200 Die Glieder des Sonnensystems. immer schwächer polarisirt ansehen können. Die gleichmässige Polarisation wird nur in der Nähe der die Sonne umkreisenden Himmelskörper unter- brochen und giebt Anlass zu Niveaustörungen der Atmosphäre, welche bei einem nicht rotirenden Himmelskörper symmetrisch gegen den Radius vector desselben auftreten, und bei einem rotirenden Himmelskörper sich über die durch die Rotation entstandene Figur der Atmosphäre in theoretisch bestimm- barer Weise superponiren. Nachdem die elektrische Vertheilung wesentlich abhängig ist von der Entfernung der Himmelskörper von der Sonne, so wird speciell bei den Ko- meten die elektrische Vertheilung und mit ihr die Figur des Kometen mit der veränderlichen Distanz von der Sonne ebenfalls Veränderungen unterliegen; bei der fortgesetzten Annäherung an die Sonne muss sich eine immer wach- sende Fluthwelle in der Richtung des Radius vectors erzeugen. Die Dichte der Elektricität hängt überall von der Dielektricitätsconstante des Mediums und von der Krümmung der Niveauflächen desselben ab, und sie kann sich bei der wachsenden Annäherung an die Sonne so weit steigern, dass Ausglei- chungen der Elektricität zwischen den polarisirten Theilchen der Kometenhülle und des sie umgebenden, dem Welträume angehörigen Mediums stattfinden. Derartige Ausgleichungen müssen aber weitere Ausgleichungen zwischen den einzelnen Partikelchen des letzteren, und zwar vorwiegend in der Richtung des Radius vectors des Kometen zur Folge haben, und würden Lichterscheinungen erzeugen, welche nicht unähnlich denjenigen sind, die in mit stark verdünnten Gasen gefüllten Geissler’schen Röhren auftreten. Hiernach wären also die Kometenschweife nur optische Begleiterschei- nungen stark galvanisirter Kometen; die Ausdehnung und Intensität der Schweife würde von der Dielektricitätsconstante der den Kometen bildenden Substanz, von der Dichte des den Kometen umgebenden polarisirten Mediums und von der Entfernung von der Sonne abhängen. Hiermit lassen sich auch die Un- regelmässigkeiten in der Schweifentwickelung durch Unregelmässigkeit im elektrischen Felde erklären, welche dadurch entstehen können, dass der Komet Gegenden durchwandert, in welchen sich andere polarisirte, aber dunkle oder nur wenig leuchtende und daher nicht gut sichtbare Körper (kleine Planeten, Sternschnuppen) befinden. Es mag noch erwähnt werden, dass die spectral- analytische Untersuchung die Thatsache unzweideutig feststellte, dass das Schliesslich muss noch des Einflusses gedacht werden, welchen Massenausströmungen einerseits und die elektrische Erregung anderseits auf die Bewegung des Kometen äussern. Massenausströmungen müssen die letztere in zweierlei V eise afficiren: durch Schwerpunktverschiebungen und durch eine Art von Reactionserscheinung. Die erstere fällt weniger ins Ge- wicht, bezüglich des zweiten Punktes findet B es sei, dass für den Halley’schen Kometen eine tägliche Ausströmung von o-ooi seiner Masse die Umlaufszeit um iio Tage verkürzen würde. Ist jedoch der Schweif nur eine optische Begleiterscheinung, so wird die Bewegung des Kometen und der auf seine nächste Umgebung beschränkten Ausströmung (der Nebelhülle) als von störenden Einflüssen dieser Art frei anzusehen sein. Hingegen können Störungen durch elektrische Kräfte auftreten, da der elektrische Zustand (die elektrische Masse) nach stattgefundener partieller Entladung wohl anders sein kann, als vor dem Be- ginne derselben. Aus diesen Ausführungen ergiebt sich, dass der Durchgang der Erde durch den Schweif eines Kometen, von welchem Er- eigniss ältere astronomische Handbücher sprechen, eigentlich ganz gegenstandslos ist. Sind die Kometenschweife nicht substanzieller Natur, sondern nur optische Erscheinungen, so giebt es keinen »Durchgang« im herkömmlichen Sinne. Dagegen möchte eine gelegentliche Begegnung mit einem Kometenkerne die Frage anders gestalten. Ein solcher Kern enthält unzweifelhaft consi- stente Gebilde und mag deren Masse im A ergleiche mit der- jenigen der Erde noch so verschwindend gering sein, so würde unser Planet in Folge der ungeheueren