Die Spectralanalyse der Gestirne. meter in der Secunde bis zu fast 58-5 Kilometer. Die eine Hälfte | der Nebel kommt auf uns zu, die andere weicht zurück. Es herrscht also nicht nur innerhalb dieser glühenden, in Jahr- millionen zu Sonnensystemen sich ausgestaltenden Gasmassen die wildeste Bewegung, sondern sie selber eilen mit rasender Geschwindigkeit durch den Raum dahin. Das ist die heutige, durch die Ergebnisse der Spectralanalyse erhärtete Auffassung, entgegen jener älteren, welche all die ungezählten Sternsysteme in einen Zustand ewiger Starrheit, einer unwandelbaren Con- stanz, versetzte. Gehen wir nun auf die fortschreitende Ausgestaltung wissen- schaftlicher Erkenntniss auf Grundlage der spectralanalytischen Forschungsergebnisse über. Wir erinnern an die lange Pause, die vom Beginn der grundlegenden Studien durch h raunhofer eintrat, an den langsamen Gang der Forschung in den nächst- folgenden Jahrzehnten, in welchen die Namen box lalbot, Miller, Sw an und Huggins die entsprechenden Etappen be- zeichnen, von Kirchhoff und Bunsen, von den engeren Ergeb- nissen der wissenschaftlichen Spectralanalyse ganz abgesehen. Ein ausgiebiger Schritt nach vorwärts ist mit der Forscherarbeit des hochverdienten päpstlichen Astronomen P. Angelo Secchi ver- knüpft. Ihm genügte es nicht, aus den Ergebnissen der neuen wissenschaftlichen Methode die Schlüsse zu ziehen, dass im Allgemeinen die physische Constitution der Fixsterne derjenigen der Sonne gleiche, und dass sich bezüglich gewisser Grundstoffe in den Atmosphären der Fixsterne, der Sonne und unserer Erde eine gewisse Uebereinstimmung zeige. Auf Basis dieser Erkennt- niss weiter forschend kam Secchi schliesslich dahinter, dass weder die Spectren aller Fixsterne genau dem der Sonne, noch untereinander sich gleichen. Die ermittelten Verschiedenheiten führten zu einer Eintheilung in Gruppen, von denen jede einen bestimmten Typus bildet. Secchi stellte fünf Typen auf, von welchen einer der Sonne entsprach, während die anderen in wesentlichen Punkten abweichen. Aus diesem Sachverhalt liess sich ohne Zwang, und zwar hauptsächlich deshalb, weil die Uebergänge von einem Typus zu dem anderen Typus schwan- kende Abgrenzungen aufwiesen, eine gewisse Kette im Sinne der Entwickelungsgeschichte kosmischer Körper herauslesen. Die von Secchi aufgestellte Classification ist die folgende: I. Typus — weisse Sterne (Sirius, Atair, Regulus u. s. w.): Das Spectrum besteht aus den sieben Farben, welche durch vier starke schwarze Linien unter- brochen sind, eine im Roth, die andere im Grünblau, die beiden letzten im Violett. Sie gehören dem Wasserstoff an. Fast die Hälfte aller Fixsterne lässt sich in diese Gruppe einordnen. II. Typus — gelbe Sterne (Cappella, Pollux, Arctur u. s. w.): Ihr Spectrum ist völlig dem der Sonne zu vergleichen, indem es von vielen sehr feinen, dicht zusammenstehenden dunklen Linien, welche dieselben Stellen wie im Sonnenspectrum einnehmen, durchsetzt ist. III. Typus — Farbe der Sterne orange und roth (a Herculis, a Orionis : Das Spectrum ist aus zwei übereinander gelagerten Spectren bestehend zu betrachten, von denen das eine aus breiten, dunklen Streifen besteht, welche das ganze Spectrum derart theilen. dass es den Anblick von der Richtung des Roth her beleuchteter Säulen darbietet, während das andere die feinen dunklen Linien aufweist, die