Fig. 459. Das grosse Spiegelteleskop des Lord Rosse bei Parsonstown in Irland (1845). w'v ÄÜ-.'I miiiiuiiiu ■ ■ilBIL ■niiwBi " u. |l* du | Effill i: iiimima 1/ MIMII. '£ aaitaBt 1 mimm MMW» MHHL a __W lkO£äi IliBMffl V jlwaBM' l g9 «L._. SIEBENTER ABSCHNITT. Die Spectralanalyse der Gestirne. I 0X0 x Äl? than« nachdem Himmel gerichtet wurde und Dank IgU seiner optischen Kraft nicht nur zahllose neue pF kosmische Nebelgebilde dem forschenden Auge erschloss, sondern viele der bereits bekannten in Sternhaufen auflöste, erhielt die Astrophysik einen mächtigen Impuls. Zuerst schüchtern, dann nachdrücklicher wagte sich die Meinung hervor, dass möglicherweise alle diese Dunst- gebilde, welche uns die Rückschau in den Urzustand der kos- mischen Materie vermitteln, »auflösbar« seien. Die Nebular- Hypothese gerieth ins Schwanken, umsomehr als in Consequenz der einmal gefassten Meinung im angegebenen Sinne, die »Auf- lösbarkeit« sich in ein gerades Verhältniss mit der zu erzielenden Vervollkommnung der optischen Hilfsmittel stellte. Es kam aber anders, und die Entscheidung führte keines- wegs ein Riesenteleskop, sondern ein sehr unscheinbares In- strument herbei — das Spectroskop. Im Jahre 1845 hatte Eord Rosse zum erstenmale seinen »Leviathan« nach den in unvor- stellbarer Ferne des Weltraumes schwebenden Dunstwölkchen gerichtet; 15 Jahre später hatten die berühmten Physiker Kirch- hoff und Bunsen die Fundamentalgesetze der Spectralanalyse festgelegt — die Natur des continuirlichen Spectrums, die Natur des Gasspectrums und die Natur der übereinander liegenden Spectren mitFraunhofer'schen Linien. Und wieder nach weiteren fünf Jahren (1860) sah Huggins zum erstenmale im Spectroskop, durch dessen Spalt das matte, dämmerige Licht eines fernen Nebelfleckes drang, die drei bunten Linien des echten Gasspec- trums. Das war die Geburtsstunde eines neuen, viel versprechenden Hilfs- mittels in der Erforschung der physischen Natur der Himmelskörper. Die seit- dem erzielten Erfolge sind in der That erstaunenerregend; an der Hand der farbigen Bänder lichteten sich die Schleier, welche bislang die entwickelungs- geschichtlichen Verhältnisse im Weltraum verhüllten. Je bunter und vielgestaltiger sich jene gestalteten, desto mehr hellte sich das Wesen der stofflichen Dinge im Universum auf. Die Erkenntniss wuchs mit der Erschliessung der Causalität, welche sich in der vergleichenden spectralanalytischen Forschung offenbarte. Diese selbst aber ist der Glanzpunkt der Astrophysik. Lange wurde diese als Stiefkind, als der alten rechnenden Astronomie nicht ebenbürtig behandelt. Die Verallgemeinerung und Bereicherung, welche die beobachtende Himmelskunde durch die verbesserten optischen Hilfsmittel und der damit zunehmenden Be- theiligung nichtastronomisch-zünfiiger Kreise erfahren hatte, konnte an dem Sachverhalte nichts ändern. Ja, gerade der zuletzt hervorgehobene Umstand erwies, dass die beobachtende Astronomie keines bedeutenden wissenschaft- lichen Fondes bedarf, um ausgeübt werden zu können, und dass sie schliess- lich selbst zu einer sportmässigen Spielerei entarten kann. Durch die Spectralanalyse hat die Astrophysik ihre Weihe als eben- bürtige Schwester der rechnenden Astronomie erhalten. Sie ist durchaus streng wissenschaftlich, dem Dilettantismus entzogen, der Speculation nicht zugäng- lich. Sie ist, wie ein geistreicher Fachmann sich ausgedrückt hat, »die Sprache des Himmels«. Allerdings hat es lange gedauert, bis dieses Ziel erreicht wurde, auffällig genug, da wir seit Newton davon Kenntniss haben, dass die schönen Farben des Regenbogens die gemeinschaftlichen und nothwendigen Bestand- theile des Lichtes sind; er fand