Aus der Geschichte der Himmelskunde. 249 TW ohn Flamsteed (1646—1720). Fig. 526. J Sache nicht ganz sicher Entdeckung vorerst nichts liess Newton als Knabe nicht er- kennen, was einst aus ihm werden würde. Er war einer der Letzten in der letzten Bank. Erst der Unter- richt des Professors der Mathe- matik Isaac Barrow erweckte die schlummernden geistigen An- lagen des Schülers. Er setzte sich theils auf dem Wege der Vorträge, theils durch Selbststudium der ihm von Barrow geliehenen Werke über Mathematik in den fast voll- ständigen Besitz des bis dahin be- kannten Materiales, das ihn, mit Hinzuthun fortgesetzter eigener Studien, zunächst auf den »bino- mischen Lehrsatz« führte. Seine grösste That war die Entdeckung des Gravitationsge- setzes. Dass ein herabfallender Apfel ihn auf dieses Gesetz geführt habe, ist eine vornehmlich von Voltaire in Umlauf gesetzte Sage, der sie von einer Nichte Newton’s erhalten haben will; verbürgt ist sie nicht. Seine Betrachtungen wa- ren einfach und sinnreich und erin- nern ganz an die, welche Galilei mit dem Pendel angestellt hatte. Gleichwohl scheint Newton seiner gewesen zu sein, da er von seiner verlauten liess und sich anderen Arbeiten zuwendete. Da über- gab ihm eines lages (1668) Barrow die soeben erschienenen »Loganthmotechnica« von Nicolaus Mercator, worauf Newton seinem Lehrer zu dessen grösstem Erstaunen ein vollständig ausgearbeitetes Heft, in welchem weit mehr als in jener Schrift enthalten war, überreichte. Es heisst, dass dieser Zwischenfall für Barrow die Ver- anlassung war, seine Professur zu Gunsten seines Schülers niederzulegen. Newton entfaltete sofort eine fruchtbringende Lehrthätigkeit. In der nächsten Zeit erfand er die sogenannte »Muxionsrechnung«, während er ungefähr gleichzeitig die ihr verwandte »Differenzialrechnung« schuf. Im Jahre 1671 wurde Newton in die königliche Gesellschaft als Mitglied aufge- nommen, nachdem er derselben zuvor eine bessere Einrichtung des Spiegelteleskopes vorgelegt hatte. Dieses kleine Instrument, welches einen Spiegel von nur einem Zoll (engl.) Durchmesser hatte und in Fig. 528 abgebildet ist, wird von der königlichen Gesellschaft als kostbare Reliquie verwahrt. Es folgte nun bald die »Analysis des Lichtes«, mit welcher der Grund zu der nach- mals zu so hoher Bedeutung gelangten Spectralanalyse gelegt wurde. Bei diesem Anlasse gerieth er — der sonst kaum einen Wider- spruch zu erwarten hatte — in Conflict mit anderen Physikern, vornehmlich mit Hooke, was ihn bestimmte, sich von der Gesellschaft fern zu halten, da der Genannte deren Secretär war. Bald hierauf (1682) erfuhr er, dass Picard 1671 für den Erdgrad 342.360 Pariser Fuss, also einen bedeutend grösseren Werth, als den von ihm 1666 angenommenen, gefunden habe, und muthmasste sofort, dass dieser Sachverhalt ihn seiner grössten Entdeckung näher bringen müsse. Selbst zu aufgeregt, um die Rechnung zu revidiren, betraute er damit einen Freund und dieser fand das gesuchte Re- sultat. Jetzt war Newton von der Richtigkeit seiner Voraussetzung überzeugt und wagte sich mit seinem Gravitationsgesetz hervor: Jeder Planet wird von der Sonne mit einer Kraft angezogen, welche ihrer Masse direct und dem Qua- .s*-- Fig. 527. Isaac Newton (1642—1727). drate der Entfernung umgekehrt proportional ist. Er begann nun eifrigst zu arbeiten, um die Con- sequenzen seiner Lehre zu suchen, und es gelang ihm innerhalb zweier Jahre, aus dem Gravitationsgesetze nicht nur die Kepler’schen Ge- setze als nothwendige Folge abzu- leiten, sondern