das Spectrum des II. Typus charakterisiren. Die Lage der Leitlinien ist in allen Sternen dieselbe. IV. Typus — blutrothe Sterne. Diese Spectren enthalten drei fundamentale Zonen: Gelb, Grün und Blau. Bei einigen Sternen ist auch eine Andeutung der rothen Zone zu erkennen. V. Typus. Zu diesem gehören einige wenige Sterne, welche direct das Spec- trum des Wasserstoffes geben, wie beispielsweise 7 Cassiopeiae, ß Lyrae u. s. w. Secchi ging bei der Classification so vor, dass er nur die äusseren Formen berücksichtigte, doch kam er später zur Ansicht, dass der verschiedene Typus durch die Temperaturen der Sterne bedingt ist, eine Ansicht, die auch von Zöllner und Vogel vertreten wurde. Deshalb schlug Letzterer folgende Eintheilung vor: 1. Sterne, deren Glühzustand ein so beträchtlicher ist, dass die in ihren Atmosphären enthaltenen Metalldämpfe nur eine überaus geringe Absorption ausüben können, so dass entweder keine oder nur sehr zarte Linien im Spectrum vorkommen. 2. Sterne, bei denen die in ihrer Atmosphäre enthaltenen Metalle sich durch kräftige Absorptionslinien im Spectrum kundgeben. 3. Sterne, deren Glühhitze so weit erniedrigt ist, dass Associationen der Stoffe, welche ihre Atmosphäre bilden, eintreten können, die stets durch mehr oder weniger breite Absorptionsstreifen charakterisirt sind. Auf Grund dieser Eintheilung kommt Vogel zu nachstehender Classi- fication : I. Classe: Spectren mit keinen oder sehr zarten Metalllinien; Blau und Violett treten schärfer auf. a) Spectren, in denen äusser den sehr schwachen Metalllinien die Wasser- stofflinien sichtbar sind und sich durch Breite und Intensität auszeichnen (zumeist weisse Sterne). b) Einzelne Metalllinien ganz schwach angedeutet; die Wasserstofflinien fehlen. c) Helle Wasserstofflinien; hell. II. Classe: Spectren mit sehr deutlichen Metalllinien. Die brechbaren Theile des Spectrums sind im Vergleich zur vorigen Classe matt, in den weniger brechbaren Theilen treten zuweilen schmale Bänder auf. a) Zahlreiche Metalllinien, besonders intensiv im Gelb und im Grün. Die Wasserstofflinien meist kräftig, aber nie so auffallend verbreitet, als bei Classe la; in einigen Sternspectren sind dieselben jedoch schwach, und bei solchen sind dann gewöhnlich in den weniger brechbaren Theilen durch zahlreiche dichtstehende Linien entstandene schwache Bänder zu erkennen. b) Äusser den dunklen Linien und einzelnen schwachen Bändern treten mehrere helle Linien auf. III. Classe: Spectren, in denen äusser dunklen Linien noch zahlreiche dunkle Bänder in allen Theilen des Spectrums auftreten und die brechbaren Theile des letzteren auffallend schwach sind. a) Äusser den dunklen Linien sind noch Bänder zu erkennen, und zwar nach dem Violett dunkel und scharf begrenzt, nach dem Roth matt und ver- waschen. b) Spectren, in welchen dunkle sehr breite Bänder zu erkennen sind, deren Intensitätszunahme entgegengesetzt ist wie bei Illa. Nach N. J. Lockyer spielt sich die Entwickelungsgeschichte eines Fixsternes auf Grund der von ihm aufgestellten Meteorcollisions-Hypothese in den Spectren nach folgendem Schema ab: I. Spectren, welche gleich jenen der Nebel helle Linien oder Zonen haben und nur schwache Absorptions-Erscheinungen zeigen (Vogel Ic, 116); II. Spectren mit Zonen und Banden (Vogel Illa); III. Spectren mit feinen schwarzen Metalllinien (Vogel Ila); IV. Spectren