Die Spectralanalyse der Gestirne. 241 Cassettenhalter trägt, während sich vor dem özölligen Objective ein grosses Prisma befindet. Den hier ringförmigen (virtuellen) Spalt bildet die um die Mondscheibe flammende Sonnenatmo- sphäre selbst, deren Licht in seine einzelnen elementaren Strah- lungen von dem Prisma zerlegt wird, die dann ihrerseits wie- derum von dem Objective des Fernrohres zu ebenso vielen monochromatischen Bildern auf der empfindlichen Platte ver- einigt werden. Corona und Chromosphäre werden sich also in einer der von ihnen emittirten Strahlungen entsprechenden Zahl von Ringen abbilden, während die Protuberanzen in denjenigen Gestalten erscheinen, welche der Vertheilung der in ihnen glühenden Gase und Dämpfe conform sind. Dem von Lockyer der Royal Society 1896 vorgelegten Berichte, welcher eine Discussion der während der F insterniss von 1893 von Fowler und Shackleton in Westafrika und Brasilien mit prismatischen Cameras aufgenommenen Photo- gramme enthält, seien hier die folgenden interessanten und für die Sonnenphysik besonders wichtigen Ergebnisse entnommen. Mit der prismatischen Camera können bei kürzester Exposition Photogramme erhalten werden, so dass man die Erscheinungen während einer Finsterniss in rasch auf einanderfolgenden Inter- vallen aufzuzeichnen vermag. Die intensivsten Bilder der Pro- tuberanzen werden durch die II- und K-Strahlen des Calciums wiedergegeben. Figur 51 zeigt eine während der Finsterniss von 1893 mit der prismatischen Camera im Ä’-Lichte des Cal- ciumdampfes photographirte ausgedehnte Protuberanzengruppe. Die mit den Strahlen des Wasserstoffes und Heliums gezeich- neten Bilder sind weniger intensiv und reichen nicht in so grosse Höhen hinauf. Das Spectrum der Corona bestand aus acht Ringen, die am intensivsten in den hellsten Coronagebieten nahe dem Sonnenäquator waren. Die stärkste Coronalinie, der mysteriöse grüne Strahl 1474 nach Kirchhoff ist in dem Spectrum der Chromosphäre und der Protuberanzen nicht vor- handen, während H und K in dem Spectrum der Corona nicht erscheinen, obwohl sie die intensivsten Strahlungen in den Pro- tuberanzen sind. Wasserstoffringe wurden im Coronaspectrum von 1893 nicht photographirt, dagegen zeigten sich viele in der Chromosphäre und den Protuberanzen bisher nicht wahrgenom- mene Linien auf den Platten der prismatischen Camera. Die vorläufige Untersuchung des chemischen Ursprunges der Chromo- sphären- und Protuberanzlinien berechtigt, im Allgemeinen fest- zustellen, dass die Hauptlinien von Calcium, Wasserstoff, He- lium, Strontium, Eisen, Magnesium, Mangan, Barium, Chrom und Aluminium herrühren. Je mehr man sich der Photosphäre nähert, umso complicirter werden die Spectra der Chromo- sphäre und Protuberanzen. Die Protuberanzen müssen von den äusseren Theilen der Sonnenatmosphäre gespeist werden, da ihre Spectra Linien zeigen, welche im Spectrum der Chromo- sphäre fehlen. Ueberblicken wir alles Mitgetheilte, so fällt es nicht schwer, die ein- schneidende Rolle zu erkennen, welche der Astrospectrographie zukommt. W. Huggins, selbst ein Bahnbrecher auf diesem Gebiete, sagt: »Die Astro- nomie, die älteste der Wissenschaften, hat ihre Jugend mehr als erneuert. Zu keiner Zeit in der Vergangenheit war sie so strahlend von unbeschränktem Streben und Hoffen. Niemals waren ihre Tempel so zahlreich, noch die Mengen ihrer Getreuen so gross. . . . Glücklich ist das Loos derer, welche noch an der Ostseite ihres Lebensmeridianes stehen! Seit den Zeiten Newton s hat unsere Kenntniss der Naturerscheinungen wunderbar zugenommen; aber der Mensch fragt _ vielleicht jetzt ernster als damals: Was ist die letzte Wahrheit hinter der Wirklichkeit der Wahrnehmungen? Sind diese nur die Kieselsteine des Gestades, mit welchen wir gespielt haben? Liegt nicht der Ocean der letzten Wahrheit jenseits?« —---- Fig. 512. Mit Spectroskop ausgerüstetes transportables Aequatoreal. 1 '™TL . „TU.... i» 61