Aus der Geschichte der Himmelskunde. 251 schenkte der Sache keine weitere Beachtung. Fontana bemerkte 1630—1645 ver- schiedene Formen, bald abgelöste Begleiter, bald henkelförmige Ansätze, bis 1640 Gassendi die Ringe deutlich sah. Doch erst Cassini trat der Sache näher, und er entdeckte auch, dass der vermeintliche Ring aus zwei ineinander liegen- den, durch einen schmalen Zwischenraum getrennten Ringen (daher die Be- zeichnung »Cassinische Trennung«) bestehe. Cassini entdeckte fünf Monde des Saturn und berechnete die Umlaufszeit des letzteren ziemlich richtig mit 15h 22ra 39s. Nachdem Gassendi am 7. November 1631 zuerst einen Mercurdurch- gang und Horrox (f 1641) mit seinem Freunde Crabtree als Erste am 4. De- cember 1639 einen Venusdurchgang beobachtet hatten, machte Gregory den Voischlag (1663), diese Durchgänge (vornehmlich aber den der Venus) als ein Mittel zu benützen, die Parallaxe der Sonne und damit die Entfernung der Erde von jener zu bestimmen. Man schreibt diese Idee gewöhnlich Hailey, dem Zeitgenossen Gregory’s zu, doch scheint die Sache so zu stehen, dass Ersterer jene Idee zuerst öffentlich aussprach und in den Kreisen seiner Berufsgenossen deren Ausführung gelegentlich des zu erwartenden Venusgurchganges am 6. Juni 1761 empfahl, zu welchem Zwecke er 1716 eine einschlägige Schrift veröffentlichte. In der That hatte die Anregung dazu geführt, dass die beiden Venusdurchgänge von 1761 und 176g im vorstehenden Sinne beobachtet und die Entfernung der Erde von der Sonne festgestellt wurde. Die genauere Be- | rechnung bewerkstelligte seinerzeit Encke. Seitdem haben abermals Richtig- stellungen platzgegriffen. Von Johannes Bayer, der 1693 einen Himmelsatlas herausgab, auf dessen Karten die Sterne mit griechischen Buchstaben und, wo diese nicht reichten, mit lateinischen Buchstaben bezeichnet erschienen, war bereits die Rede. Dagegen gelang es seinem Fachgenossen Julius Schiller nicht, die herkömmlichen Namen der Sternbilder durch solche von Heiligen u. dgl. zu er- setzen. Alsdann kam Ehrhardt Weigel, Professor in Jena, der mit seiner Absicht, die europäischen Wappen nach dem Stern- himmel zu verpflanzen, durchfiel. Jacob Bartsch veröffentlichte 1624 eine Schrift, Usus astronomUus Planisphaerü stellati«, in welcher er die Zahl der Sternbilder von 49 auf 72 vermehrte, was der Sache nicht eben dienlich schien. — Georg Samuel Dörfel (1643—1688) machte Beobachtun- gen über den grossen Kometen 1680/I, aus denen sich ergab, dass die Kometen sich nach gleichen Gesetzen und in ähnlichen Bahnen um die Sonne bewegen, wie die Planeten. Newton billigte diese Anschau- ung und that ein Uebriges, indem er die Methode entdeckte, aus drei Beobachtungen die Bahn eines Kometen zu berechnen. Zugleich stellte er Untersuchungen über die Bewegung dreier Körper an, die sich nach dem Gravitationsgesetze anziehen. Diese Untersuchungen erlangten später unter der Bezeichnung des Problems der drei Körper eine gewisse Berühmtheit. Einen grossen Fortschritt für die beobachtende Astronomie be- deutet — und damit treten wir in das Zeitalter nach Newton ein — die Erfindung des achromatischen Fernrohres durch Dollond (1757). Längere Zeit vorher (1722) hatte Georg Graham eine Uhr mit Com- pensationspendel verfertigt. Andere Verbesserungen der instrumentalen Hilfsmittel gingen parallel. Als Mathematiker trat nach L e i b n i t z zunächst LeonhardEuler(i7O7 bis 1783), dann Louis Lagrange (1736—1813) auf. Im Jahre 1783 erschienen die berühmten Logarithmentafeln des österreichischen Artillerie-Officiers Georg Freiherrn v. Vega (1756—1802), wäh- rend Gaspard Monge (Graf v. Pelusium) die darstellende Geo- metrie erfand und damit zum Urheber der analytischen Geometrie wurde. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die astronomi- sche Wissenschaft vornehmlich durch Jaques Cassini (1677 bis 1756), dem Sohne des Domenico, gefördert. Er schrieb bereits im 15. Lebensjahre eine mathematische These und wurde mit 17 Jahren Mitglied der Akademie; 1712 wurde er an Stelle seines Vaters Astronom an der Pariser Sternwarte. Seine lite- rarische Thätigkeit war äusserst fruchtbar, denn sie umfasste nicht weniger als 179 Abhandlungen. . . . Gute Lehrbücher der Himmelskunde veröffentlichten in der ersten Hälfte des 18. Jahr- hunderts: David Gregory (1702, Oxford), Christoph Wolf (I73°—I74I)> John Keill (1718, Oxford), Lemonnier (Paris, t74^)j Johann Leonhard Rost (Nürnberg, 1718), Jaques Cassini (1740, Paris), besonders aber J. J. le Frangois, ge- nannt Lalande (1737—1807), dessen Astronomie 1764 in zwei starken Quartbänden erschien. Im Jahre 1755 erschien in Königsberg