2 50 Aus der Geschichte der Himmelskunde. Fig. 528. Newton’s erstes Spiegel- teleskop (1" engl. Spiegeldurchmesser). einen kleinen Quadranten, woran die Alhidade durch eine Schraube bewegt wurde, so dass Minuten und Secunden abgelesen werden konn- ten. — Den ersten Schritt zur Erfindung des Fadenkreuzes that wahrscheinlich Jean Bapt. Morin (1583 bis 1656), doch wird dieselbe ge- wöhnlich Huygens zugeschrieben, der auch das Mikrometer ersann. Morin, Professor der Mathe- matik in Paris, setzte (1634) ein Fernrohr auf seinen Quadranten, wodurch er in die Eage ver- setzt wurde, auch bei Tage die Sternhöhen zu messen. — Der Florentiner Francesco Gene- rini (f 1663), Ingenieur des Grossherzogs von Toscana, versah nicht nur die Fernrohre, die man bis dahin noch in freier Hand hielt, zuerst mit einem Stativ, sondern dachte auch daran, sie mit einem Winkelmasse zu verbinden, doch ist in der betreffen- den Mittheilung nirgends vom astronomischen Fernrohr die Rede, desgleichen nicht vom Fadenkreuz. Die Franzosen Auzout und Picard benützten das Fadenkreuz bei ihren Gradmessungen, und deshalb figuriren sie in alten Büchern mitunter als Erfinder desselben. Die erste, rohe Idee der Spiegelteleskope war von Nicolo Zucchi (1586—1670), einem Jesuiten aus Parma, ausgegangen, indem er mittelst einer concaven Linse aus passender Entfernung in einen Hohlspiegel sah. Mar- sonne bildete die Idee theoretisch weiter aus, ohne sie praktisch zu verwirk- lichen, was auch von James Gregory (1638—1675) gilt, dem man eine genaue Darlegung der Theorie verdankt. Auf diese gestützt, liess Hooke als Erster ein solches Instrument ausführen und zeigte es der königlichen Gesellschaft am 5. Februar 1674. Das Princip des Gregory’schen Spiegelteleskops ist dem Leser aus einer früheren Mittheilung (S. 99) bekannt. Der Spiegel, welcher sich am unteren Ende des Rohres befindet, ist durchlocht, um die Durchsicht durch ein Ocular zu ermöglichen. Die von aussen kommenden Strahlen werden vom Spie- gel gegen eine kleine Concavlinse am oberen Ende des Rohres zurückgeworfen und von hier in das Auge des Beobachters, wobei sie die Durchlochung in dem grösseren Spiegel passiren. Newton änderte die Construction dahin ab, dass er am vorderen Ende des Rohres, senkrecht zur optischen Achse, ein Ocu- lar anbrachte, wobei die Sehstrahlen auf einen unter 45" geneigten Planspiegel fielen. Die vom Hohlspiegel kommenden Strahlen werden an diesem Planspiegel im rechten Winkel reflectirt. Cassegrain endlich behielt das Gregory’sche Princip bei, doch wendete er für den kleinen Spiegel statt der concaven Form die convexe an. Huygens eisann 1660 ein Verfahren, Linsen für grössere Teleskope zu schleifen. 1681 machte Bossel den Vorschlag, die Fernrohre festzulegen und das Licht der zu beobachtenden Himmelskörper in das Rohr zu refiectiren (Siderostat, Heliostat). Zwei andere Astronomen — Comiers und Auzout — riethen 1666, das Rohr ganz fortzulassen und die beiden Linsen des Oculars und Objectivs in passender Entfernung von einander in constructive Verbindung zu bringen, Huygens führte diese Idee aus (vgl. S. 63) und be- schrieb die betreffende Vorrichtung 1684 in seiner Schrift » Astroscopia compen- diaria tubi optici molimine liberata«. Mit einer solchen Vorrichtung von 123 Fuss Länge und mit einer von Huygens selbst geschliffenen Objectivlinse beobachteten Pound und Bradley 1718 zuerst die Saturntrabanten. Die grösste That aber, welche Huygens für sich beanspruchen darf, ist die Aufstellung der sogenannten »Undu- lationstheorie«, welche er 1690 in seiner Schrift » Traite de la lumiere« veröffentlichte. Das Wesen dieser Theorie ist bekannt. Leider war Newton der entgegengesetzten Ansicht, indem er schon 1669 erklärt hatte, das Licht bestände aus materiellen Theil- chen, die mit ungeheuerer Geschwindigkeit sich von dem leuchtenden Körper fortbewe- gen. Diese Ansicht, die »Emissions- oder Emanationstheorie« genannt, war zu tief eingewurzelt, um der Huygens’schen Un- dulationstheorie, welche auf den Schwin- gungen eines »imponderablen Wesens« (Aether) fusste, Geltung zu verschaffen. Auch später beharrte Newton bei seiner Anschauung, und es wird berichtet, er habe, als er sich später mit dem der Emissions- theorie so widerstrebenden Phänomen der 'Doppelbrechung beschäftigte, vorgezogen, für