238 Die Spectralanalyse der Gestirne. Methode ergab sich aus der folgenden Erwägung. War es möglich, durch An- wendung entsprechender Prismensätze das Sonnenlicht beliebig weit abzu- schwächen, während die Wasserstofflinien ihre Intensität behalten, so musste es wohl auch gelingen, die Protuberanzen auch in ihrer Form zu erkennen, sobald man den Spalt entsprechend erweiterte. Diese Erwägung ist in der Praxis durch Huggins, Lockyer und Zöllner bethätigt worden. Dem letzteren fällt übrigens noch ein anderes Verdienst zu. Zunächst ist er der Urheber des sogenannten Ocularspectroskopes, welches in Figur 503 abgebildet ist und sich vornehmlich zur Beobachtung der Stern- spectren eignet. Es besteht aus einem Prismensatz ä vision directe, welcher in einer Hülse (Cb) liegt, die sich in einer zweiten Hülse (AB) verschieben lässt. Das Ganze kann, mit Einschluss einer Cylinderlinse (C), auf den Ocularkopf eines Fernrohres geschraubt werden, dessen Ocularlinsen 0, und 0, sind. Die Cylinderlinse hat bekanntlich den Zweck, das Spectrum eines Fixsternes, das nur als fadenfeine Linie erscheint, bandartig zu verbreitern. Beim Gebrauche des vorstehend beschriebenen Apparates wird zunächst die Hülse mit dem Prismensatz entfernt und das Ocular so eingestellt, dass dem Auge des Be- sionsspectroskopes, das vornehmlich zur Beobachtung und Messung sehr gerin- ger Verschiebungen der Spectrallinien sich vorzüglich eignet. Das Princip dieses Ap- parates besteht darin, dass zwei Prismen- sätze ä vision directe nebeneinander gestellt werden, wodurch zwei Spectren mit ver- kehrter Reihenfolge der Farben entstehen. Die Objectivlinse ist in zwei Hälften zer- schnitten, welche unter Vermittelung von Mikrometerschrauben sowohl in der Rich- tung senkrecht auf die Schnittfläche als auch parallel zu dieser verschoben werden kön- nen. Hierdurch ist es ermöglicht, einerseits beide Spectren in der Richtung der auf- einander folgenden Farben gegeneinander zu verschieben, und anderseits sie in der Richtung der Fraunh ofer’schen Einien gegeneinander oder von einander zu bewe- gen oder auch parallel übereinander anzuord- nen. Betrachtet man mit dieser Prismen- combination einen Himmelskörper, welcher sich von der Erde entfernt, so wird die identische Fraunhofer’sche Einie sich in jedem der beiden Spectren bezüglich ihrer Lage zu einander im entgegengesetzten Sinne verschieben, sofern der beobachtete Himmelskörper eine überhaupt wahrnehm- bare Eigenbewegung hat. Zöllner hat seinen Apparat vorzugsweise zur Beobach- tung der Protuberanzen benützt. Wir kommen nun zu den modernen, vor- nehmlich für grosse Refractoren bestimm- ten Spectralapparaten, den sogenannten Sternspectroskopen. In den letzten Jah- ren haben namentlich die amerikanischen Techniker grossartige Constructionen dieser Art zu Stande gebracht, wobei in erster Einie die aussergewöhnlichen Dimensionen der modernen Riesenfernrohre den Anstoss gaben. Hierbei wurden alle Errungenschaften der Mechanik sowohl als der praktischen Astronomie in vollem Umfange verwerthet, wodurch sich diese Constructionen zu fast unübertrefflichen Meisterwerken ausgestal- teten. In den nachstehenden Abbildungen ’lV v / Fig. 507. Spectroskop am Refractor des Allegheny- Observatoriums. Anordnung mit Rowlan d’schem Diffractionsgitter für Ocularbeobachtungen. (Constructeur: John A. Brashear, Allegheny.) sind einige Beispiele gegeben, doch müssen wir es uns ver- sagen, in alle Einzelheiten einzugehen. Ein Wunder bezüglich der Vielseitigkeit seiner Verwend- barkeit ist zunächst der in Figur 504 abgebildete Spectral- apparat des