2l6 Der Mond. Süd. Fig. 449. Mondlandschaften in verschiedener Beleuchtung. Aus J. H. Schröter's »Selenotopographischen Fragmenten«, 1791. (’/t Grösse des Originals.) F .•>30 .. .... y am dunkelsten nach dem Vollmonde, wenn alle Schatten ver- schwunden sind; dagegen werden sie bei niedrigem Sonnen- stände unsichtbar, also dann, wenn die Schatten am schärfsten hervortreten. Daraus schliesst Pickering, dass hier eine wirk- liche Veränderung der Natur der reflectirenden Oberfläche statt- findet. Es sei uns keine irdische Gesteinsart bekannt, die unter der Einwirkung der Insolation stufenweise dunkler wird, be- ziehungsweise bei deren Abnahme heller wird. Um das Phäno- men zu erklären, nimmt Pickering die Anwesenheit von Wasser an, doch sei an eine freie Wasseroberfläche schon aus topographischen Gründen nicht zu denken. Vielleicht deuten diese Flecke das Vorhandensein von Vegetation an; in diesem Falle aber müsse an der Existenz von Wasser festgehalten werden. Pickering hat einen förmlichen Katalog aller von ihm aufgefundenen und beobachteten veränderlichen Flecke ange- legt, in welcher Arbeit ihm freilich Klein zuvorgekommen ist. Letzterer tritt auch entschieden der Annahme entgegen, als könnten die dunklen Flecke als Beweis für die Anwesenheit von Feuchtigkeit angesehen werden; nach seiner Ansicht handelt es sich um Eruptionsproducte aus einer jüngeren Zeit, um Ejectionen, die von Natur aus weit dunkler als der Mond- boden in dem betreffenden Bereiche sind. Bei sehr schräger Be- leuchtung tritt diese grössere Dunkelheit nicht sehr hervor, sondern erst bei höherem Sonnenstände; daher dunkeln die Flecke in dem Masse ab, als die Sonne höher steigt, und werden vor Sonnenuntergang wieder bleicher. »Sehr geringe Unter- schiede — sagt Klein — im Beleuchtungswinkel können je nach Neigung der Schichten, welche die Oberfläche der dunk- len Flecke bilden, im Aussehen derselben von der Erde aus erhebliche Veränderungen veranlassen. Deshalb sind auch diese Veränderungen bei Flecken, die gegen den Mondrand liegen und deren scheinbare Lage durch die Libration stark beein- flusst wird, am bedeutendsten.« Der Anblick der Mondoberfläche hat auch zu der Annahme geführt, dass möglicherweise Schneelagen auf derselben vorhanden sein könnten. Be- kanntlich schmilzt der Schnee auf den höchsten irdischen Gebirgen niemals, und Ursache dieser Erscheinung ist die sehr dünne Luft. Die physikalische Voraussetzung für das gleiche meteorische Phänomen auf dem Monde wäre somit gegeben. Es hat sich indess gezeigt, dass die mittlere, lichtreflectirende Kraft (Albedo) der Mondoberfläche nicht viel grösser als bei verwittertem Sandstein ist und ganz beträchtlich hinter der Albedo frisch gefallenen Schnees zurücksteht. Nachdem es aber sehr helle Stellen auf dem Monde giebt, so wäre nach Lohse wenigstens theilweise die Annahme einer Schneedecke ge- rechtfertigt. »Dürfte man sich« — schreibt der Genannte — »einen Theil dieses ewigen Schnees mit Gesteinsstaub (kosmischen Staub) vermengt denken, so würde die photometrische Beobachtung mit dem einfachen Anblick in Uebereinstimmung gebracht werden können. Der hypothetische Charakter vor- stehender Erörterungen bleibt natürlich trotzdem bestehen.« Die kartographische Darstellung des Mondes. Einen interessanten Abschnitt der Selenographie bildet die kartographische Darstellung seiner Oberfläche, beziehungsweise die geschichtliche Entwickelung derselben. Eine zusammen- fassende Darstellung der diesbezüglichen Arbeiten hat Professor L. Weinek in einer grösseren Abhandlung (in der Zeitschrift »Himmel und Erde«) gegeben. Wir folgen derselben hier in ihren Hauptzügen. . . . Die Betrachtung des Mondes ist ein Zeit- vertreib, der sich ganz von selbst ergiebt, vornehmlich in der klaren Atmosphäre südlicher Länder, wo das Nachtwachen in den herrlichen lauen Nächten immerdar zu den herkömmlichen Vergnügungen der wenig schlaf bedürftigen südlichen A ölker gehörte. Noch heute liegen arabische Schiffer oder Wanderer stundenlange auf dem Rücken, in der Betrachtung des Sternen- himmels versunken. Da der Gang der Gestirne dort vielfach Uhr und Compass ersetzt, so gestaltet sich die Betrachtung des Sternenhimmels nicht lediglich zu einer anziehenden Unterhaltung, sondern entspringt dies vornehmlich einem praktischen Bedürf- nisse. Nach dem Monde aber richtete sich, wie wir in einem früheren Abschnitte gesehen haben, die ganze Zeitrechnung. Nach dem Monde auszuschauen bedeutete also in alten Zeiten so viel, wie heutigen Tags das Nachsehen in einem Kalender, der Blick auf die Uhr u. s. w. Mit dem Monde sich zu beschäftigen, lag indess noch ein weiterer Grund vor. Ein scharfsichtiges Auge vermag auf der Scheibe unseres Irabanten sehr deutlich dunkle und helle Stellen auszunehmen, und aus der Gestaltung mancher Gebilde vermutheten schon in grauer Vorzeit forschende Gelehrte Bodenformen, welche den Gebirgen unserer Erde entsprechen. Anaxagoras nannte den Mond schlechtweg ein Abbild unserer Erde und Plutarch zog sogar einen Vergleich zwischen den schattenwerfenden Mondbergen und dem Berge Athos, dessen Schatten sich bei Sonnenuntergang 700 Radien weit übei die Meeresfläche legt. Dazwischen mengen sich allerlei phantastische \ or- stellungen über die Bedeutung der lichten und dunklen Flecke im Monde, die ein so hartnäckiges Leben bekunden, dass sie selbst in unseren lagen allerdings nur in rein figürlichem Sinne — das Um und Auf des selenogra phischen Wissens der grossen Menge bilden. Naiver als diese kindlich-poeti- schen Vorstellungen lesen sich die Anschauungen eines Klearchos und Agesianax, welche im Monde einen Spiegel zu erkennen meinten, welcher die Oberflächenformen der Erde wiederspiegle. Auch diese Anschauung hat (Tori Fig. 450. Ein Stück der Mondkarte von G. Lohr mann 7 WB. Ä isv; •