Die Spectralanalyse der Gestirne. in welchem das Gestirn noch muss die längere sein, weil der durch Ausstrahlung ver- damit ein längeres Erhalten das relative Alter nach dem Zufalle vertheilt, und man müsste demnach alle Spectralclassen gleich häufig antreffen, wenn die Dauer des Verweilens innerhalb derselben für alle Classen die gleiche wäre. Dies ist aber entschieden nicht der Fall, sondern die Dauer desjenigen Zustandes, wesentlich verdichtungsfähig ist, durch diesen Process ein Ersatz loren gegangenen Wärme und höherer Temperaturgrade stattfindet. Die grösste Fähigkeit der Verdichtung besitzen aber naturgemäss die am wenigsten ver- dichteten Sterne, also diejenigen der I. Classe, dann folgen die- jenigen der Classe II und schliesslich diejenigen der Classe III. Diese Annahme erklärt ungezwungen das Verhalten der ein- zelnen Typen, ja man könnte vielleicht umgekehrt aus diesem Verhalten auf die relative Dauer des Verweilens in den Spectral- classen schliessen und würde hierbei zu dem Resultate gelangen, dass ein Stern doppelt so lange im Zustande I bleibt als im Zustande II, und in diesem wieder viermal so lange als im Zu- stande III.« Scheiner hat auch auf den folgenden Sachverhalt mit Nachdruck hingewiesen. Unter den Sternen der II. Classe zeich- net sich vor allen der schöne Elauptstern im Fuhrmann, Capella (a Aurigae), dadurch aus, dass dessen Spectrum mit dem der Sonne bis auf die kleinsten Einzelheiten identisch ist. Eine der- artige Uebereinstimmung, die ebenso gelben Fixsternen (Pollux, Arctur, Ha- mal im Widder u. s. w.) stattfindet, hält Scheiner für einen zwingenden Beweis für die ausserordentliche Gleich- förmigkeit, welche in der Zusammen- setzung und in der Entwickelung der Fixsterne herrscht, eine Gleichförmig- keit, welche sich in demselben Ent- wickelungsstadium nicht nur auf die Dichtigkeits- und Temperatur Verhält- nisse, sondern auch gleichsam auf die procentische Zusammensetzung hin- sichtlich der verschiedenen Elemente erstreckt. Welche weite Perspective — allerdings von hypothetischer Na- tur — dieser Hinweis in Bezug auf die Entwickelungsgeschichte der ein- zelnen Fixsternsysteme als Analoga zu unserem Sonnensytem und dem- gemäss auf die Entwickelungsstadien der zu diesem Systeme gehörigen Pla- neten und ihres organischen Lebens eröffnet, ergiebt sich von selbst. Zur weiteren Charakterisirung des Mitge heilten müssen zweifellos bei anderen Fig. 462. Spectrum des Sirius. Spectrum des Sirius im Meridianhorizont (I). Spectrum der Sonne im Meridianhorizont (II). A aB C1 Fig- 463- Fig. 464- HK 2D3 E b F zeige. Daraus ergiebt sich der Widerspruch gegenüber dem fest- stehenden Naturgesetz, dass jeder heisse Körper im Innern eine wesentlich höhere Temperatur als an der Aussenhülle habe. Scheiner entscheidet sich diesfalls dafür, »dass diese Gestirne mit sehr weit ausgehender Atmosphäre umgeben sind und dass das Emissionsspectrum (d. h. die directen hellen Gaslinien) von den Theilen der Atmosphäre, welche in der uns sichtbaren Pro- jection über die eigentliche Sternscheibe hinausragen, das Ab- sorptionsspectrum (d. i. die Fraunhofer’schen Linien) des mitt- leren Theiles überlagert und überblendet«. Dieser Sach verhalt ist auf spectrophotographischem Wege zunächst bei 7 Cassiopeiae constatirt worden. Fixsterne mit so viel mächtigeren Atmosphären, als sie alle anderen besitzen, müssen nothwendigerweise sich in einem Stadium der Ver- dichtung befinden, das als eine Zwischenstufe zwischen dem Dunstball des Nebelfleckes und den weissen Sternen anzusehen ist. Sie bezeichnen die früheste Phase des echten Fixsternes und beweisen, dass es in der Gesammtheit der kosmischen Welt keine Lücken in der entwickelungsgeschichtlichen Aufeinander- folge giebt. Im Zusammenhänge mit dem Mitgetheilten, d. h. in Be- rücksichtigung, dass ein Fixstern bei fortschreitender Verdich- tung an Kern gewinnt und im gleichen Masse an Gashülle ver- liert, was sich in der Stufenfolge der aufgestellten Classen darin ausprägt, dass die Wasserstofflinien allmählich schmäler und schwächer werden, hat Vogel ermit- telt, dass die Sonne, ihrer Atmosphäre beraubt, etwa doppelt so heiss erschei- nen würde, als sie wirklich ist. Bekannt- lich hat die Lichtfülle der Sonne ein ausserordentlich detaillirtes Studium ihres Spectrums ermöglicht. Die Pots- damer Tafel der Linien des sichtbaren Sonnenspectrums enthält nicht weniger als 4020 mit fast absoluter Genauig- keit gemessene Wellenlängen, deren Identificirung mit irdischen Elemen- ten allerdings nur in beschränktem