Geschwindigkeit des Fig. 424. Eintritt der Erde in einen Sternschnuppenschwarm. >0 Fig. 425. Wirkliche Bahnen der Sternschnuppen. H Fig. 426. Scheinbare Bahnen der Stern- schnuppen. (Aufgang des Radiationspunktes.) Leuchten der Kometen elektrischen Entladungen zu verdanken ist, indem nämlich in jenen Fällen, wo in dem Spectrum der Kometen Metalllinien nach- gewiesen wurden, das stets vorhandene Kohlenwasserstoffspectrum bedeutend zurücktrat. Für die merkwürdige, bei dem Kometen 1811 I wahrge- nommene Erscheinung des dunklen Zwischenraumes zwischen dem Kometenkopf und der parabolisch gekrümmten, die beiden Schweif aste miteinander verbindenden Lichthülle, liesse sich darnach ebenfalls leicht eine Erklärung geben, welche in einer eigenthüm- lichen Beobachtung Herschel's eine wesentliche Unterstützung finden würde. Dieser fand nämlich, dass die Farbe des Kometen- kopfes in allen Teleskopen grünlich oder bläulichgrün war, während die Farbe der Lichthülle eine sehr bestimmt gelbliche war. Es würde dies darauf hindeuten, dass man es mit einer disruptiven Entladung aus einer negativen Elektrode bei hochgradiger Ver- dünnung des die Entladung vermittelnden Mediums zu thun hat. Der Umstand aber, dass die mächtigen Kometenschweife nicht die starke Krümmung zeigen, welche sie bei den in den kleinen Periheldistanzen stattfindenden ausserordentlichen Ge- schwindigkeiten der Kometen in ihren Bahnen annehmen müssten, wenn sie thatsächliche Ausströmungen wären; dass weiter die Kometen nicht jene Massenverluste zeigen, welche sie nothwendig erleiden müssten, wenn von ihnen beständig die ganz ausserordentlichen Quantitäten von — wenn auch noch so verdünnten — Massen ausströmen würden, deutet darauf hin, dass die Kometenschweife nicht substanziell den Kometen eigenthümlich sind. Ausströmungen können und werden wohl stattfinden, sie werden aber kaum mit merklichen Massenver- lusten verbunden sein, und dürften in vielen Fällen bei einer grösseren Entfernung von der Sonne mit Condensationen und Contractionen endigen. Endlich ist wohl auch der elektrische Ausgleich an Massen gebunden; allein hier kann die Massen- überführung wohl als Massenaustausch ohne nennenswerthe Massenverluste angesehen werden. Kometen gewiss eine mächtige Erschütterung erfahren, deren Folgen unabsehbar wären. Indess ist ein solcher Zusammen- stoss in Folge der Verschiedenheit der Bahnen und der Klein- heit der Kometenkerne sehr unwahrscheinlich. Nach der von Olbers angestelllen Wahrscheinlichkeitsrechnung stösst alle 220 Millionen Jahre ein Komet mit der Erde zusammen und nach etwa je 25.000 Jahren kommt der letzteren ein Kometen- kern so nahe, dass die Entfernung nur 300.000 Meilen beträgt. Aber alle Wahrscheinlichkeitsrechnungen schliessen die Möglichkeit einer Ausnahme nicht aus. Schon Kepler sagt, der Kometen seien mehr (im Weltoceane) als der Fische in den Oceanen der Erde. Wenn man gleichwohl nur etliche Hundert Kometen kennt, so rührt dies daher, dass viele unbeobachtet geblieben sind, entweder weil sie nur in südlichen Erdstrichen sichtbar waren, oder weil zur Zeit ihrer Sonnennähe trübe Witterung herrschte, oder weil sie der Sonne zu nahe, folglich bei Tage am Himmel standen, oder weil sie zu lichtschwach oder zu klein waren. Bei den grossen, über viele Jahrtausende sich erstreckenden Umlaufszeiten vieler Kometen, ist die Wiederkehr hervorragender Erscheinungen dieser Art jeden Augenblick möglich. Die Bahnen der Kometen liegen nicht in der Ebene der Ekliptik oder in ihrer Nähe, sondern in Ebenen, welche gegen dieselbe unter allen möglichen Winkeln von o bis 90 Grad geneigt sind. Ihre Sonnennähen liegen also ringsherum um die Sonne, nicht in einer kreisförmigen Scheibe, sondern in einen kugelförmigen Raum vertheilt, und ihr Lauf erscheint deshalb nicht nur von Westen nach Osten gerichtet, sondern in allen möglichen Richtungen; sie sind theils recht-, theils rückläufig. Die Meteoriten und Sternschnuppen. Zu den regelmässigen Erscheinungen am Sternhimmel zählen jene, bei welchen an irgend einer Stelle des Firmamentes plötzlich ein helles Wölkchen sichtbar wird, aus welchem als-