170 Die Sonne. sorbirende Schicht dislocirt und, indem er an die Stelle der metallischen Dämpfe tritt, einen besseren Blick auf das Licht der Photosphäre selbst gestattet. So also sind schliesslich die Flecken eine secundäre Erscheinung; sie unterrichten uns aber trotzdem von den heftigen Bewegungen, welche im Innern der strahlenden Kugel vor sich gehen.« Faye sieht die Sonnenflecken für kreisförmige Wirbel um eine in grosse Tiefe sich erstreckende verticale Achse an. Diese Wirbel folgen den Strömungen der Photosphäre in derselben Weise, wie die Wirbelwinde (Cyclonen) unserer Atmosphäre den oberen Strömungen, in denen sie entspringen. Die Periodicität der Flecken erklärt sich Faye in der Weise, »dass sie von Schwankungen in der Form der inneren Lagen, auf welche die condensirte Materie der Photosphäre in Gestalt eines Regens herabfällt, abhängen müsse«. . . Langley ist überzeugt von der Existenz tief herabsteigen- der verticaler Strömungen, welche die durch Condensation erzeugte innere Wärme an die Oberfläche lassen und wieder die kalte absor- birende Materie aufnehmen. . . Nach Brester wären die Flecken Löcher in der Photosphäre, mit welcher Anschauung wieder auf die älteren Vorstellungen zurückgegriffen wird. Nachdem wir so die hauptsächlichsten Ansichten über die Natur der Sonnenflecke kennen gelernt haben, wollen wir zum Schlüsse zwei hervorragende Erschei- nungen dieser Art aus den letzten Jahren kurz bespre- chen. Von 1891 auf 1892 war eine Fleckengruppe von ungeheuerer Ausdehnung auf der südlichen Halbkugel der Sonne bemerkbar. Sie erreichte gegen Mitte Februar 1892 ihre grösste Entwickelung und ist nach Christies die grösste, die je in Greenwich photogra- phirt worden ist. Am 13. Februar umfassten die dunklen Kerne der Flecke eine Fläche i2’/2nla^ so gross wie die Gesammtoberfläche der Erde. Mit dem umgebenden Halbschatten aber erstreckten sich die Flecke auf das Sonnenfleck am 14. Mai. war. In kaum einer Stunde trat eine wesentliche Formveränderung ein, welche auf stürmische Bewegungen von der erstaunlichen Geschwindigkeit von 250 Kilometer in der Secunde hinwies. Nun zeigte auch der Kern dichte Nebel und dunkle Vorsprünge. Einige dieser Ausbuchtungen hatten die Form von stacheligen Cacteen und traten dieselben vornehmlich im südlichen 1 heile des Fleckes auf, während sich im nördlichen Theile hellglänzende Streifen entwickelten. Oestlich traten Bänder von ungeheuerer Grösse auf, scheinbar schwebend. Bezüglich ihrer Ausdehnung erreichte die Fleckengruppe vom Februar 1894 kaum die Hälfte derjenigen des Phänomens vom Februar 1892- — Wir haben bisher nur von der Photosphäre gesprochen, in welche sich die Flecke vertiefen, während die Fackeln sich über dieselbe erheben. Auf die Photosphäre folgt eine mächtige, wenn auch verhältnissmässig schmale, etwa 8000 Kilometer hohe Schicht, die wesentlich aus glühendem Wasserstoff besteht und ihrer starken rothen Färbung wegen von Lockyer als Chromosphäre bezeichnet wurde. In Folge heftiger Bewegun- gen in dieser Gashülle werden Theile dersel- ben als sogenannte Protuberanzen in den mannigfaltigsten Formen bis zu ungeheueren Höhen, die zuweilen der Entfernung des Mondes von der Erde gleichkommen, empor- geschleudert. Sie entstehen nach Spür er wahr- scheinlich dadurch, dass Stürme das Wasser- stoffmeer auf der Sonne zu mächtigen Wogen und Wirbeln emportreiben. Die eruptiven Pro- tuberanzen sind Wasserstoffmassen, die metal- lische Dämpfe (vorzugsweise Magnesium) ent- halten