Die Spectralanalyse der Gestirne. 225 0 10 20 80 40 50 GO 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 Inlllllllllilllllll .blau violet Ba ßa violet Hl Hi ß I rothlN | orange] gelb gr|iin blau Jn 10 Blau violet Fig. 460. Spectraltafel nach Kirchhoff und Bunsen. welches entsteht, wenn ein fester oder flüssiger Körper sich im Zustande der Weissgluth befindet. Sinkt diese zur Rothgluth herab, so erhält man zwar gleichfalls ein continuirliches aber unvollkommen entwickeltes Spectrum. Das Linien- oder Gasspectrum ist gekennzeichnet durch eine grössere Anzahl von farbigen Linien, welche sich in der bekannten Reihenfolge anordnen, wobei Farben und Zahl der Linien, sowie die Orte innerhalb des Ganzen individuell wechseln. Es wurde bereits mitgetheilt, dass Gase, welche einem hohen Drucke ausgesetzt sind, nicht das ihnen eigenthümliche Linienspectrum, sondern ein Continuum geben. Dies erklärt sich aus der geringen .Anzahl von Farben, in welche das Licht eines Gasgemenges, das durch das Prisma dringt, zerlegt wird. Es brechen sich dann die einzelnen wenigen Farbenstrahlen und rufen in entsprechenden Entfernungen die bewussten Farbenlinien hervor, während die Zwischenräume als dunkle Lücken erscheinen. Stehen aber Gase unter bedeutendem Drucke, so schwingen die Gasmolecüle nicht mehr frei, sondern stossen auf einander, wodurch Schwingungen aller Art stattfinden, d. h. Licht von allen möglichen Brechbarkeiten und damit im Zusammenhänge ein con- tinuirliches Spectrum entsteht. Das Bandenspectrum ist aus breiteren farbigen Bändern in der be- kannten Faibenfolge zusammengesetzt und entsteht durch das Leuchten dampf- oder gasförmiger Körper bei verhältnissmässig niedriger Temperatur und Ver- dünnung. Beim Absorptionsspectrum ist, wie bereits erläutert worden ist, die ununterbrochene Farbenfolge (Continuität) durch dunkle Linien, beziehungs- weise Banden, unterbrochen. Unter welchen Bedingungen ein solches Spectrum entsteht, ist dem Leser bekannt. Es ist ferner erwähnt worden, dass die farbigen Linien, beziehungsweise Banden, für jeden Stoff ihre ganz bestimmten Farben haben, an ganz bestimmten Stellen des Spectrums erscheinen und zwar stets dort, wo im Sonnenspectrum Fraunhofer’sche Linien vorhanden sind. Diese farbigen Linien bilden ein Erkennungsmittel für die verschiedenen Stoffe und heissen dafür auch charakte- ristische Linien oder Leitlinien. Man bezeichnet solche Linien für einen und denselben Stoff nach dem Grade ihrer Helligkeit mit den griechischen Buch, staben a, ß, 7, 8 u. s. w. und fügt letztere dem chemischen Zeichen, mit welchem man den Stoff bezeichnet, hinzu. Die Figur 460 enthält die von Kirchhoff und Bunsen ermittelten Spectren von: 1. Kalium (I, Ka), 2. Natrium (Na), 3. Lithium (Li), 4. Strontium (Sr), 5. Calcium (Ca), 6. Barium (Ba), 7. Ru- bidium (Rb), 8. Cäsium (Cs), 9. Thallium (TI) und 10. Indium (In). Äusser der Angabe der Farbe der einzelnen Spectrallinien ist auch eine Scala ihrer relativen Abstände eingezeichnet. Aus dieser Darstellung ist zu ersehen, dass das Kaliumspectrum (7J eine rothe und eine blauviolette Leitlinie aufweist, von welchen die erstere, oder die intensivste, mit Ka, a, die zweite mit Ka, ß bezeichnet wird; die Kaliumflamme selbst ist hellviolett. Das Natriumspectrum (2) hat eine charakteristische gelbe Linie, welche bei grösserer Dispersion (Farben- zerstreuung) als Doppellinie auftritt. Wie bereits früher erwähnt, ge- nügt der dreimillionste Theil eines Milligrammes Natronsalzes, um im Spectrum noch erkannt zu werden. Im Spec'.rum des Lithiums (3) wird die hellleuchtende rothe Leitlinie des Spectrums mit Li, a, die schwä- chere orangefarbene Linie mit Li, ß bezeichnet. Das Strontium- spectrum (4) ist durch den Mangel grüner Linien charakterisirt, ferner durch die Anwesenheit sechs rother Linien, einer orangefarbenen und einer blauen Linie. Unter den Linien des Calciumspectiums sind Ca, ß im Grün und Ca, a im Orange als charakteristisch hervorzuheben. Die Leitlinien des Barium- spectrums (6) liegen im Grün. Im Rubidiumspectrum (7) befinden sich zwei sehr intensive violette Limen Rb, a und Rb, ß und zwei im äussersten Roth liegende Rb, 0. Die Leitlinien