i66 Die Sonne. Ansicht, die fragliche Wärmeersatzquelle sei in der durch Abkühlung bewirkten Contraction der Sonne zu suchen, im langsamen Fallen ihrer Theilchen gegen den Mittelpunkt. Eine Zusammenziehung von etwa einem Meter in einem Jahre genügt, um den ganzen Wärmeverbrauch der Sonne zu decken. Eine solche Verkleinerung des Durchmessers würde aber selbst nach Tausenden von Jahren nicht wahrnehmbar sein. Betrüge nämlich die Schrumpfung des Sonnenduich- messers in einem Tage etwa vier Decimeter, so würde dies an dem schein- baren Durchmesser erst nach etwa 6000 Jahren eine Veiminderung von einer Bogensecunde erzeugen, ein Mass, dass sich mit den heutigen Hilfsmitteln der Astronomie nicht constatiren lässt. Von der Entfernung der Sonne von der Erde hatten die Alten keine klare Vorstellung. Ptolemäus und seine Zeitgenossen — und nach ihm Copernicus und Tycho Brahe — gingen von der Annahme aus, die Entfernung der Sonne von der Erde be- trage 1200 Erdhalbmesser. Kepler verdreifachte diese Entfernung und gab sie mit 3500 Erdhalbmessern an. Er war der Erste, welcher sich zur Entscheidung über die Erage nach dem wahren Abstande der Sonne auf die Beobachtung der Vorübergänge der Planeten Mercur und Venus vor der Sonnenscheibe berief. Indess Wie gross nun ist die Sonne? Dem Auge des Erdbe- wohners stellt sich jene als eine kreisrunde Scheibe dar, die wurden erst viel später die Venusdurchgänge zu dem ge- dachten Zwecke verwerthet. Das Princip der betreffenden Be- ungefähr so gross ist wie der Vollmond. Bezüglich der Grösse des Sonnendurchmessers ergeben sich die nachstehenden Fragen: Erscheint der Durchmesser, wenn das Sonnenlicht durch Gläser verschiedener Farben abg-eblen- det wird, verschieden gross, wie man erwarten könnte, wenn der Rand uns hauptsächlich mono- chromatisches Licht zuwendet oder nicht? Hat die Sonne eine Abplattung an den Polen? Wel- ches ist die wahre Grösse des Durchmessers, wenn die Erde sich in der mittleren Entfernung von der Sonne befindet? . . Ueber diese Fragen hat A. Auwers weitgehende Untersuchungen an- gestellt, deren Ergebniss in Kürze das Folgende ist. Im Meridian- fernrohr, wo der Sonnendurch- messer durch den Antritt des ersten und zweiten Sonnenrandes an die Fäden des Fadenkreuzes bestimmt wird, erhalten alle Be- obachter den Sonnendurchmes- ser zu gross, nämlich zwischen 32' o" und 22' 3". Dabei ergeben sich constante Unterschiede für verschiedene Instrumente, wobei noch zu erwägen ist, dass bezüglich des Sonnenrandes subjective Täuschungen unterlaufen können. Indess steht fest, dass der Sonnendurchmesser mit Be- rücksichtigung der Fehlerquellen immer unverändert bleibt, dass er von der Farbe der Blendgläser unabhängig ist und dass eine Abplattung des Sonnenkörpers nicht wahrnehmbar ist. Auwers hat aus 2800 Heliometermessungen, welche aus Anlass der letzten Venusdurchgänge von 1874 und 1882 angestellt wurden, gefunden, dass der Sonnendurchmesser in der mittleren Ent- fernung der Erde von der Sonne 31' 59, 26" + o’io" beträgt. In Längenmass ausgedrückt, ist der Sonnendurchmesser io8mal so gross als jener unseres Planeten, d. i. circa 1,429.500 Kilometer (190.000 geographische Meilen). Der Halbmesser ist also fast doppelt so gross als die Entfernung des Mondes von der Erde. Daraus ergiebt sich, dass das Volumen der Sonne nahe gleich demjenigen von acht Kugeln ist, von denen eine jede die Entfernung des Mondes von der Erde zum Halb- messer hat. An Rauminhalt ist die Sonne .Tf;-!;» -J; “'W big. 335- Venus vor der Sonnenscheibe. a big- 336. Schema zur Berechnung des Sonnendurchmessers bei einem Venusdurchgange. 