Der Mond. 217 insoferne eine grosse Lebenszähigkeit bewiesen, indem jene noch heute im Oriente vielfach im Schwange ist. Einen bedeutenden Schritt nach vorwärts, und zwar nicht nur in der Mondbeobachtung, sondern in der gesammten beobachtenden Himmelskunde, brachte die Erfindung und Anwendung des Fernrohres. Galilei war der Erste, welcher mit Hilfe desselben die lunaren Formationen erkannte, den Schatten- wurf hoher Kegel und Gebirge bald nach der einen, bald nach der anderen Seite — je nach der Stellung der Sonne (zu- und abnehmender Mond) wahr- nahm und darauf gestützt, Höhenmessungen anstellte. Der fascinirende Anblick des Mondes durch das eben erfundene Instrument war gewiss anziehend genug, um Galilei zu veranlassen, eine Skizze des Gesehenen zu entwerfen, wie eine solche in Figur 445 nach einer zeitgenössischen Publication wiedergegeben ist. Dass sie nicht befriedigt, giebt der erste Blick; aber dieses ehrwürdige gra- phische Document steht am Ausgangspunkte der jahrhundertelangen zeichneri- schen Bestrebungen. Nichts kennzeichnet mehr den ungeheueren Fortschritt auch auf diesem Gebiete der Himmelskunde, als eine Nebeneinanderstellung dieses Bildchens mit einem der grossen photographischen Mondblätter der Gegenwart. Einen wesentlichen Fortschritt in der Entwickelung der graphischen Darstellung der Mondoberfläche bezeichnet die Karte Christoph Scheiner’s (1678), obwohl dieselbe nicht viel mehr zeigt, als durch das nächstbeste Opern- glas zu sehen ist. Aehnliches gilt von der Mondkarte des Kapuziners Schyr- laeus de Rheite (Maria Schyrl), der eine Zeit hindurch die Ehre genoss (beziehungsweise sie mit Anderen theilte: Galilei, Peter Cherubin le Gentil), der Erfinder des Doppelfernrohres zu sein. Dagegen ist er unbestritten der Erfinder des terrestrischen Fernrohres. Besser waren die Zeichnungen des neapolitanischen Edelmannes Fontana (1630). Der etwas mystisch angelegte Kepler betrachtete den Mond wohl häufig durch das Fernrohr, stellte jedoch keine topographischen Studien an, da er von der Vorstellung befangen war, dass es sich hier um künstliche Gebilde, um Bauwerke der »Seleniten«, handle, zu welcher Anschauung er durch die Regelmässigkeit der Gebilde veranlasst wurde. Dagegen entwarf der Jesuit Van Langren (um 1650) eine ziemlich detaillirte Karte, auf welcher zum erstenmale die hervorragenderen Objecte mit Namen figurirten. Es waren durchwegs solche von Heiligen. Die ersten einigermassen brauch- baren Mondkarten rühren von dem Dan- ziger Rathsherren und Brauereibesitzer Hevelius (JohannHewelcka) her, des- sen 1647 erschienenesWerk über den Mond (»Selenographia, swe Lunae descriptio«) 40 vor ihm gezeichnete und in Kupfer ge- stochene Phasenbilder und ausserdem 3 Vollmondkarten enthielt. Von den letzteren hatte die eine einen Monddurch- messer von i6’3 Centimeter, die beiden anderen einen solchen von 28’5 Centi- meter. Von diesen ist eine ohne Schatten- wurf, die andere mit Schattenwurf nach Westen dargestellt, und zwar in der Strichmanier. Sie galt etwa 100 Jahre lang für die beste Mondkarte, und es ist zu beklagen, dass die Originalplatten (sammt den Büchern und Instrumenten Hevelius’) in einer Feuersbrunst, welche ein entlassener Diener verursacht hatte, zu Grunde gingen. In der beigeschlossenen Mondkarte Hevel’s (Fig. 446) sind — im Gegensätze zu den anderen Darstellungen dieser Art — die Gebirge dunkel und die Ebenen (Mare) hell gehalten, entsprechend den Erdkarten. Aus den der Karte an- gefügten 8 Engelsgestalten lässt sich die hohe Vollendung des 1 damaligen Kupferstiches unschwer erkennen. Immerhin zeigt die Karte selbst, mit welch relativ bescheidenen Leistungen sich die Selenographie in jener Zeit und noch lange nachher begnügen musste. Hevel stellte die Karten mit Hilfe von ihm selbst angefertigten 6- und 12 füssigen Fernrohren bei 30- bis 40 facher Vergrösserung her. Von Interesse