letztere eine falsche Erklärung zu ge- ben, als seine Emanationstheorie zu opfern. Erst Euler (1746) trat für die Undulations- theorie ein; da er sie aber nur mathe- matisch belegte, blieb Newton zu Recht bestehen, bis Fresnel im Bunde mit Arago im Jahre 1815 der Undulations- theorie zum Siege verhalf. Der hervorragendste Mathe- matiker dieser Zeit ist Gottfried Fig. 529. Newton’s verbessertes Spiegelteleskop. ■ As ' WiTV Fig. 530. Edmund Hailey (1656—1724). Wilhelm Eeibnitz (1646 — 1716), der, wenn auch nicht praktischer Astronom, der Himmels- kunde die grössten Dienste geleistet hat. Be- merkenswerth ist, dass Eeibnitz weder auf dem Gymnasium, noch auf der Universität ausrei- chenden Unterricht in der Mathematik erhalten hatte, sondern seine Erfolge ausschliesslich einer bewunderungswürdigen Gabe für Combinatorik verdankte. Der von ihm so glücklich gewählte Algorithmus der höheren Analysis, die zweck- mässige Bezeichnung der Coefficienten zur Lö- sung algebraischer Gleichungen, die »Zeichen- sprache der Arithmetik und Algebra«, wie überhaupt die Erkenntniss, dass die Ver- vollkommnung und Erweiterung einer Wissen- schaft von einer passend gewählten Zeichen- sprache abhängt, sind das Ergebniss der Bemühungen dieses Forschergeistes. Später (1672) kam Leibnitz nach Paris, wo er sich in die höhere Mathematik vertiefte, die ihm neue Bahnen erschloss. Es würde zu weit führen, auch nur einen Theil der von Leibnitz aufgesteilten mathematischen Cardinal- sätze hier zu erläutern. Seine grösste That ist die Erfindung der Differenzialrechnung, welche er unabhängig von Newton’s »Fluxionsrechnung« nannte. Die beobachtende Astronomie des fraglichen Zeitabschnittes (die Newton’sche Epoche) arbeitete unterdessen unablässig weiter. 1610 entdeckte Johannes Fabri- cius die Sonnenflecken und ein Jahr spä- ter beobachtete sie der Jesuit Christoph Sch einer, Professor in Ingolstadt, in ein- gehender Weise. In Deutschland waren damals die Aristotelischen Lehren noch so tief eingewurzelt, dass Schein er von sei- nem Provinzial Busäus dafür einen strengen Verweis erhielt, am Himmel Dinge zu sehen, welche der wissenschaftlichen Ueberlieferung widersprachen. Sch einer liess sich indess nicht beirren und als er seiner Sache völlig sicher war, gab er unter dem angenommenen Namen »Apelles« dem Rathsherren Marcus Welser in Augs- burg, einem Freunde der Wissenschaften, Kenntniss von seinen Wahrnehmungen, welche dieser merkwürdig genug fand, um 1612 die »Tres epistolae de macults solaribus^ drucken zu lassen und seinen Namen als Verfasser [»Scriptae ad Marcum Velserumi) auf den Titel zu setzen. Galilei, der ein. Exemplar erhielt, be- eilte sich, dem Uebersender mitzutheilen, dass er (Galilei) derlei Beobachtungen schon 1610 sowohl in Padua als in ITorenz ge- macht und sie Freunden gezeigt habe. Als erster Selenograph jener Zeit tritt der Danziger Rathsherr und Brauereibesitzer J. Hewelcke, genannt »Hevelius« (1611 — 1687), auf, von dem bereits früher ausführlicher die Rede war. Hevelius’ Hauptwerke sind: »Selenogra- phia* (1647), »Machina coelestis* (1673) und »Cometographia« (1668). Gleichzeitig an der Mondforschung betheiligten sich Flor ent v. Langren (Langrenius), Grim al di und Riccioli (1651). Newton untersuchte das Zurückweichen der Knoten der Mondbahn und diejenige periodische Beschleunigung oder Verlangsamung eines jeden Viertels der Umlaufsbewegung, welche man »Va- riation« nennt. Sie war schon von Tycho entdeckt worden. Newton zeigte, dass die erste Erscheinung aus der Anziehung der sphäroidischen Erde auf den Trabanten ent- springe und dass die zweite eine Wirkung der Sonne auf letzteren sei. Damit wurde der erste Grund zur Theorie der Bewegung des Mondes gelegt. Francesco Fontana beobachtete 1643 die Phasen der Venus und zeichnete die Lichtgrenze, nachdem er die gleichen Erscheinungen an Mars und Mer- cur schon einige Jahre früher constatirt hatte. Domenico Cassini beobachtete 1665 die Umdrehung des Jupiter und be- rechnete sie mit gh 56m, im folgenden Jahre die des Mars mit 24 h 37m, und wieder ein Jahr später die der Venus mit circa 24 h . Die Ringe des Saturn hatte Galilei 1610 als kleine Ansätze zu beiden Seiten des Planeten gesehen und seine Entdeckung in einem Anagramm an Kepler gesendet. Spä- ter glaubte er, sich getäuscht zu haben, und