und Leipzig ein anonymes Büchlein mit dem etwas langathmigen Titel »All- gemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Ver- such von der Verfassung und dem mechanischen Ursprünge Pierre Simon Laplace (1749—1827). i \ \ •' -A SS* SMS i.. .5; *• / ' ■ Mb? IP* M,, des ganzen Weltgebäudes nach Newton’schen Grundsätzen ab’ gehandelt«. Ebenso umständlich war die Widmung an König Friedrich II. Niemand kümmerte sich um das Büchlein, Niemand las es. Dazu kommt, dass der Verleger desselben noch während der Drucklegung Bankerott machte. Erst 90 Jahre später sollte es die ihm gebührende Beachtung finden. Sein Verfasser war niemand Geringerer als der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724—1804), und Derjenige, der die Jugendarbeit des grossen Denkers wieder ans Licht gezogen hatte, war Ale- xander v. Humboldt. Diese Neuerweckung war von umso grösserer Bedeutung, als in der Zwischenzeit in verschiedenen anderen Köpfen ähnliche Ideen gereift waren, in jenen Lam- berts, Wilhelm Herschel’s, bis zuletzt Laplace als Sieger auf dem Plan blieb. Was das Schriftchen Kant’s lehrte, weiss der Leser aus einem früheren Abschnitte. Vom Geisteshauche Newton’s inspirirt, strebte der Königsberger Philosoph darnach, die Formel zu finden, welche die wahre Ent- wickelung der kosmischen Körperwelt erklären sollte. Der Kern der Frage lag in dem Satze: »Gebet mir Materie und ich will eine Welt damit formen.« Die weiteren Anknüpfungen ergeben sich von selbst: ein freischwebender, ursprüng- lich nicht fester Köiper muss die Kugelform annehmen; von seinem Central- körper angezogen, wird er durch die combinirte Wirkung der Attraction und der Fliehkraft in einer kreisförmigen Bahn zum Umlauf um jenen genöthigt. Die Lage der Kreise zueinander, die Uebereinstimmung der Richtung, die Ex- centricität der Bahnen und manches An- dere müssten sich auf mechanische Ur- sachen stützen lassen. So calculirte Kant und als er mit sich im Reinen war, stellte er die berühmte »Nebularhypothese« auf. Ihm war der Bau des Planetensystems im Wesentlichen nur eine Wiederholung im Kleinen, was sich im Grossen auf die Fixsternwelt anwenden liess. Kant hatte hierbei vornehmlich das Gebilde der Milchstrasse vor Augen, da ihm die Natur der Nebelflecke noch ver- schlossen war. Er supponirte, dass die Ma- terie, aus welchen die Planeten, Monde und Kometen unseres Sonnensystems bestehen, ursprünglich mit der Sonne im Urstoffe aufgelöst waren und dass dieser den Welt- raum erfüllte. Da nun dieser Urnebel vom Anbeginn her sich nicht in drehender Be- wegung befunden haben konnte, construirte sich Kant in ziemlich complicirter Weise die Ursache des Bewegungsanstosses, die auseinander zu setzen zu weit führen würde. Genug an dem: der Urnebel kam in Bewegung und nun wickelte sich das bekannte Schauspiel von der Loslösung einzelner Nebelmassen vom Grundstoffe, ihr Zusammenballen zu selbständigen Körpern mit gleicher Bewegungsrichtung, deren allmähliche Verdichtung u. s. w. ab. Hätte Kant seine Nebular- hypothese auf der Höhe seines Gelehrtenruhmes und mit der Autorität seines Namens in die Welt gesetzt, sie hätte nicht unbeachtet bleiben können. So aber ging sie verschollen und erst vor Ausgang des Jahrhunderts entsprang sie neuerdings, und zwar, wie es den begründeten Anschein hat, völlig unabhängig von Kant, in dem Kopfe des grossen französischen Mathematikers Pierre Simon Laplace (1749—1827). Er zeichnete sich schon in seiner Jugend durch ein seltenes Gedächtniss und lebendige Auffassungsgabe aus. In Folge seiner mathematischen Arbeiten wurde er Lehrer der Mathematik in seiner Vaterstadt Beaumont-en-Auge, kam dann als Examinator zum königlichen Artilleriecorps nach Paris und wurde 1774 in die Akademie aufgenommen. Zur Zeit der Re- publik wurde er Mitglied der Commission für Mass und Gewicht, ; 1799 Minister des Innern, kehrte aber bald zu der ihm lieb ge- wordenen wissenschaftlichen Beschäftigung zurück. Von Kaiser Napoleon zum Grafen ernannt, unter der Restauration Pair von Frankreich, erwies man ihm nach seinem Tode die Ehre, auf öffentliche Kosten eine Gesammtausgabe seiner Werke zu ver- anstalten. Laplace’s Hauptwerk ist dessen »Mtcanique celeste«, in welchem er die (ihm unbekannte) Kant’sche Idee in knapper Form, aber ausgestaltet durch die wissenschaftlichen Erfahrun- gen von vier Jahrzehnten, vertritt. Im Gegensätze zu Buffon, welcher der Ansicht war, die Planeten seien durch einen Kometen- sturz von der Sonne abgetrennt worden, entwickelte Laplace den bekannten Gedankengang, dass das Planetensystem aus einem ursprünglichen Nebelfleck, dessen Mittelpunkt die Sonne