ist, dass zu derselben Zeit der Pariser Astronom Gassen di im Begriffe war, eine Mondkarte herzustellen, was Hevelius noch rechtzeitig erfuhr. Dieser scheint die Fortsetzung seines Unternehmens von den Arbeiten Gassendi’s abhängig gemacht zu haben, da er sich an diesen wandte und ihm einige Proben der fertig gewordenen Mondzeichnungen einsandte. Als der Pariser Astronom Hevel’s Leistungen als vorzüglich anerkannte und ihn zur Fortsetzung der Arbeiten anspornte, kam das berühmte Werk zu Stande. Dieser Ruhm spiegelt sich unter Anderem darin, dass Papst Innocenz X., als er ein Exemplar der •>'Selenographia« erhielt, die Bemerkung gemacht haben soll: »Dieses Buch wäre ohne seinesgleichen, hätte es nicht ein Ketzer geschrieben.« Hevelius führte auf den Mondkarten viele der Namen ein, welche noch heute gang und gäbe sind, wie jene der Gebirge (Alpen, Kaukasus, Hämus, Apennin, Taurus, Karpathen etc.) und jene der von ihm als »Meere« (Mare) bezeichneten grossen Ebenen. Die Absicht, die Namen von Gelehrten auf lunare Ob- jecte anzuwenden, mit der sich Hevelius getragen haben soll, aber aus naheliegenden Gründen wieder fallen liess, verwirk- lichte nachmals der Jesuit Riccioli, der eine von seinem Ordens- genossen Gr im al di angefertigte Mondkarte in dem angegebenen Sinne ausstattete (1651). Maedler, der die Riccioli’sche Karte nicht hoch schätzt, behauptet, sie wäre vorwiegend aus dem vorerwähnten Grunde entstanden, weil sich hierbei dem eitlen Urheber die Gelegenheit ergab, seinen eigenen Namen »sowie denjenigen seines Freundes Gr im al di auf dem Monde zu ver- ewigen«. Im Jahre 1680 erschien in Paris eine Mondkarte, welche Dominique Cassini durch den Zeichner Patigny hatte her- stellen lassen und welche eine Arbeitszeit von 7 Jahren erfor- derte. Sie war wohl schöner und reichhaltiger als die Hevel’sche Karte, stand ihr jedoch in Bezug auf Genauigkeit erheblich nach. Mehr als ein Jahrhundert später wurde die Cassini- sche Karte von Lai an de neu aufgelegt. Indess war schon vor Mitte des 18. Jahrhunderts in dem Mitgliede des Homan’schen Landkarten-Institutes in Nürnberg, dem Topographen Tobias Mayer, ein berufener Selenograph, dem man eine der ausge- Süd. Fig. 451. Ptolemäus. Fig. 452. Arzachel. Nach einem Negativ des Lick-Observatoriums, beziehungsweise den 24fachen Vergrösserungen von Prof. L. Weinek, auf etwa die Hälfte (linear) reducirt. u I 1-1 % •t. Sil' i *1 i,. • ■ zeichnetsten Mondkarten verdankt, erstanden. Mayer hatte bei der beabsichtigten Vorausberechnung der verschiedenen Phasen einer Mondfinsterniss im Jahre 1748 den Mangel von genauen Positionen für die einzelnen Mondflecke schwer empfunden. Um diesem Uebelstande thunlichst abzuhelfen, bewerkstelligte der Genannte innerhalb anderthalb Jahren genaue Positions- messungen von 24 Mondflecken, welche mit noch weiteren schätzungsweise ermittelten 63 Punkten auf einer General- karte des Mondes von 7’/2 Pariser Zoll (20’3 Centimeter) Durch- messer festgelegt wurden. Die Veröffentlichung dieser werth- vollen Arbeit erlebte Mayer, der zur selben Zeit zum Professor an der Universität Göttingen aufgerückt war, leider nicht, da ihn der Tod noch in dem frühen Alter von 39 Jahren hinweg- gerafft hatte (1762). Erst über Betreiben Eichtenberg’s, Pro- fessors an derselben Universität, erschien 1775 Mayer’s aus- gezeichnete Mondkarte, welche sich durch ein halbes Jahrhundert (vom Tage ihrer Publication an) als beste Leistung dieser Art behauptete. Zu erwähnen wäre noch, dass das englische Parlament nach Mayer’s Tode dessen Erben für seine Mondtafeln 3000 Pfund Sterling zahlte. Seine Mondkarte ist in Figur 448 abgebildet. Von einem in Angriff genommenen Mondglobus in 24 Sectionen sind nur 4 der letzteren fertig geworden. Schliesslich sei der durch Klinkerfues, Director der Göttinger Sternwarte, aus Mayer’s Nachlass im Jahre 1881 herausgegebenen »Grösseren Mondkarte 55