und mit grosser Vehemenz (bis 250 Kilo- meter in der Secunde) springbrunnenartig oft stunden- und selbst tagelang emporschiessen. Die Protuberanzen fielen zum erstenmale gelegentlich der totalen Sonnenfinsterniss am 8. Juli 1842 auf, und zwar in Form von röth- lichen Hervorragungen. Früher bei Finster- nissen mitunter erwähnt, aber wenig beachtet, < ÄSL * * 82fache der Erdoberfläche. Mau n der hat die Geschichte dieses Fleckes fünf Monate hindurch verfolgen können und ihn auf 49 zu Greenwich, Mauritius und in Indien aufgenommenen Platten vorgefunden. Am 7. Februar, als man auf die Erscheinung aufmerksam wurde, trat sie nahe am Sonnenrande auf und war mit unbewaffnetem Auge sichtbar, wobei der Halbschatten vorherrschte und zwei Hauptkerne mit zahlreichen Poren sichtbar waren. Die Bilder waren rein und vertrugen eine zyofache Vergrösserung, wo- durch sich ein Einblick in die äusserst complicirte Structur dieser Fleckengruppe gewinnen liess. Am 9. Fe- bruar war das allgemeine Aussehen des Fleckes nur in- soweit verändert, als die beiden Hauptkerne an Umfang zugenommen hatten und eine andere Form zeigten. Am 12. Februar zeigte sich ein ungeheueres Büschel strahlender Feuerzungen, von einem weissen Bande zwi- schen den zwei Kernen ausgehend. An dem Nordende dieser Zungen, in einem kleinen kreisartigen Raume, war eine ähnliche, aber weit kleinere Bildung vorbe- sprochener Art wahrnehmbar. Mehrere Kerne waren theilweise mit intensiv leuchtenden Streifen berändert und der grosse östliche Kern war durch eine unvoll- ständige, zweimal gebogene Brücke durchquert. Am 13. Februar hatte die ganze, zwischen den beiden Hauptkernen gelegeneRegion eine durchgreifende Gestalt- veränderung erfahren. Fontsere, der die Sonne an jenem Tage bei löofacher Vergrösserungbeobachtete, entwarf eine vorzügliche Zeichnung von diesem Zustande, welche hier wiedergegeben ist(Fig. 347). Besonders auffällig treten hier die früher erwähnten zungenartigen Flammen hervor, von derenenormen Ausdehnung und wilder Bewegung die zeich- nerische Darstellung einen Begriff giebt. Am 14. Februar hatte das grosse Büschel seine ursprüngliche Form so ziemlich behalten; aber es ging von demselben ein Schleier aus, welcher den westlichen Kern bis in die Mitte bedeckte. Am 15. Februar war das Strahlenbüschel, welches das Aussehen eines Schiffes mit zerfetzten Segeln hatte, mehr nach Westen hin gerückt. Die Wirbelbewegungen traten ausgeprägter hervor. Im Ganzen blieb die grosse Fleckengruppe während fünf Sonnenrotationen bei allerdings vielfachen Veränderungen der Grösse, Gestalt und Lage bestehen, und war noch auf einem Photogramm vom 17. März deutlich vorhanden. Auch im April zeigte sich an ihrer Stelle noch ein einzelner kreisrunder Fleck. Derselbe Fleck am 16. Mai. « > $ erregten sie jetzt bedeutendes Aufsehen und die Meinungen waren darüber getheilt, ob sie der Sonne oder dem Monde angehören, oder nur eine optische Erscheinung seien. In der Folge zeigte es sich unzweifelhaft, dass diese Bildungen der Sonne augehören, doch blieb ihr Wesen räthselhaft, bis bei der Finsterniss am 18. August 1868 Janssen und gleichzeitig Lockyer feststellten, dass ihr Spectrum auch an der unverfinsterten Sonne stets sichtbar ist, wenn man das Spectroskop tangential auf den Rand einstellt. Seitdem sind die Protuberanzen oft beobachtet worden und man kennt jetzt ihre Natur. Die erste ge- naue Beschreibung der Erscheinung gab Young:... »Am 7. September 1871 zwischen i2’/2 und 2 Uhr Nach- mittags