überhaupt der theo- retischen Astronomie in seinem Fundamental werke »Principia mathe- matica pJiilosophiae natur alis« (1687) eine neue Grundlage zu geben. Dieses Werk ist ein Lehrbuch der Mechanik von einer Vollkommen- heit, wie sie die Welt bis dahin noch nicht gesehen hatte. Es fängt ab ovo an, definirt, was Quantität der Materie, Qualität der Bewegung, Trägheit u. s. w. ist, entwickelt hierauf die allgemeinen Gesetze der Bewegung, die Sätze von der Zu- sammensetzung und Zerlegung der Kräfte und geht von leichteren Aufgaben zu immer schwierigeren über, bis es schliesslich diejenigen behandelt, welche bei der Be- wegung der Himmelskörper vor- kommen. Wir haben bereits gesagt, dass die Entdeckung des Gravitationsgesetzes keine Erweiterung der Astronomie war, sondern deren vollständige Umge- staltung bedeutete. Es handelte sich nicht mehr darum, die Bewegungen der Himmelskörper in einer Weise darzustellen, welche leicht fasslich ist und mit der Natur übereinstimmt, sondern vielmehr darum, den Grund dieser Be- wegungen aufzudecken. Gleichwohl war der erste Erfolg der »Principia* nicht eben bedeutend. Es scheint, dass die kleineren Geister nicht sofort bis zur lichten Höhe dieser wissenschaftlichen Grossthat emporzuklimmen vermochten. Von ihr wurde später gesagt, dass Derjenige, der sie ganz zu fassen im Stande sei, die Wahrheit des Satzes anerkennen müsse: »Gott sprach: Es werde Licht, Da kam Newton und es ward Licht.« Lagrange sagte, dass Newton nicht nur der grösste aller Gelehrten sei, sondern auch der glücklichste, denn es gab nur ein Weltgesetz zu ent- decken. — Zuletzt zu hohen Ehren gelangt, bekleidete Newton seit 1699 das Amt eines Münzmeisters, doch hatte er das Unglück, dass sein Laboratorium, in welchem er im Dienste der Münzreform chemische Untersuchungen an- stellte, in Flammen aufging, wobei alle Manuscripte verbrannten. Der grosse Gelehrte konnte diesen Schlag nicht verwinden; er wurde trübsinnig und liess alle Arbeit ruhen. Später besserte sich sein Zustand, und er nahm wieder regen Antheil an wissenschaftlichen Arbeiten und an den Vorgängen des öffent- lichen Lebens. Im Jahre 1703 wurde er Präsident der königlichen Gesellschaft, wurde jedoch aller sie betreffenden formalen Arbeiten überhoben, um sich un- gestört seinen Forschungen hingeben zu können. Wie ungeschwächt seine Geisteskräfte noch waren, beweist der folgende Zwischenfall. Im Jahre 1716 hatte Leibnitz eine schwere analytische Aufgabe den englischen Mathematikern vor- gelegt. Newton, obwohl er sehr ermüdet aus der Münze nach Hause kam, löste diese Aufgabe noch, bevor er zu Bette ging. Dies war seine letzte Leistung, denn die letzten zehn Jahre hielt er sich ferne von allen wissenschaftlichen Arbeiten. Am 20. März 1727 schied der grosse Mann aus dem Leben. Das ganze Land trauerte, die Edelsten der vereinigten Königreiche trugen das Bahrtuch seines Sarges, der mit könig- lichen Ehren in der Westminster-Abtei beigesetzt wurde. — Aus der Zeit, die auf den vorangehenden Seiten besprochen wird, sind noch einige, zum Theile nicht unwichtige Mitthei lungen nach- zutragen. Zunächst sei erwähnt, dass 1665 Grimaldi seine Ent- deckungen über Diffraction und Dispersion veröffentlichte. Zu letz- terer hat später Newton die Theorie geliefert. Grimaldi war auch auf dem Wege, die Undulationshypo- these aufzustellen, gelangte jedoch nicht zum Ziele. Im Jahre 1664 wendete Hooke die Schraube zur Kreistheilung astronomischer Win- kelinstrumente an, und 1665 zeigte er der königlichen Gesellschaft 63