Die Glieder des Sonnensystems. langwierigen Untersuchungen zu den drei fundamentalen Gesetzen der Planetenbewe- gung, welche nach ihrem Urheber die K epi ersehen Gesetze genannt werden. Sie lauten: 1. Jeder Planet beschreibt um die Sonne eine Bahn von elliptischer Form, und der Mittelpunkt der Sonne nimmt immer einen der Brennpunkte ein. 2. Die vom Radius vector (Leitstrahl) eines umlaufenden Körpers zurückgelegten Flächenräume verhalten sich wie die Zeiten, in denen sie zurückgelegt werden. 3. Die Quadrate der Umlaufszeiten zweier Planeten verhalten sich wie die Cu- bikzahlen ihrer mittleren Sonnenabstände. Die Ursache dieser Gesetze fand erst das Genie Newton’s, der die gegenseitige Anziehung der Körper als solche erkannte. Die Kepler’schen Gesetze sind also nur nothwendige Folgen des Gravitationsge- setzes. Wenn man nun gleichwohl von »Störungen« spricht, welche geeignet sind, Süd. Fig- 375- Flecken auf Mercur (Nach G. S ch i ap a r e 11 i.) der zur Zeit als unangefochten geltenden Nebular- hypothese machte, war der grosse französische Ma- thematiker Laplace, der in seinem Werke »Exposi- tion du Systeme du monde« im Jahre 1796 mit der »Skizze« einer physischen Entwickelung der Welt- körper hervortrat. Er nimmt zunächst eine Zeit an, in welcher die jetzt leeren Planetenräume alle gleich- mässig mit feinem Stoff erfüllt waren, der die Massen der Planeten und Monde in höchster Verdünnung enthielt und mit der um ihre Achse bewegten Sonne von West nach Ost rotirte. Diese fein zer- theilte Masse verhielt sich zur Sonne wie eine rie- sige Atmosphäre. Vielleicht hatte in Folge einer enor- men Temperaturerhöhung — ähnlich der, welche man bei dem Aufflammen der sogenannten neuen Sterne voraussetzt — diese Atmosphäre so ungeheuer weit verflüchtigt. Allmählich, mit zunehmender Erkal- tung ist dann die Atmosphäre wieder zurückgegangen. An ihrem alten Ort aber laufen die Planeten. . . »Wären diese Körper — sagt Laplace — von aussen in die Sonnenatmosphäre eingedrungen, so hätte der Widerstand, den diese ihnen entgegensetzte, sie zum Sturz in die Sonne gebracht. So muss man also zur Conjunctur greifen, dass die Planeten sich an den zurückweichenden Grenzen dieser Atmosphäre ge- bildet haben, als Verdichtungen aus den Ringen, welche die Atmosphäre bei zunehmender Abkühlung und Verdichtungin der Ebene ihres Aequators zurück- die allgemeine Anwendung des Gravitations- gesetzes in Frage zu stellen, so hat man zwischen Hauptwirkung und Nebenwirkun- gen zu entscheiden. Sehr treffend ist eine, diesen Sachverhalt beleuchtende Bemer- kung, welche sagt: »Wirklich gestört wird indess nichts, als die Bequemlichkeit un- serer Berechnungen, welche sich durch die fraglichen Nebenwirkungen aus verhältniss- mässig leichten in sehr schwierige und zeit- raubende verwandeln. Indess sind die Stö- rungen nicht allein gleichfalls einem festen Gesetze, sondern ganz und gar demselben Gesetz, wie die Hauptwirkung unterworfen, und alle Berechnungsregeln derselben sind nichts als Entwickelungen des Newton- sehen Gesetzes und besondere Anwendun- gen desselben auf die einzelnen Fälle, die nach Masse, Richtung und Entfernung sehr verschiedene Aufgaben bilden.« Wenn Kepler die Gesetze der Planetenbewe- gung gefunden, Newton die Causalität derselben ergründet hat, so müssen wir eines dritten bahn- brechenden Genies gedenken, das mit seltenem Scharfsinne die Entwickelung des ganzen complicirten Baues, den das Sonnensystem darstellt, in die Foim einer Hypothese gekleidet hat. Es ist dies der grosse Laplace, der allerdings in Immanuel Kant, dem Königsberger Philosophen, einen Vorläufer gefunden hat. Beide werden daher immer zusammen genannt, wenn es sich um die sogenannte Nebularhypothese handelt, welche von dem Standpunkte ausgeht, dass nicht nur unser Sonnensystem, sondern unzählige andere und hiermit im Zusammenhänge grosse Com- plexe der Fixsternwelt auf Grund der besprochenen Bewegungsgesetze, beziehungsweise der sie bedingen- den Wechselwirkungen zwischen Kraft und Stoff, entstanden seien. »Ich nehme an — sagt Kant — dass alle Ma- terien, daraus die Kugeln, die zu unserer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und Kometen bestehen, im Anfang aller Dinge in ihrem elementarischen Grund. Stoff aufgelöst den ganzen Raum des Weltgebäudes erfüllt haben, darin jetzo diese gebildeten Körper heiumlaufen.