220 Der Mond. Weiterarbeiten. ... Im Jahre 1839 war dem damals 14jährigen Julius Schmidt gelegentlich einer Auction in seiner Heimats- stadt Eutin das Schröter’sche Mond werk in die Hände gefallen. Das Interesse des Knaben wurde sofort lebhaft erregt, und als er durch ein von dessen Vater beigestelltes Fernrohr zum ersten- male — an einen Laternenpfahl gelehnt — nach dem Monde blickte, erwachte in dem Jungen der Drang, das Gesehene zu zeichnen. Ein hierauf in Verwendung genommenes besseres Fern- rohr steigerte das erwachte Interesse, und als Schmidt 3 Jahre seit der erhaltenen ersten Anregung durch ein grösseres Fern- rohr (jenes der Sternwarte zu Altona) den Mond betrachtete und zugleich Maedler’s kartographische Arbeiten kennen lernte, Süd. ' t Ä W' K * y < * ■ 1 WS 1 - ■.iw • ' A 'S i» *. 'm L V I -CJCibih Fig. 456. Rillen am Nordostabfall des »Apennin«. Nach dem Negativ des Lick-Observatoriums vom 3. August 1893, beziehungsweise der 24facben Vergrösserung von Prof. L. Weinek auf circa I7fache Vergrösserung reducirt. erkannte er die grosse Aufgabe, der er sich zu widmen ge- dachte. Kaum 20 Jahre alt, begann Schmidt in verschiedenen Städten seine Thätigkeit als Selenograph, vornehmlich in Olmütz an der Privat-Sternwarte des Prälaten Unbrechtsberg (1853 bis 1858), von Ende 1858 ab an der Baron Sina’schen Sternwarte in Athen, wo die Beobachtungen durch einen özölligen Refractor vonPlössel mit 3oomaliger Vergrösserung (bei günstigem Luft- zustande mit 500- bis öoomaliger Vergrösserung) angestellt wurden. Obwohl Schmidt schon in der ersten Zeit seiner Mond- studien sowohl ganze Phasenbilder, vornehmlich aber — nach dem Vorgänge Schroter’s — einzelne lunare Objecte gezeichnet hatte, so lieferten doch erst seine Arbeiten zu Athen das grund- legende Material zu einer von ihm geplanten und 1865 in An- griff genommenen Mondkarte. Dieselbe sollte einem Monddurch- messer von 6 Pariser Fuss (1'94 Meter) entsprechen und auf 4 grossen Blättern ausgeführt werden. Hierbei zeigte es sich jedoch, dass das bisher angesammelte Material bei weitem nicht genügte, um eine so grosse Kartenfläche auszufüllen. Schmidt ging nun planmässig vor und widmete die 9 folgenden Jahre (bis 1874) seine Kräfte vorwiegend dem vorgesteckten Ziele, das in befriedigender Weise zu erreichen nach Schmidt’s eigenen Worten die Leistungsfähigkeit eines Einzelnen übersteigt. Bald nach Beginn der Arbeit ging Schmidt von der ur- sprünglichen Absicht, die ganze Karte in 4 Sectionen zu gliedern, ab, da bei der bedeutenden Grösse (1 Quadratmeter) der einzelnen Blätter sowohl das Zeichnen sowie die spätere Gebrauchnahme sehr erschwert worden wäre. Er entschied sich für 25 Sectionen, in welche er aus Lohrmann’s Karte die selenographischen Posi- tionen der Punkte erster und zweiter Ord- nung übertrug. Alle weiteren Detailzeich- nungen sind aber Schmidt’s eigene Arbeit, zu welcher er über 3000 Originalskizzen, die seit 1842 entstanden waren, benützte. Da das monumentale Werk 1874 fertig wurde, ergiebt sich, dass sein Urheber darauf volle 32 Jahre verwendet hatte. Die Karte enthielt 32.856 Kratergebilde und 348 Rillen und wurde im December 1874 zum erstenmale in der Berliner Sternwarte ausgestellt. Das Interesse der wissenschaft- lichen Welt für diese Leistung war glück- licherweise lebendig genug, um das Werk vor einem ähnlichen Schicksale, wie es Lohrmann’s Karte erfahren, zu bewahren. Der Staat nahm sich der Sache an, im Atelier des grossen Generalstabes wurden die 25 Blätter zunächst photographirt und Copien hiervon an Schmidt nach Athen geschickt, damit dieser in der Bearbeitung des Text werk es nicht aufgehalten werde. Letzteres umfasst 304 Seiten und erschien 1878 gleichzeitig mit der »Charte der Gebirge des Mondes«. Die technische Reproduction der Schmidt’schen Mondkarte erfolgte durch Heliotypie, einem modernen Verfahren, das man zu Maedler’s Zeit noch nicht kannte. Glücklicherweise hatte Schmidt schon zu Beginn der definitiven Arbeit er- kannt, dass seine Zeichnungen die Neigung zeigten, zu verblassen, was ihn veranlasste, an die photographische Vervielfältigung der einzelnen Blätter zu denken. Zu diesem Zwecke aber musste die Zeichnung, der Deutlichkeit halber, stärker im Ton gehal- ten werden, wodurch die Möglichkeit, die Karte auf heliographischem Wege zu repro- duciren, gegeben war. Freilich litt in Folge der schärferen Schraffirung das natürliche Verhältniss der Abdachungen, und Schmidt selber giebt zu, dass Maedler’s Karte in diesem Sinne das lunare Relief getreuer wiedergebe. Auch ist er nicht blind für eine gewisse Einförmigkeit, die seiner Dar- Stellung anhaftet, doch ergaben es ge- wichtige sachliche Gründe, dass manches Charakteristische geopfert werden musste. Bezüglich der Wiedergabe der Helligkeits- abstufungen auf der Mondoberfläche sagt Schmidt: »Das Co- lorit, die sogenannte Mondfarbe, also das Aussehen des Voll- mondes, in einer topographischen Karte genau darzustellen, ist unmöglich, und demnach beschränkte ich mich, wie meine Vor- gänger, darauf, das Nöthige hervorzuheben, nämlich die graue Färbung der Ebenen und verschiedener dunklen Flecke. Licht- streifen zeichnete ich nur in den Maren, Lichtflecke nur dort, wo die dunkle Umgebung es zuliess.« Von Interesse ist, was Schmidt bezüglich der anzuwendenden Vergrösserung bei Mondbeobachtungen zum Zwecke des Zeichnens sagt. Darnach wären öoofache Vergrösserungen (und darüber) mit Vortheil niemals anzuwenden, ganz abgesehen davon, dass man sich hierbei nur auf Objecte von geringer Ausdehnung beschränken müsste. Wäre aber das angegebene Vergrösserungsmass bedin- gungslos anwendbar, so würde es keine grossen Schwierigkeiten bieten, gegen 100.000 Kraterbildungen und etwa 500 Rillen zur Darstellung zu bringen.