und bereicherten mehr und mehr das schwankende Gebiet der Physik der Sonne. Als hervorragende Forscher auf dem- selben sind zu nennen Janssen, Lockyer, Huggins, Zöllner, P. Secchi, Vogel u. A. J. K. F. Zöllner (1834—1884) stellte zuerst die Meinung auf, dass die Sonne ein glühend flüssiger Körper sei, umgeben von einer glühenden Fig. 534. Sir John Herschel (1792 — 1871). f? Atmosphäre, in welcher eine fortwäh- rend sich erneuernde Decke von leuchtenden haufenartigen Wolken- gebilden schwebe. »An solchen Stellen, wo die Wolkendecke sich vermindert oder auflöst, entstehen durch kräftige Ausstrahlung auf der glühend flüssigen Oberfläche schlackenartige Abkühlungspro- ducte. Dieselben liegen folglich tiefer als das allgemeine Niveau der leuchtenden Wolkendecke und bilden den Kern der Sonnen- flecke. . . .« P. Angelo Secchi (1818—1878) entwickelte eine ein- gehende Betrachtung über die Na- tur der einzelnen Sonnenschichten, dem Centralkörper, der Photosphäre und der Chromosphäre, der Corona und der Protuberanzen. Was sonst die Sonnenforschung in den letzten Jahrzehnten zu Tage gefördert hat, findet der Leser in dem betreffen- den Abschnitte dieses Werkes ver- zeichnet. In der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts erfreute sich einer besonderen Hochachtung Joh. ' Fr. Encke (1791 —1865), aus Hamburg, ein Lieblingsschüler Gauss’. Als Encke den Kometen von 1818 parabolisch berechnete, erhielt er so grosse Abweichungen, dass man sie durch Beobachtungsfehler nicht erklären konnte; nach verschiedenen Versuchen fand er, dass sie sich nur durch eine Ellipse für eine Umlaufszeit von 3-6 Jahren befriedigend darstellen liessen. Da die wenigen bis dahin elliptisch berechneten Kometenbahnen Umlaufszeiten von circa 70 Jahren zeigten, fühlte Encke sofort, dass der Nach- weis eines Kometen von so kurzer Umlaufszeit Epoche machen werde. Er trat mit einer Schrift hervor, in welcher er die Identität des Kometen von 1819 mit jenem der Jahre 1786, 1795 und 1805 nachwies, und er zeigte bei diesem Anlasse, dass sich ein Komet bis auf o-o 18 dem Mercur nähere und daher ein gutes Mittel zur Bestimmung der Mercurmasse an die Hand geben könne. Die Verfolgung der weiteren Erscheinungen dieses Kometen, welche seit 1819 regelmässig 1822, 1825, 1828, 1832, 1835, 1838, 1842, 1845, 1848, 1852 u. s. w. beobachtet wurden, machte es nothwendig, äusser den bisher bei den Himmelskörpern beob- achteten störenden Kräften noch eine andere Ursache hypothetisch anzunehmen, welche die Umlaufszeit bei jedem Umlaufe abkürzt. Encke glaubte eine solche Ursache in der Existenz eines wider- stehenden Mittels (Aether) erkennen zu sollen, doch haben neuere For- schungen, insbesondere die Durch- gänge von Kometen durch die Corona, die Unhaltbarkeit von dem widerstehenden Mittel klar gemacht. — Im Jahre 1826 entdeckte der österreichische Hauptmann Wilh. v. Biela den nach ihm benannten Kometen, über welchen andernorts ausführlich die Rede war (vgl. S. 198). Von den verdienstvollen Astro- nomen, welche auf die Gegenwart hinüberleiten, wären noch viele zu nennen: so Arago, der durch seine langjährigen populären Vorlesungen über Himmelskunde in Frankreich das Interresse für dieselbe von Neuem belebte; sodann F. W. A. Argeiander (1799—1875), be- rühmt durch seinen grossen Him- melsatlas und die preisgekrönte Abhandlung »Ueber die eigene Bewegung des Sonnensystems«; U. J. J. Leverrier, der durch Rechnung den lange gesuchten Planeten Neptun, und Lassell, der dessen Trabanten fand (1847). 64