Aus der Geschichte der Himmelskunde. 247 Fig. 522. Kepler's Denkmal in Weil• der-Stadt (Württemberg). I I ■ ■ hü ■lUIHl ■ H I U 11 sich in elliptischen Bahnen, und der gemeinsame Brennpunkt dieser Ellip- sen ist die Sonne; 2. die vom Radius- vector (Leitstrahl) eines umlaufenden Planeten zurückgelegten Flächenräume verhalten sich wie die Zeiten, in denen sie zurückgelegt werden; 3. die Qua- drate der Umlaufszeiten verhalten sich wie die Würfelzahlen ihrer mittleren Sonnenabstände. Diese unter dem Namen »Kepler’sche Gesetze« be- kannten Fundamentalsätze gaben dem Copernicanischen Systeme volle Be- weiskraft und machten deren Gegner verstummen. Bei Ermittelung dieser Gesetze stützte sich Kepler vorzugs- weise auf die von Tycho über die Bahnbewegungen des Planeten Mars mit merkwürdiger Genauigkeit ge- machten Beobachtungen. Es gelang ihm, alle besonderen Eigentümlich- keiten dieser Bewegungen, welche die älteren Astronomen nicht zu ergrün- den vermochten, zu erklären. Der letzte des Dreigestirns — Galileo Galilei (1564 bis 1640) — hatte die Schranken der Aristoteli- schen Physik durchbrochen, und diese That musste selbstverständlich auch der Himmelskunde zu Gute kommen. Ferner war Galilei der erste Mensch, welcher ein Fernrohr nach dem Himmel richtete und sofort eine Reihe der merkwürdigsten Entdeckungen machte. Wir haben hierüber an anderer Stelle berichtet (S. 63) und bringen in Erinnerung, dass Galilei am 7. Januar 1610 zum erstenmale die vier Trabanten des Jupiter wahrnahm, die Sichel- gestalt der Venus erkannte, das Ringsystem des Saturn be- merkte, ohne sich über diesen Sachverhalt klar zu werden, da er nicht eigentlich Ringe, sondern nur »henkelartige« Ansätze des Planeten in dessen Aequatorebene sah. Galilei beobachtete ferner die Bewegung der Sonnenflecke und die gebirgige Be- schaffenheit der Mondoberfläche. Die Entdeckung der Jupiter- trabanten war von grossem Gewichte zu Gunsten der Coperni- canischen Lehre, da das Jupitersystem »gewissermassen ein Modell des ganzen Sonnensystems« darstellte. . . . Von vielleicht noch grösserer Bedeutung waren Galilei’s Entdeckungen auf dem Gebiete der Physik. Ihm verdankt die Wissenschaft die richtigen Vorstellungen über die gleichförmige und beschleunigte Bewegung; den Begriff der Trägheit der Materie; den Lehrsatz von der Zusammensetzung beziehungs- weise der Zerlegung der Kräfte (Pa- rallelogramm der Kräfte); die Gesetze des Falles und der Wurfbewegung und schliesslich die Grundzüge von der Lehre der Pendelschwingung und andere Erklärungen und Begründun- gen physikalischer Erscheinungen. Zu Beginn seiner Thätigkeit schien Galilei vom Glücke begün- stigt zu werden. Erst 28 Jahre alt erhielt er 1592 eine sehr gut dotirte Professur der Mathematik in Padua und unter seinen Schülern befanden sich unter Anderen Gustav Adolf von Schweden und Prinz Ferdinand, der Sohn des Fürsten Cosmas v. Me- dici. Hier stellte Galilei seine Fall- gesetze endgiltig fest, verfertigte seinen Proportionalwinkel und einen Luftthermometer, schrieb mehrere Abhandlungen über Mechanik und construirte das nach ihm benannte Fernrohr, nachdem er Kunde von der Erfindung dieses Instrumentes erhalten und erwogen hatte, »unter welchen Bedingungen ein solches Sehwerkzeug zu Stande kommen möge«. . . . Die Curie verhielt sich allen diesen Din- gen gegenüber zunächst noch zurück- a?' Fig. 523. Galilei’s Denkmal im naturhistorischen Museum zu Florenz. haltend, weniger die Gelehrten, welche sich geweigert hatten, durch Galilei’s Rohr zu schauen, oder, wenn sie es dennoch thaten, hinterher erklärten, alles Geschaute sei Blendwerk des Teufels. Im Jahre 1611 erschien Galilei auf Einladung einiger Cardinäle in Rom, wo es ihm gelang, einige seiner Gegner von der Stichhältigkeit seiner Lehrsätze und Entdeckungen zu über- zeugen. Immerhin stand er