ferner, dass weisses Licht, das durch ein Glas- prisma geleitet wird, eine Zerlegung in die Farben des Regenbogens erfährt. Die Erscheinung erklärt sich dahin, dass die Farbenstrahlen, welche den weissen Lichtstrahl zusammensetzen, im Verhältniss zu der Schnelligkeit ihrer Schwingun- gen verschieden stark abgelenkt werden, wodurch sich erstere sozusagen fächer- förmig ausbreiten. So schwingt der rothe Farbenstrahl etwa 5oobillionenmal in der Secunde, der violette etwa ysobillionenmal. Da diese beiden Farben die Enden des Spectrums markiren, so ergiebt sich, dass der rothe Farbenstrahl die schwächste, der violette die stärkste Brechung erfährt. Dazwischen stufen sich die anderen Farben ab: Orange und Gelb mehr an der Seite des Roth, Grün und Blau mehr nach der Seite des Violett. Handelte es sich um nichts Anderes, als um diese als constant gedachte Zerlegung des weissen Lichtes in ein siebenfärbiges Farbenbündel, ohne Rück- sicht auf die Natur der Lichtquelle, so ist leicht einzusehen, dass der wissen- schaftliche Gewinn hierbei ein sehr bescheidener wäre. Die Sache verhält sich aber ganz anders. Wohl zeigt jeder von einem glühenden festen oder tropfbar flüssigen Körper ausgehender Lichtstrahl nach seinem Austritte aus dem zer- legenden Prisma im Grossen und Ganzen dasselbe Farbenbild, wie es vor- stehend gekennzeichnet wurde. Ist jedoch die Lichtquelle ein glühender Stoff in gasförmigem Zustande, so ergiebt sich bei der Lichtzerlegung durch das Prisma ein ganz anderes Farbenbild: einzelne bunte Bänder und Linien zeigen sich durch dunkle Zwischenräume von einander getrennt, wobei, je nach dem Stoffe der Lichtquelle, Farben und Zahl der Linien eine bestimmte Anordnung zeigen. Daraus ergiebt sich, dass sich aus der Gestaltung des Spectrums erstens erkennen lässt, ob der Körper, der hier die Lichtquelle ist, ein im Zustande der Weissgluth sich befindender fester oder tropfbar flüssiger Körper, be- ziehungsweise glühendes Gas ist, und zweitens — wenn das letztere der Fall — welches Element im gasförmigen Aggregatzustande das Licht erzeugt. Flammt beispielsweise eine leuchtende gelbe Linie an bestimmter Stelle im Spectrum auf, so verdampft in der Lichtquelle zweifellos Natrium. Auf diesem Wege wurden denn auch im Laufe der Zeit bis dahin unbekannte Elemente der Erde entdeckt, und anderseits Elemente in den Spectren der W eltkörper vorgelünden, die auf der Erde unbekannt sind. Indess ist der vorstehend gekennzeichnete Sachverhalt nicht so einfach, als es den Anschein hat. Betrachtet man nämlich im Spectroskop das Farben- band des Sonnenspectrums, so zeigt sich, dass dasselbe eine Unmasse feinet dunkler Linien aufweist, welche allerorten das Band durchqueren. Newton war es nicht vergönnt, diese dunklen Linien zu sehen, weil bei seiner \ or- richtung das Licht durch eine runde Oeffnung auf das Prisma fiel, wodurch kein reines Spectrum, sondern eine ganze Reihe von Spectren entstand, die sich gegenseitig überdeckten. Lenkt man aber das Licht durch einen feinen senk- rechten Spalt auf das Prisma, so erhält man ein tadelloses Farbenband. Sowohl die Lage des Spaltes wie die Schärfe der Ränder sind massgebend für die Rein- heit des Spectrums, doch hängt, wie die Erfahrung gezeigt hat, die Spalt- öffnung von der Intensität des durch das Prisma zu analysirenden Lichtes ab. Wallaston war der Erste, welcher die dunklen Linien des Sonnenspectrums wahrnahm, ohne ihre wahre Bedeutung zu erkennen. Zwölf Jahre später (1814) kam Fraunhofer bei seinen Untersuchungen über die Brechungs-Exponenten der verschiede- nen Strahlen des Spectrums auf die dunklen Querstreifen des- selben zurück. Er erkannte sofort die grosse Bedeutung dieser