« Kant spricht nicht darüber, woher Süd. Fig- 376- Aschfarbenes Licht der Mercurscheibe. jfeWÄSSltl »■ & I V j ■ Fig- 377- Erklärung der Phasen des Mercur. lassen musste.« Die erkaltenden Ringe selbst waren zunächst flüssig, dann fest (d. h. ein Aggiegat von festen Körpern, wie wahrscheinlich die Ringe des Sa- turn), und diese Ringe zerfielen in feste Kugeln, und wenn eine davon stark genug war, die anderen auf- zusaugen, so entwickelte sich daraus ein Planet. In ähnlicher Weise mögen dann die Monde entstanden sein. Andere staubförmige Ueberreste, die vielleicht in grossen Mengen zurückblieben, möchten die Er- scheinungen der Aerolithe und des Zodiacallichtes erklären. So hat denn die Entdeckung Newton’s uns das allgemeine Band gegeben, welches die sämmtlichen Bewegungserscheinungen, die im Sonnensysteme vor sich gehen, mit einander verknüpft und sie auf ein einziges Gesetz, das der Spannkraft, zurückführt. In gleicher Weise giebt uns die 1 heorie von Kant und Laplace Aufschluss über den berührenden Impuls und die physischen Nebenumstände, welche auf die Bildung des gesammten Planetensystems eingewirkt ha- ben. Gestützt auf diesen Sachverhalt, lernen wir den complicirten Mechanismus der pla- netarischen Welt verstehen, ja, noch mehr: die säcularen Störungen, welche zu Zeiten Besorgnisse bezüglich der Stabilität des Ganzen hervorriefen, können unter Umstän- den, wie dies ein sofort zu besprechender Fall beweist, der Ausgangspunkt für eine Erweiterung unserer Kenntnisse nach dieser Richtung werden. Bald nachdem durch den älteren Her- schel der Planet Uranus entdeckt und die Bahn für den neuen Angehörigen des Son- nensystems durch Bouvard berechnet wor- den war, ergab es sich, dass der Planet nicht dort lief, wo er sollte und an Stellen erschien, die ihm die Rechnung nicht ein- geräumt hatte. Da ergab sich einer der Fälle, in welchen der rechnende Astronom in seinen Cirkeln gestört wurde und sofort diese »Uinebel« gekommen; es lag ihm auch der Ge- danke fein, als sei der Urnebel bereits als Ganzes mit einer drehenden Bewegung um seine Achse von W est nach Ost ausgestattet gewesen. Wir übergehen die Art, wie sich Kant den Beginn der Bewegung voistellt, da sie in der That — wie sich ein Gelehrter ausdrückt — etwas »halsbrecherisch« ist. Dazu kommt, dass der Königsbetger Philosoph in späteren Jahren bezüglich seiner Annahmen schwankend wurde und sich zu der An- sicht hinneigte, die Planeten und Monde könnten durch die Wirkung einer »Wurfskraft«, d. h. durch den von der allgemeinen Schwere verursachten Fall des zerstreuten Grundstoffes, nicht durch die Achsendrehung entstanden sein. Die Analogie, welche Saturn mit seinen Rin- gen darbot, um die Nebularhypothese auf Grund der Achsendrehung zu stützen, ward von Kant verworfen. Wer sie aufgriff und — unabhän- gig von Kant — zum Ausgangspunkte geneigt war, nicht seine Arbeit, sondern das — Gravitationsgesetz bedroht zu sehen. Aber ein scharfer Denker — Bessel — war dafür, in den vorgefallenen Störungen der Uranusbewegung die Ursache in dem A orhandensein eines weiteren, jenseits der Uranusbahn kreisenden Planeten zu er- blicken. Aber es fand sich Nie- Fig- 378. Venus-Phasen. mand, dieser Vermuthung Beach- tung zu schenken, und als ein junger englischer Student, Na- mens Adams, daran ging, das Problem durch Rechnung zu lö- sen, verhielt sich die Greenwicher Sternwarte dagegen ablehnend. Fast zur selben Zeit hatte in Paris Arago den jungen