Masse gelungen ist. Etwa 2000 Linien gehören dem Eisen an, 200 dem Koh- lenstoff, 75 dem Calcium, 20 dem Magnesium, 11 dem Natrium, 4 dem Aluminium. Identificirt wurden ferner: Nickel, Titan, Mangan, Chrom, Kobalt, Vanadium, Zirconium, Cer, Scandium, Neodymium, Lanthan, Attrium, Nio- bium, Molybdän, Palladium, Silicium, Strontium, Barium, Cadmium, Rho- Kupfer, Silber, Beryllium, Germanium, Zinn, Blei, Kalium. Dagegen ist mit Sicherheit anzunehmen, dass folgende irdische Elemente auf der Sonne nicht vorhanden sind: Antimon, Arsenik, Wismuth, Bor, Stickstoff, Cäsium, Indium, Quecksilber, Phosphor, Rubidium, Selen, Schwefel, Thallium, Elemente worden. Ein wir noch zweier Fixsterne gedenken, deien abnoime Spectren nicht ohne weiteres die Ein- ordnung in eine der aufgestellten Classen gestatteten. Diese beiden Fixsterne sind y Cassiopeiae und ß Lyrae. Bekanntlich lässt sich in den Spectren der Nebelflecke mit Sicherheit nur Wasserstoff feststellen. Will man nun in den weissen Sternen die auf den Nebelfleck nächstfolgende Entwickelungsstufe erkennen, so muss sich deren Atmosphäre als vorwiegend mit Wasserstoff erfüllt erweisen, was das Spectroskop in der That constatirt. Nun zeigen aber die vorstehend genannten zwei Sterne ein continuirliches Grundspectrum, auf diesem jedoch keine dunklen Absorptionslinien, sondern Wasserstofflinien hell, und neben ihnen noch eine besondere, gleichfalls helle Linie, welche man auch in der Sonnenatmosphäre gefunden hat, und deren zugehöriges Element Ramsay in Verbindung mit irdischen Stoffen (in Verbindungen des Urans, Yttriums und Thoriums) erst kürzlich entdeckt hat: das Helium. Crookes fand es im Spectrum des Cleveitgases, Runge und Paschen u. A. stellten weitere Unter- suchungen nach dieser Richtung an, und schliesslich bemächtigten sich die Astronomen dieser Entdeckung. In den Spectren der Orionsterne, ferner in den Spectren von ß Persei, a Virginis, ß Tauri und vj Ursae majoris wurde von Sch ein er spectrographisch eine breite verwaschene Linie entdeckt, die mit einer von Copel and im Spec- trum des grossen Orionnebels gefundenen Linie coincidirte, bisher aber mit keiner Spectrallinie eines bekannten Elementes identificirt werden konnte. Zur Zeit weiss man, dass die räthselhafte »Orionlinie« eine der Hauptlinien im Blauviolett des Heliumspectrums ist. Auch noch zwei andere Linien desJHelium- spectrums fand Scheiner in Fixsternspectren, und Vogel wies bei 25 weiteren Fixsternen (darunter ß Lyrae) die für die Orionsterne charakteristischen Linien des Cleveitgasspectrums nach. Kehren wir nach dieser Abschweifung zu unseren beiden Eingangs genannten Sternen zurück. Nach den Fundamental- gesetzen der Spectralanalyse müsste der Umstand, dass auf einem continuirlichen Grundspectrum helle Gaslinien sich zeigen, zu dem Schlüsse führen, dass hier ein weissglühender Centralkörper von einer Wasserstoff- und Helium-Atmosphäre eingehüllt sei, die heisser wäre als der Kern selbst und in Folge dessen an Stelle der Fraunhofer’schen Absorptionslinien helle Gaslinien dium, Erbium, Zink, Proseodymium und Gold, ist zum Theil zweifelhaft, Die Existenz der übrigen zum Theil nicht untersucht spectralanalytischen Unter- suchungsmethode wurde von dem berühmten Präcisionsmechaniker Henry A. Rowland dadurch erzielt, dass er die Spectren der chemischen Elemente gemeinsam mit dem Sonnenspectrum photographirte und die solcher Art erhaltenen Einien mit einer ingeniös erdachten Maschine von grösster Zuverlässigkeit aus- mass. Rowland ist bekanntlich auch der Erfinder der nach ihm benannten Dispersionsgitter, auf welche wir in dem tech- nischen Theil der Spectralanalyse noch zurückkommen. Nachdem durch die Spectralanalyse festgestellt worden war, dass die Sonne einen glühenden Kern mit continuirlichem Spectrum und darüber eine glühende Gashülle mit absorbirenden Gaslinien besitze, ging man daran, die Natur der Sonnenflecke, jene des Coronalichtes und der Protuberanzen auf spectroskopi- schem Wege zu untersuchen. Was zunächst die Sonnenflecke anlangt, zeigt das Spectrum derselben vorerst keine neuen Linien; es erscheinen nur die Linien des Sonnenspectrums ver- breitert und verstärkt. Huggins, Secchi und Lockyer hatten diesen Sach verhalt festgestellt. In der Folge zeigte es sich aber, dass die vorstehend hervorgehobene Unveränderlichkeit inso- fern e eine Modification erfahre, als Veränderungen im Zustande der Atmosphäre die Zahl, Lage, Lichtstärke und Breite der dunklen Linien beeinflusse. Die ersten Untersuchungen nach grosser Fortschritt in der