Die Glieder des Sonnensystems. 203 Die Wiederholung des Ereignisses ist also zunächst für Mitte November 1899 zu erwarten. Die Periode von 331 2 3 4 5 6/4 Jahren, welche von dem berühmten Mailänder Astronomen P. Schiaparelli berechnet wurde, führte diesen auf die Idee, ob nicht ein innerer Zusammenhang zwischen Meteorsystemen und Kometen bestehe. Er stellte mit grossem Fleisse Berechnungen der Kometenbahnen und jene der Stern- schnuppenbahnen an und als er dieselben mit einander verglich, gelangte er zu der überraschenden Thatsache, an dem grossen Kometen 1862, III einen Bestandtheil der Perseiden zu finden. Bald hierauf ergab sich ein ähnlicher Zusammenhang des Me- teorstromes der Leoniden mit dem Kometen 1866, I. In der Folge machte E. Weiss — zur Zeit Director der k. k. Universitätssternwarte in Wien — darauf aufmerksam, dass manche der periodischen Sternschnuppenfalle mit der gleich- zeitigen Annäherung der Erde an die Bahnen mehrerer Ko- meten Zusammentreffen. Dies findet auch beim Auguststrom statt, indem in 317*'Länge äusser dem Kometen 1762, III, noch der von 1852, II die Erdbahn durchkreuzt. Derselbe Astronom hat ebenfalls bezüglich einzelner reicher, aber isolirter Stern- schnuppenerscheinungen, die also nicht periodisch wiederkehren, Daten gesammelt, welche deren Zusammenhang mit den die Erdbahn durchschneidenden Kometen erkennen lassen. Sehr richtig bemerkt M. W. Meyer: »Wenn ein Komet ausserhalb unserer Atmosphäre in grösserer Entfernung an der Erde vor- überzieht, so sehen wir ihn in seiner Gesammtheit in dem zurückgeworfenen Sonnenlichte. Wenn er aber mit seinem Kopfe oder Schweife in unsere Atmosphäre eindringt, so sehen wir in dieser grossen Nähe nicht mehr den ganzen Kometen auf einmal, sondern nur die einzelnen kleinen Massen, die ihn bilden, und zwar in glühendem Zustande, wir sehen dann einen Stern- schnuppenschwarm. Demnach würde ein dichter Sternschnuppen- regen dem Kopfe des Kometen entsprechen, die lockere Schaar der Nachzügler seinem Schweife . . .« Die letztere Annahme ist indess zur Zeit nicht mehr stichhältig, da auf Grund der elek- I trischen Repulsionserscheinungen die materielle Natur der Ko- metenschweife ins Schwanken gekommen ist. Äusser den vorstehend gekennzeichneten Bahnüberein- stimmungen des Kometen 1862, III und der Perseiden, beziehungs- weise des Kometen 1866, I und der Leoniden, sind noch folgende bemerkenswert!!: die Sternschnuppen des 13. April mit dem Kometen 1847, I; jene des 25. April mit dem Kometen 1748, II; jene des 28. Juli mit dem Kometen 1737, II. Besonders ist noch zu erwähnen, dass Biela’s Komet, welcher, wie bereits mit- getheilt worden ist, sich in zwei Kometen theilte, von denen, nachdem anfangs beide wiederei schienen, dann nur ein Theil sich zeigte und hierauf auch dieser nicht mehr zur Zeit seiner Wiederkehr aufgefunden wurde, rücksichtlich seiner Bahn mit der Bahn des Sternschnuppenschwarmes vom 30. November übereinstimmt. Wie bereits bei den beiden Hauptschwärmen des August und November erwähnt wurde, scheinen diese — und auch alle anderen Schwärme — von einem bestimmten Punkte des Himmels auszugehen. Ein solcher Punkt wird Radiant genannt, weil die Bahnen der Schnuppen von ihm aus wie die Radien eines Kreises nach allen Seiten ausstrahlen. Die Erscheinung der Ausstrahlung selbst wird als Radiation bezeichnet. Diejenigen Sternschnuppen, welche keinen Radianten erkennen lassen, werden sporadische genannt, die anderen, nach Gruppen zusammen- gestellten, sind die periodischen (oder systematischen). Auf der nördlichen Halbkugel fallen die bemerkenswerthesten perio- dischen Schwärme auf die nachstehenden Zeitpunkte: l. Januar 2.—3.: Radiationspunkt bei v Hercules. 2. April 12.—13.: Radiationspunkt südlich von ß Leier. 3. April 19. —23.: Reicher Schauer mit vielen Radiationscentren; einer der Hauptradianten liegt bei a Leier. 4. Juli 26.—29.: Reicher Schauer mit vielen Radianten, von denen einer im Schwan besonders thätig ist. 5. August 9.—13.: Reicher Schauer mit vielen Radianten, von denen der wichtigste bei 7 Perseus sich befindet. Von Mitte Juli bis Mitte August ist überhaupt ein sehr beträchtliches Anschwellen des Sternschnuppenphänomens bemerkbar. 