auf der höchsten Stufe der Temperaturentwickelung, mit deut- lichen Wasserstofflinien, alle anderen Linien aber schwach (Vogel la); V. Spectren mit dunklen Linien, ähnlich wie III, doch sind die verschiedenen Varietäten dieser Classe durch die Temperaturabnahme bedingt (Vogel IIa) VI. Spectren mit starken, durch Kohlenstoffverbindungen erzeugten Banden; VII. lichtlose Sterne. Der Ansicht, das sich in den Spectren das Entwickelungs- stadium der Fixsterne abspiegle, wurde vorerst keineswegs von allen Astronomen beigepflichtet. Im Jahre 1867 hatte Johnston e Stoney behauptet, dass die farbigen Sterne jünger seien und bei zunehmendem Alter weiss würden. Zu der gleichen Ansicht gelangte 1891 Pierson. Andere Astronomen meinen, dass die mannigfachen Spectren nicht die Stadien eines Entwickelungs- fortschrittes darstellen, sondern grösstentheils veranlasst seien durch Verschiedenheiten der ursprünglichen Constitution der betreffenden Fixsterne. Die Annahme eines Entwickelungsfort- schrittes konnte in der That, trotz aller inneren Wahrschein- lichkeit, nicht ihren hypothetischen Charakter abstreifen, so lange nicht ein directer Beweis gelungen war, d. h. so lange sich nicht die Möglichkeit ergab, auf Grundlage der spectral- analytischen Untersuchungen die Temperatur der 1-ixsterne zu bestimmen. Nun sind die Spectren der Fixsterne nicht nur durch die in ihnen auftretenden Einien, sondern zugleich durch das Intensitätsver- hältniss ihrer Farben charakterisirt. Die Fundamentalgesetze der Spectralanalyse lehren aber, dass ein glühender Körper umso lebhaftere Spectralfarben zeige, je heisser er ist. Darauf ge- stützt, verglich Vogel photometrisch die einzelnen Regionen verschiedener Fixsternspectren mit den betreffenden Special- bezirken der Spectren irdischer Eichtquellen, und er fand, dass die weissen Sterne sich in einem bedeutend höheren Gluth- zustand befinden als die Sonne, dass die gelben Sterne vom Spectraltypus der Sonne sich in ähnlichem Gluthzustande be- finden wie diese, und dass die rothen Sterne eine weit niedrigere Temperatur als die Sonne besitzen müssen. Die ausserordent- lich subtilen Untersuchungen Scheinens, auf welche wir hier nicht näher eingehen können, haben die Vogel'schen Annahmen bestätigt, desgleichen die späteren Untersuchungen Keeler’s. Schein er ist auch der Frage näher getreten, weshalb die Anzahl der Fixsterne immer geringer wird, je weiter die Ver- dichtung und Abkühlung fortgeschritten, und beantwortet erstere wie folgt: »Wenn das uns sichtbare Sternsystem thatsächlich in der Unendlichkeit des Weltalls eine Insel ist, so kann die- selbe, unbeschadet der zeitlichen Unendlichkeit, doch für sich einen Entwickelungsanfang haben. Dieser Anfang braucht aber durchaus nicht in der Weise erfolgt zu sein, dass nahe gleich- zeitig alle Sterne in den Zustand gelangt sind, bei welchem der Begriff eines Sternes überhaupt anfängt, sondern die Dauer des Anfanges kann von derselben Ordnung sein, wie etwa die Dauer des Entwickelungsganges eines Sternes. Während dieser Zeit, und es ist kein Grund vorhanden, weshalb wir uns nicht noch in derselben befinden sollten, findet ein Entstehen und Vergehen statt, alle Zwischenstufen zwischen beiden sind vorhanden, und das absolute Alter der Sterne ist nach dem Zufall vertheilt. Da I dies mit der Masse der Sterne ebenfalls der Fall ist, so ist auch