ereignete sich auf der Sonne eine Art Explosion, die ebenso sehr durch ihr unerwartetes, plötzliches Auf- treten, als durch ihre Heftigkeit sich auszeichnete. Ge- rade am Mittag hatte ich eine enorme Protuberanz am westlichen Sonnenrande mit dem Telespectroskope näher untersucht; sie hatte sich seit dem vorangegangenen Mittage nur sehr w'enig verändert und bildete eine lange, mässig hohe, ruhig aussehende Wolke von nicht beson- derem Glanze und nur durch ihre grosse Ausdehnung bemerkenswerth. Ihre Hauptmasse bildete eine Wolke von nahezu horizontalen Streifen, deren unterer Theil etwa 3200 geographische Meilen von der Chromo- sphäre entfernt war, aber durch 3 oder 4 lebhaft glän- zende verticale Säulen mit deiselben in Verbindung stand. In der Länge mass sie 3' 45" und in der Höhe bis zu ihrer oberen Grenze nahe 2'; sie hatte also eine Längenausdehnung am Sonnenrande von ungefähr ci.700 geo- graphischen Meilen und eine Höhe von 11.700 geographischen Meilen. Als ich um 12’ Uhr auf einige Minuten abgerufen wurde, war nichts zu sehen, was auf eine bevorstehende Eruption hätte schliessen lassen können; nur der eine auf der südlichen Seite der Wolken befindliche Verbindungsstamm war bedeutend glänzender geworden und eigenthümlich seitwärts gekrümmt; ebenso hatte sich nahe an der Basis eines anderen Stammes am nördlichen Ende eine kleine leuchtende Masse gebildet. # . Derselbe FlecVam 18. Mai. Derselbe Fleck am 19. Mai. Fig. 344. Sonnenfleck, Mai 1894. (Nach den Aufnahmen der Solarsection der »British Astronomical Association«.) "... Ein zweites Ereigniss dieser Art von hohem Interesse fällt in den Februar 1894. Der grosse Sonnenfleck zeigte sich zum ersten Male am 17. Februar am Sonnenrande und zwar gleich zu Beginn in ganz aussergewöhnlichen Dimensionen. Ungünstige Bewölkungsverhältnisse beeinträchtigten anfänglich die Beobachtung, bis endlich am 20. Februar stellenweise Aufheiterung die Möglichkeit gab, den Fleck graphisch festzuhalten, wie es die beigeschlossene Figur 348 zeigt. In dieser Phase hatte der Fleck eine fast runde Form und ein kraterähnliches Aussehen. Der Halbschatten bedeckte grosse Theile des- selben. Den Höhepunkt der Entwickelung erreichte der Fleck am 23. Fe- bruar. Ein Kranz glänzender Zungen und Bänder vereinigte sich in der Nähe des Mittelpunktes, während im südlichen Theile des Fleckes eine sonderbar geformte Bildung auffiel, welche aus parallelen Bändern im Inneren und mit Punkten und Zungen in der Verlängerung der Diagonalen gebildet »Wie gross war mein Erstaunen, als ich nach weniger als einer halben Stunde zurückkam und fand, dass inzwischen die ganze Protuberanz durch einen gewaltigen Ausbruch von unten nach oben buchstäblich in Fetzen ge- rissen war. An der Stelle der ruhigen Wolke war nun die Luft, wenn dieser Ausdruck für die Sonne erlaubt ist, mit herumfliegenden Trümmern, mit einer Menge von einzelnen verticalen, anscheinend feuerflüsigen Fäden oder Zungen angefüllt, jede 10" bis 30" lang und 2" bis 3" breit; sie waren am glänzendsten und standen am dichtesten zusammen, wo vorher die Stämme sich befanden, und alle stiegen sehr schnell in die Höhe. .. Als ich die Erscheinung zuerst sah, hatten einige dieser Fäden schon eine Höhe von nahe 4' (21.700 geo- graphischen Meilen) erreicht; sie stiegen aber vor meinen Augen noch fort- während höher, bis die höchstens nach zehn Minuten auf mehr 31343.400 geographi- sche Meilen von der Oberfläche der Sonne entfernt waren. Bei der Messung dieser