6. October 19.—25.: Zeigt in manchem Jahre ziemlich reiche Fälle, bei denen die Meteore aus der Gegend von r Orion, ß Stier und ß Zwillinge ausstrahlen. 7. November 13.—14.: Schwarm der Leoniden; Radiationspunkt in der Mitte zwischen 7 und ;x Löwe. 8. November 27.—30.: Radiant in der Andromeda. 9. December 6.—13.: Radiant bei 3 Zwillinge. Wie lässt sich die Radiation erklären? Nur durch die Annahme, dass die Erde in ihrem Laufe einem Schwarme von Sternschnuppen begegnet, wie dies in Figur 424 schematisch veranschaulicht ist Greifen wir beispielsweise vier Schnuppen heraus, so stellt sich der fragliche Sachverhalt nach Figur 425 wie folgt dar: Ein Beobachter im Punkte <> (der Ring stellt die Erde vor) sieht zuerst die Schnuppe a im Punkte 1, im nächsten Augenblicke in 2, dann in 3, 4 u. s. w. Hierbei musste er, wenn er sie während des ganzen Fluges im Auge behalten wollte, immer höher und höher schauen, wie es die von o nach 1, 2, 3, 4 gezogenen Sehlinien versinnlichen. Diese Sternschnuppe schien also von unten senkrecht in die Höhe zu steigen, wie es in Figur 426 der mit a bezeichnete Pfeil veranschaulicht. Beobachten wir nun die Schnuppe d in Figur 425. Wir sehen sie zuerst in der Richtung von o nach 1, dann in den nächsten Augenblicken in den Richtungen 2, 3, 4, wobei wir immer tiefer schauen müssen, so dass sich als scheinbare Bahn eine nach unten laufende Linie, wie Pfeil d (in Figur 426) herausstellt. Die Schnuppe b (in Figur 425) wird zuerst in gerader Richtung von uns sichtbar, worauf wir uns aber, um sie zu verfolgen, immer mehr nach rechts wenden müssen, weil sie rechts von der Erde vorbeifliegt. Ihre Bahn erscheint uns daher als gerade Linie mit der Flugrichtung nach rechts, wie Pfeil b (in Figur 426). Ebenso werden wir finden, dass die wirkliche Bahn der Schnuppe c (in Figur 425), welche links von der Erde vorbeifliegt, als schein- bare Bahn durch den Pfeil c (in Figur 426) sich darstellen lässt. 1 ■ ' Mi f- •;■--j*• ■■virirÄÄ*..*» Fig. 430. Zodiacallicht, beobachtet und gezeichnet von E. Antoniadi (Observatorium zu Juvisy) am 12. Februar 1896, Sh Abends. Wir haben also in Figur 425 die wirklichen, in Figur 426 die ihnen entsprechenden scheinbaren Bahnen der Sternschnuppen und ersehen daraus, dass die Radiation (Fig. 426) nothwendig auf Schnuppen hinweist, welche in gleicher Richtung (denn die Pfeile a, b, c, d in Figur 425 sind zu einander parallel) an der Erde vorüberfliegen. Diese Meteore entstehen also nicht in der irdischen Atmosphäre und nehmen an der Erdbewegung keinen Antheil; sie sind kosmischen Ursprunges. Für die kosmische Natur der sporadischen Sternschnuppen spricht dessen grösste Häufigkeit des Morgens. Betrachten wir die Figur 427. Den Punkt am Himmelsgewölbe, gegen welchen in irgend einem Momente der Erdflug ge- richtet ist, wird als Apex (Flugpunkt) bezeichnet. Der entgegengesetzte Punkt ist der Antiapex. Man erhält diese Punkte, indem man im jeweiligen Orte der Erde eine Tangente an ihre Bahn legt. In Bezug auf Apex und Antiapex regulirt sich nun zuvörderst die Geschwindigkeit der Schnuppen. Nimmt man, wie dies der Fall ist, die kosmische (absolute) Geschwindigkeit der Schnuppen zu 40 Kilometer in der Secunde an, so ist klar, dass bei der Vorwärtsbewegung der Erde in ihrer Bahn, welche etwa 30 Kilometer in der Secunde beträgt, die relative Geschwindigkeit einer Schnuppe im Apex 10 (40 — 30), im Antiapex 70 (404-30) Kilometer in der Secunde betragen wird. Nehmen wir nun an, es käme aus allen Räumen des Himmels eine gleiche Menge von Sternschnuppen, so werden die meisten derselben auf diejenige Horizontfläche gelangen, deren Mittelpunkt dem Strome derselben gerade entgegengeht, dessen Zenith- linie also mit der Apexlinie gleiche Lage hat. Der einfache Augenschein bei Betrachtung der Figur ergiebt, dass dieser Fall zu jeder Zeit in den Morgen- stunden eintritt. Es ist noch die Frage zu erörtern, in welchen Höhen der Atmosphäre die Sternschnuppen erscheinen. Eine directe Schätzung ist nicht möglich, wohl aber lässt sich ein approxi- mativer Werth aufstellen, wenn dieselbe Erscheinung von zwei