des Cäsiums (8) sind zwei blaue Linien Cs, a und Cs, ß und ausserdem eine doppelte orangefarbene Cs, 7. Das Spectrum des Ihallium (9) zeigt eine grüne Linie unfern der Fraunhofer’schen Linie E. Das Indium- spectrum endlich (10) weist eine blaue Linie zwischen G und F und eine schwächere violette nahe an II auf. Andere Spectren sind aus den betreffenden Kartenblättern zu ersehen. (Vgl. Nr. 60 und 61.) Das sichtbare Spectrum liegt zwar zwischen den äussersten Grenzen Roth und Violett, doch ist damit die Farbenscala nicht erschöpft. Sowohl über das Roth, als über das Violett hinaus treten optisch unsichtbare Farbenstrahlen auf, welche deshalb dem Auge unsichtbar bleiben, weil sie einerseits — wie beim »Ultraviolett« — zu rasch schwingen, um noch erkannt zu werden, anderseits — wie beim »Ultraroth« — das 1 empo des Licht- wellenschlages zu träge ist, um in die Erscheinung treten zu können. Die ultravioletten Strahlen sind dadurch bemerkens- werth, dass sie im hohen Grade chemisch wirksam, daher für die photographische Untersuchung von unschätzbarem AVerthe sind. Ganze Fixsternregionen, die vornehmlich im ultravioletten Lichte strahlen, sich sonach niemals, selbst in den grössten Instrumenten, dem Auge zeigen, erscheinen in dichtestem Ge- dränge auf den photographischen Platten, und zwar umso deut- licher und zahlreicher, je länger man diese exponirt, d. h. der chemischen Lichtwirkung aussetzt. Von nicht minder ausschlaggebender Bedeutung erweist sich dieser Sachverhalt in einer anderen Beziehung. Es ist ohne weiteres klar, dass eine Lichtquelle, die sich vom Standorte des Beobachters (und seines Spectralapparates) entfernt, eine V er- langsamung des Schwingungstempos verursacht, und umgekehrt eine Lichtquelle, die sich dem Beobachter nähert, eine Be- schleunigung der Schwingungen zur Folge haben wird. Dem- entsprechend müssen sich im Spectrum, wenn beide A orgängecon- trolirt werden, \rerschiebungen bald nach dem einen, bald nach dem anderen Ende desselben wahrnehmen lassen, an welchen auch die dunklen Linien, weil an ihre Ursprungsstelle festge- bannt, theilnehmen werden. Diese wichtige 1 hatsache hat bei den sogenannten veränderlichen Sternen eines bestimmten 1 ypus zur Entdeckung ihres gemeinsamen Umschwunges mit einem dunklen, also unsichtbaren Begleiter geführt. Aut dem AVege der Ocularbeobachtung wäre diesem Sachverhalte nicht beizu- kommen gewesen, weil in Berücksichtigung der hier in krage kommenden ungeheueren Entfernungen die Parallaxen der Bahn- durchmesser sich der AVahrnehmung und Messung entziehen. Das Spectroskop aber verräth nun den Bahnumlauf insoferne, als es die Stellung des betreffenden Fixsternes in seiner grössten Entfernung vom, beziehungsweise in seiner grössten Nähe zum Beobachtungsorte durch die entsprechenden Verschiebungen nach dem einen oder anderen Ende des Spectrums anzeigt. Aber auch die Eigenbewegung der Fixsterne ist auf diesem AVege zu erkennen. AVenn wir im Spectrum eines k ixsternes eine Linie gewahren, die einer leicht erkennbaren in unserem irdischen AVasserstoffspectrum (und einer dunklen Linie im Sonnenspectrum) entspricht, aber ein ganz klein wenig nach dem Roth hin verschoben ist, so dürfen wir den Schluss ziehen, dass dieser Fixstern sich mit rasender Geschwindigkeit von unserer Erde, also auch von unserem Sonnensystem entfernt. Aus den bekannten Grössen: der Geschwindigkeit des Lichtes in der Secunde, der AVellenlänge der betreffenden Linie im AVasserstoffspectrum und der A^erminderung der Brechbarkeit des Sternlichtes an der Stelle der betreffenden Linie, lässt sich sogar eine Ziffer für das Mass der Bewegung in der Secunde ermitteln, wobei die Eigenbewegung der Erde in Abzug zu bringen ist. So hat Huggins schon im Jahre 1867 berechnet, dass sich Sirius in der Secunde um 45 Kilometer von der Erde entfernt. Aber erst die Anwendung der Photographie gab über diese Erscheinung umfassenden Aufschluss. Hierbei hat unter Anderen J. E. Keeler sogar für die Eigenbewegung der Nebel- flecke annähernde AVerthe ermittelt. Es ergaben sich für zehn unter- suchte Bewegungen in der Gesichtslinie solche von 1-7 Kilo- Fig. 461. Sonnenspectrum nach Fraunhofer. 57