Der Mond. 2 T I Luftströmungen mitwirkte, und die Vertheilung auf grosse Entfernungen verursachte. Einen kritischen Punkt bildet auch für die Pariser Astronomen das verschiedene Aussehen der Ringge- birge. Jedes grosse Ringgebirge in seiner Gesammtheit als einen Explo- sionsherd anzusehen, gehe nicht an; es muss aber vorausgesetzt werden, dass der von den Ringgebirgen ein- genommene Raum der Schauplatz einer intensiven vulcanischen Thätig- keit, die sich durch eine grössere oder geringere Zahl von Oeffnungen kenntlich mache, gewesen sein müsse. Die genannten Astronomen widerspre- chen der Annahme, dass die Mare die primären lunaren Formationen seien; sie entsprächen vielmehr Abstürzen (Einsenkungen), die sich nach den Ringgebirgen gebildet hätten, wobei die bereits resistente Rinde befähigt war, sich eine bestimmte Erstreckung selbst zu halten. Dafür spräche die allgemeine Vertheilung dieser becken- artigen Ebenen, welche eine auffällige Analogie mit den gleichen Bildungen der Erde aufweist. Darnach wären die-an den Rändern der Mondmeere auftretenden Spalten nichts anderes als Zeichen concentrischer Senkungen. Die stufenweise Entwickelung aller die- ser Gebilde würde sich demnach auf Grund des Vorgebrachten etwa wie folgt gestalten; Nimmt man als Ausgangspunkt den Zustand vollkommener Flüssigkeit, so erkennt man als erste gut charakteristische Periode diejenige, in welcher an der Oberfläche in mehr oder weniger ausgedehnte Bänke zusammengescho- bene Schlacken erscheinen, oft unter der Wir- kung von Strömungen dislocirt und mit der Zeit in Folge der Abkühlung verschmelzend. Die Verbindungs- und Bruchlinien sind in bei- den Fällen sichtbar geblieben und ordnen sich nach regelmässigen Systemen, welche die Se- lenophotographien klar ans Licht stellen. Die Bildung einer zusammenhängenden Rinde des Mondes bezeichnet den Anfang einer zweiten Periode, in der die Laven sich unter dem Einflüsse der Erdanziehung oder einer anderen Ursache an bestimmten Stellen anhäufen, und, da sie keinen freien Austritt zur Oberfläche ♦ „ • v « r L. • C * ... »> ; i ■ ■‘ijf Fig. 439. Centrale Region in der Westhälfte des Mondes mit dem Mare Nectaris (oben) und dem Mare Tranquilli- tatis (unten). Nach einer photographischen Aufnahme der Brüder Henry des National-Observatoriums zu Paris vom 23. März 1893. haben, gezwungen werden, sich neue zu schaf- fen. In einer mässig resistenten Hülle verräth sich diese Tendenz durch Bildung von Spalten. Laven dringen auf dem so geöffneten Wege an die Oberfläche des Mondes; sie erstarren bald und geben den Theilen, die sie bedeckt haben, das Aussehen zusammenhängender Ebenen. Mit der Zeit wird die Rinde fester; sie öffnet sich nur noch unter der Wirkung innerer Druckkräfte, die stark genug sind, um sie zu heben, und dieser Art Anschwellungen erzeugen, welche von Abstürzen begleitet werden. Diese dritte Periode wäre nach Loewy und Puiseux die des Auftretens der grossen Ringgebirge. Mit der umfassen nur sehr be- schiänkte Gebiete. Hinge- gen bleiben allgemeine Sen- kungen möglich und kön- nen sich auf umso grössere Flächen erstrecken, je mehr sich die Rinde ohne Stütze halten kann. Daraus ergäbe sich eine vierte Periode, die der allgemeinen Sen- kungen, welcher die soge- nannten Mare ihre Entste- hung verdanken würden. Die Existenz der Flecke und Streifen, welche ohne Unter- schied dieMeere,Hoch- ebenen, die Wälle und den Boden der Ring- Zeit werden die Erhebungen zur Ausnahme und Süd. : * ’’ • ’ * •K'l' Fig. 440. Posidonius (Paris). Aufnahme vom 14. März 1894, 6h 33 m 57s Sternzeit. gebirge bedecken, nahmen die genannten Astronomen als unwiderlegliches Zeug- niss einer Thätigkeitsphase, welche jünger ist als die Erstarrung der Oberfläche der sogenannten Meere. Loewy und Puiseux ziehen daher eine fünfte Periode in Erwägung, in welcher wegen der stets zunehmenden Dicke der Rinde ausschliesslich nur intensive vulcanische Kräfte temporäre Eruptionen verursachen, auf wenige ausgedehnte Oeffnungen beschränkt. Diesen hypothetischenVorgängen habe man die zum Theil veränderte Farbe des Bodens zuzuschreiben, weniger oder gar nicht aber Veränderungen des Reliefs. Damit im Zusammenhänge stünden die mehrerwähnten Strahlen- systeme, welche überdies zu Gunsten einer früher vorhandenen Atmosphäre sprächen. Wir werden weiter unten sehen, wie es sich damit verhält. Im Allgemeinen haben die genannten Selenographen zur Erklärung der lu- naren Phänomene keinerlei ausserge- wöhnliche Ursachen herangezogen, sondern sie auf Kräfte zurückgeführt, welche auch auf der Erde thätig sind. Die Ungleichheit der Wirkungen würde sich zwanglos aus der Ver- schiedenheit der physischen Bedin- gungen erklären. Ferner ist zu erwä- gen, dass der schnellere Wärmever- lust auf der Mondkugel die Periode vulcanischer Eruptionen früher zum Abschluss bringen musste als auf der Erde. Aber es ist nicht sicher, dass die Epoche absoluter Ruhe bereits eingetreten ist. Die Vergleichung der Höhen zwischen den Hochgebirgen, dem Boden der Ringgebirge und der Oberfläche der Meere lässt vermuthen, dass in der Zeit, in der die Gestaltung des Reliefs im Grossen und Ganzen zum Abschlüsse gelangte, die Dicke der festen Rinde eine sehr mässige war und vielleicht nur ein Dutzend Kilometer betrug. In dieser Voraus- setzung lässt sich schwer denken, dass alle vulcanische Thätigkeit be- reits erstorben sei, da, wie man sieht, der Mond von seiner vollstän- digen Abkühlung noch sehr weit ent- fernt wäre. Auch Ed. S uess betont mit besonderem Nachdrucke, dass die photographischen Aufnahmen des Mon- Vergrösserungen von des eine ausgezeichnete Grundlage zur Beurtheilung der geolo- gischen Verhältnisse auf demselben darbieten. Indess stimmen die Anschauungen des Wiener Geologen nicht in allen Punkten mit denjenigen der genannten Pariser Astronomen überein. Der Meinung, dass die Um- risse der Mare durch Einbrüche geschaffen worden, diese selbst aber lediglich als aus- gedehnte Depressio- nen anzusehen seien, wie Loewy und Pui- seux annehmen, derspricht Suess dem Hinweise auf Regelmässigkeit Umrisse und die Be- schaffenheit derWälle, wobei zugestanden wird, dass die am Rande der Mare auf- Wl- mit die der Fig. 441. Plato (Lick). Aufnahme vom 3. August 1893, 15h 23 m 13 s P. s. t. tretenden Sprünge auf Senkungen (Nach-