Der Mond. Diese Ebenen zeigen zwar verschiedene Tonabstufungen, aber keinen auffälligen Unterschied in der Färbung, obwohl mitunter von solchen die Rede ist. Auch auf den Karten werden sie angedeutet. In diesen erscheinen die Flächen vollkommen eben; anders in den Vergrösserungen von photographi- schen Mondaufnahmen, auf denen, wenn auch in den meisten Fällen nur schwach entwickelt, ein ausserordentlicher Reichthum von Modellirungen zum Ausdrucke kommt. Niedrige aber langgestreckte Anschwellungen — Berg- adern — treten vielfach mit überraschender Plastik in die Erscheinung. Als- dann wellenförmige Unebenheiten, Mulden, sanfte Abdachungen, kurz ein mannigfaltiger Wechsel, den uns erst die Selehophotographie enthüllt hat. Den »Meeren« stehen die Bodenerhebungen, welche eine Gruppe verschiedenartiger Formen bilden, gegenüber. Als eine Uebergangsform dürfen zunächst die Wallebenen angesehen werden, von weitgestreckten, im Kreise geschlossenen Bergzügen umrandete flachere Gebiete, welche im Innern hie und da bergartige Erhebungen, beziehungsweise krater- artige Vertiefungen aufweisen. Die grossen Wall- ebenen haben mitunter eine bedeutende Ausdehnung und treten mehrfach in Reihen auf, und zwar stets in der Meridianrichtung. Manche Wallebenen zeigen ein ruinenhaftes Aussehen, indem der Wall selbst zer- bröckelt erscheint, oder nur in Fragmenten auftritt. Die nächste Formation der lunaren Bodenerhe- bungen sind die Ringgebirge; sie sind fast immer völlig geschlossen, der Kamm des Gebirges, wenn auch durch Zacken und Pässe stark profilirt, weist eine ziemlich gleichförmige mittlere Höhe auf, und auch die Breite des Fusses ist eine gleichmässige. Die Zahl dieser Formationen ist ungemein gross. In einigen Mondgegenden stehen sie in so dichtem Ge- dränge, dass sie den betreffenden Raum völlig aus- füllen und für Zwischenglieder kein Platz erübrigt. Nicht nur, dass sich die Ringgebirge häufig mit ihren Rändern hart berühren, sie sind mitunter auch ineinander geschoben, wofür »Theophil« und »Cyrill« ein besonders charakteristisches Beispiel abgeben. Meist fällt der Wall nach innen und aussen in Ter- rassen ab, oder es verzweigen sich Ausläufer vom Walle aus nach verschiedenen Richtungen. Im Innern zeigt sich am häufigsten ein sogenannter Central- berg, oft nur wie eine schwache Narbe von mässi- ger Höhe, mitunter in Gestalt eines hohen, nadel- artigen Pik’s, in anderen Fällen als Gruppe oder Reihe von Kegelbergen. Der einfache Centralberg bezeichnet fast immer die Mitte und zugleich den tiefsten Punkt des concav geböschten und steil ab- fallenden Innern des Ringgebirges. Um bezüglich der Wallebenen und Ringgebirge eine Vorstellung zu vermitteln, sind im Nachstehen- den die Durchmesser einiger der hervorragendsten Formationen dieser Art angegeben (in abgerundeten Zahlen): Clavius 227 Kilometer Ptolemäus 185 Gauss . . 177 Riccioli . 170 Boussin- gault 148 Hipparch 140 Cleomedes 125 Hevel .■ . 113 Posidonius 99 Plato ... 96 Kilometer Flamsteed 96 » Piccolomini 93 Fabricius . 89 Copernicus 88 Wargentin 87 Tycho . .87 Aristoteles 81 Archimedes 80 u. s. w. Es ist zu bemerken, dass sowohl die Walle als der Cen- tralberg häufig eine sehr bedeutende Höhe erreichen, doch giebt es viele Beispiele von hohen Wällen aber sehr niedrigen Cen- tralbergen; der umgekehrte Fall kommt nicht vor, und niemals erreicht der Centralberg die Flöhe des Walles. Die kleineren Ringgebirge bilden den Uebergang zu einer auf der Mondoberfläche in aussergewöhnlicher Vielzahl auf- tretenden Formation, welche schlechtweg Krater genannt werden. Der Wall dieser kleinen, bis zur unteren Grenze des Erkenn- baren herabgehenden Bildungen ist sehr regelmässig geformt. Es giebt Krater von bedeutendem Durchmesser und solche, bei welchen letzterer nur den Bruchtheil eines Kilometers beträgt. Auf den ausgezeichnet schönen und klaren Vergrösserungen von Mondphotographien von Professor Weinek sind von diesem zahlreiche Bildungen erst auf diesem Wege aufgefunden und nachmals optisch grösstentheils verificirt worden. Bei vielen dieser Formationen ist ihre enorme Steilheit (bis 70° Böschungs- winkel) auffällig. Sie werfen selbst bei hohem Sonnenstände noch beträchtlich lange Schatten, was nebenher auch auf be- deutende Erhebung schliessen lässt. Das Innere der Krater ist bald halbkugelförmig flach, bald trichterartig vertieft, meist aber stellen sie das vor, was ihr Name besagt: becherartige Gebilde. Sie treten zu Tausenden und Abertausenden auf, alle übrigen Formationen der Mond- oberfläche durchbrechend, und diese in ein förmliches Sieb ver- wandelnd. In den »Meeren« reihen sich die Kegelchen wie Warzen, die bei hohem Sonnenstände höchstens noch als un- deutliche Lichtpunkte angedeutet erscheinen; sie knospen aus den grossen Ringwällen, brechen aus den Abhängen hervor, oder öffnen sich auf den Spitzen hoher Centralberge, ähnlich Süd. ■ • w V • < V AG . * & MV 3 V > > » § ■ F F, ’O Fig- 433- Erstes Mondviertel. Photographie von Loewy & Puiseux des Pariser National - Observatoriums vom 14. März 1894, 6 h 33 m 57 s Sternzeit. (Nach einer Copie von L. Weinek.) I den Kratern unserer irdischen Vulcane: Aetna, Cotopaxi u. s. w. Von den Wallebenen, Ringgebirgen und Kratern (aller Grössenabstufungen) verschieden sind die als K ettengebirge anftretenden Formationen, welche unbestritten eine gewisse Aehnlichkeit mit den irdischen Bildungen dieser Art aufweisen. Gleich wohl geht die Analogie nicht weit; auf den Mondgebirgen fehlen die langgestreckten Grate und Kämme, es fehlen die Längsthäler, die in irdischen Gebirgssystemen den Lauf der grossen Ströme bedingen und deren Bildung theils mit der Ent- stehung der Gebirge zusammenfällt, theils im Laufe der Zeit durch die erodirende Thätigkeit des Wassers entstanden sind. Zwar giebt es Gebirge auf dem Monde, welche — wie die »Apenninen« — einen Raum von mehreren tausend Quadrat- meilen bedecken und sich zu einer Höhe erheben, welche der- jenigen der höchsten irdischen Berge gleich ist; aber selbst diese gewaltigen Gebirge erscheinen nur als eine regellose Gruppirung