dem or- ganisirten Widerstande seiner Haupt- gegner, den Dominicanern und Je- suiten, gegenüber und der Domini- caner Coccini setzte es durch, dass die Copernicanische Lehre als ketze- risch erklärt wurde (1616). Als der Galilei freundlich gesinnte Cardinal Maffeo Barberini im Jahre 1623 als Urban V1I1. auf den päpstlichen Stuhl gelangt war, schöpfte jener neuen Muth, machte diesem einen Glückwunschbesuch, konnte aber die Aufhebung des Decretes von 1616 nicht durchsetzen. In der Voraussetzung, dass unter den obwaltenden Umständen ihn keine unmittelbare Gefahr bedrohen könne, schrieb er den »Üialogo sopra i due sistemi del mondo^ 1 olemaico e (Jopernicano«, in welchem er in geschickter Weise für die Copernicani- sche Lehre eine Lanze brach. Mit knapper Noth passirte das Buch die römische Censur, gleich darnach aber wurde es auf Grund einer Denunciation verboten und der Ver- fasser nach Rom citirt, um sich zu verant- worten. Hier erfolgte unvorhergesehener- weise die Verhaftung des fast 70jährigen Greises, und er wurde vor das Inquisitionstribunal gestellt (1633). Die Vorgänge, die sich hierbei abgespielt haben mögen, sind nicht völlig aufgeklärt, da Galilei über dieselben Still- schweigen geloben musste. So ist es auch unerwiesen, ob der Gelehrte unter dem Zwange der Folter stand, als er seine Lehren abschwören musste, hierbei jedoch die geflügelten Worte gemurmelt haben soll: »e pur si nutove* (und sie bewegt sich doch). Wie dem immer sei, die Curie hatte gesiegt, und wenn auch Galilei nach nur zweitägiger Kerkerhaft entlassen wurde und in der Wohnung eines Cardinales Aufenthalt nehmen musste, war der gemassregelte Gelehrte gleichwohl an Geist und Körper gebrochen und bezüglich seiner weiteren Thätigkeit kalt gestellt. Indessen verbesserte sich sein Loos doch einigermassen, als er die Er- laubniss erhielt, nach einer Villa des Grossherzogs von Toscana zu übersiedeln, obwohl er hier, wie überhaupt bis zu seinem im Jahre 1640 erfolgten Ableben’ unter polizeilicher Aufsicht blieb. Zu den Gebrechen des Alters stellte sich Blindheit, sodann auch Taubheit ein. Gleichwohl war Galilei noch immer geistig thätig und sein Schüler Viviani betreute den Meister mit hingebungs- voller Opferwilligkeit. Als er schon an einem Auge erblindet war, entdeckte er die Libration des Mondes. . . . »Ich grüble in meiner Finsterniss«, schrieb er einem Freunde, »bald diesem, bald jenem Gedanken nach und kann meinen rastlosen Kopf nicht zur Ruhe bringen, so gerne ich es auch thäte.« Trotz allen Jammers hatte ihn d;e Begeisterung für sein der Wahr- heit gewidmetes Lebenswerk nicht verlassen. So sagte er zu Viviani: »Durch diese ganze zahllose Mannigfaltigkeit von Wesen hindurch herrscht, bis zum kleinsten Atom herab, un- verbrüchliche Ordnung; ewige Gesetze stim- men Alles von Himmel zu Himmel und von Sonne zu Sonne und von Erde zu Erde in entzückender Harmonie; unergründlich ist für den unsterblichen Weisen in die Ewigkeit der Ewigkeiten der Stoff zur Betrachtung und unerschöpflich der Quell seiner Seligkeiten Jede hier durcharbeitete mühevolle Stunde wird dort fruchtbar an Glückseligkeit, an einer Glückseligkeit, die der nie fühlen kann, der leer an Erkenntniss in jene Welt tritt. Und darum will ich nie, Viviani, auch nicht in diesem zitternden Alter, aufhören, nach Wahr- heit zu forschen. Denn wer sie hier sucht, dem blüht dort Freude hervor, wo er nur hinblickt, aus jeder bestätigten Einsicht, aus jedem vernichteten Zweifel, aus jedem ent- hüllten Geheimniss, aus jedem verschwinden- den Irrthum. . . .« Zwei Jahre nach dem Tode Gali- leis trat der grösste Geist, über den die Menschheit verfügt, in die Welt — Isaac Newton (1642—1726). Die Kette der wachsenden Erkenntniss war also nicht zerrissen. In die Lücke zwischen Galilei bis auf Newton sprangen einige Geister ein, welche