zßzölligen Aequatoreales des Halstedt-Observa- toriums (Princeton College). Sein Constructeur ist John A. Brashear in Allegheny (Pa). Dieses Spectroskop ermöglicht mit demselben Erfolge die Untersuchung der Spectren der Sonnenflecke und der Chromosphäre, wie die Beobachtung der Protuberanzen und das Studium der Fixsternspectren; es ge- stattet unter Anwendung starker Dispersion die Messung der Eigenbewegung der Fixsterne im Visionsradius und mit schwacher Dispersion die Prüfung des Lichtes der Nebel und Kometen. Collimatorrohr und Beobachtungsrohr sind optisch derart ein- gerichtet, dass äusser der Ocularbeobachtung auch photogra- phische Aufnahmen bewerkstelligt werden können — heute ein unerlässliches Erforderniss eines jeden astronomischen Spectral- apparates. Zur optischen Ausrüstung des Apparates gehört — vom herkömmlichen Prismensatz abgesehen — ferner ein so- obachters in 0 der betreffende Stern als scharfe Lichtlinie erscheint. Hierauf wird die Hülse derart eingeführt, dass die brechende Kante des Prismas, wie gewöhnlich, parallel zur Lichtlinie liegt, und somit das Spectrum seine grösste Breite erhält. Selbstverständlich braucht für ein gegebenes Fernrohr die scharfe Einstellung nur einmal besorgt zu werden, worauf das Prisma mittelst der Schraube <8 zur Cylinderlinse in unveränderlicher Lage festgelegt wird. Mit dem Ocularspectroskope lassen sich exacte Messungen der Wellenlänge von Spectrallinien nicht anstellen; dagegen eignet es sich sehr gut für solche Beobachtungen, bei denen es sich lediglich um Ermittelung der typischen Beschaffenheit von Sternspectren handelt, also für spectroskopische Durch- musterungen, wie denn auch das Ocularspectroskop beispiels- weise bei der grossen Potsdamer Durchmusterung ausschliesslich zur Anwendung gelangt ist. Zöllner ist ferner der Urheber des sogenannten Rever- \ ■ Fig. 508. Spectroskop am Refractor des Allegheny- Observatoriums. Anordnung mit Prismensystem für asti ospectrographische Arbeiten. (Constructeur: John A. Brashear, Allegheny.) genanntes »Rowland'sches Gitter« auf ebenem Metallspiegel. Ausserdem mit 14.400 Linien pro Zoll ist ein einzelnes Flintglas- prisma mit einem brechenden Winkel von 300 vorhanden, das für die Beobachtung der Spectren lichtschwacher Objecte, vor- nehmlich der Kometen und Nebel, dient. Ueber die Rowland’schen Gitter (auch Interferenz- oder Diffractions- gitter genannt) war bisher noch nicht die Rede. Es sei daher nachgetragen, dass diese Vorrichtung in einer äusserst englinigen Schraffirung auf Glas- oder Metallspiegel besteht (zehntausend und mehr Linien auf einen Zoll), durch welche die durchgehenden, beziehungsweise reflectirten Strahlen zugleich ihre Dispersion erfahren. Ueber den Werth dieser Vorrichtung äussert sich Vogel wie folgt: »Die Verwendung von Interferenzgittern zu Spectralapparaten bietet manche Vortheile. Als solche sind besonders hervorzuheben: Die geringen Dimensionen der Gitter im Vergleich zu langen Prismenketten, die Möglich- keit, die Dispersion bei Anwendung eines und desselben Gitters durch Ueber- gang zu Spectren höherer oder niederer Ordnung zu variiren. Ich möchte sagen: Der einzige Nachtheil besteht in der geringen Lichtstärke der durch Interferenz entstehenden Spectren und der damit verbundenen, nur auf helle Lichtquellen ausdehnbaren, beschränkten Anwendung. Der Grund, warum so selten Inter- ferenzgitter bei spectroskopischen Beobachtungen verwendet worden sind, mag darin zu finden sein, dass noch vor wenigen Jahren der durch seine Glas- theilungen berühmt gewordene Nobert der Einzige war, der brauchbare Inter-