1,2 5 9.712 mal so gross als unsere Erde — ein Mass, an welches menschliche Vor- stellungsgabe nicht hinanreicht. Wenn wir zu einem kleinen Erd- globus von ein Decimeter Durchmesser einen entsprechenden Sonnenglobus herstellen wollten, so müssten wir demselben einen Durchmesser etwa 11 Meter geben und beide Körper müssten in einer Entfernung von etwa 1200 Meter von einander aufge- stellt werden. So ungeheuer schwer auch die Sonne ist, kommt ihr gleichwohl im Verhältniss zu ihrem Umfange ein auffällig geringes Gewicht zu. Ihr Rauminhalt verhält sich zu dem der Erde wie 1,259.712:1; ihre Masse hingegen nur wie 325.000:1. Hieraus ergiebt sich, dass die mittlere Dichtigkeit der Sonnen- materie nur etwa ein Viertel von der unserer Erde ausmacht, also ungefähr einer gleich grossen Wasserkugel entspricht. Da- gegen ist die Schwerkraft an ihrer Oberfläche 2 7mal grösser als an der Oberfläche unserer Erde. rechnung beruht auf der Me- thode des Distanzmessens, indem man die Sonne gleichzeitig von zwei möglichst weit von einander gelegenen Standpunkten aus an- visirt und den Winkel (Parall- axe), den beide Visirlinien mit- einander einschliessen, berechnet. Ist der eine Standpunkt der Erd- mittelpunkt, der andere ein Punkt des Aequators, für den die Sonne (abgesehen von der Strahlen- brechung) im Horizonte steht, so nennt man den Winkel die Sonnenparallaxe. Aus ihr findet man die Entfernung der Sonne von der Erde, indem man den aus geodätischen Messungen be- kannten Halbmesser des Aequa- tors durch den Sinus der Sonnen- parallaxe dividirt. Die beistehende Figur 336 soll diesen Sachverhalt erläutern. Ä ist die Sonne, E die Erde, V die Venus, deren Bahn zwischen Sonne und Erde hin- durchgeht. Denkt man sich nun zwei Beobachter dieses Ereignisses, welche möglichst diametral von einander lie- gende Standorte einnehmen, a und b, so bewegt sich für den Beobachter in a die dunkle Venusscheibe auf ihrem Vorübergange von der Sonne auf der Linie g h, für den anderen Beobachter in l> hingegen auf der Linie ef. Das Mass der Entfernung beider Linien von einander (cd) ergiebt eine bekannte Winkelgrösse. Nehmen wir in unserem Beispiele der Einfachheit wegen den idealen Fall an, die Sonnenentfernungen von Venus und Erde hätten sich um diese Zeit genau verhalten wie 3/4: 1, so erhält man für den fraglichen Winkelabstand cd 53’1". Ein Blick auf die Zeichnung belehrt, dass die beiden Scheitelwinkel bei V einander gleich sind, weil die beiden Dreiecke Vcd und Vab einander ähnlich sind. Nun ist d F dreimal grösser als a V, desgleichen c V dreimal grösser als b F, woraus sich folgerichtig ergiebt, dass auch das Mass c d dreimal grösser ist als das a b. Da nun letzteres Mass dem Erddurchmesser entspricht, d. i. 1717 Meilen, so ist der dritte Theil von c d der Winkel, unter welchem die uns bekannte Grösse der Erde, aus der Entfernung der Sonne gesehen, erscheint. Gelegentlich der letzten Venusdurch- gänge (1874 und 1882) wurde ein ausserge- wöhnlich reichhaltiges Material gewonnen, das umso schätzenswerther ist, als diese Ereignisse ungemein selten eintreten. Im gegenwärtigen und vergangenen Jahrhundert fanden deren nur je zwei statt: am 5. Juni 1761 und 3. Juni 1769, dann am 9. December 1874 und am 6. December 1882. Im nächsten Jahr- hundert findet überhaupt kein Venusdurchgang statt; der nächste ereignet sich erst am 7. Juni 2004, ihm folgt — wie stets — acht Jahre spä- ter ein anderer am 5. Juni 2012. Ferner: am 10. December 2117 und am 8. December 2125; am 11, Juni 2217 und am 8. Juni 2225; am 12. December 2360 und am 10. December 2368 u. s. w. Aus dem Beobachtungsmateriale des Venusdurchganges vom 8. De- cember 1874 ergab sich eine Sonnenparallaxe zu 8 873", aus dem vom 6. De- cember 1882 zu 8’883". Die erstere wurde in Tschifu, Auckland, Mauritius und Kerguelen, die letztere in Hartford, Aiken, Bahia Bianca, Punta Arenas und Südgeorgien beobachtet. Im Mittel aus beiden Venusdurchgängen erhielt Auwers die Sonnenparallaxe 8’88o" mit dem wahrscheinlichen Fehler von I 0’0022". Aus den Ränderberührungen der Venus und der Sonne hat man sehr verschiedene Werthe zwischen 875" und 8’93" berechnet. Die hierbei auftretenden optischen Erscheinungen, unter ihnen die sogenannte »Tropfen- bildung«, bewirken, dass die Beobachter oft nicht einen Moment, sondern mehrere aufeinander folgende Phasen der Berührung notirten und beschrieben, woraus sich dann erklärlicher Weise Differenzen ergeben müssen. Professor Harkness in Washington hat vor einigen Jahren ein umfangreiches Werk »Ueber die Sonnenparallaxe und die mit ihr in Beziehung stehenden Constanten mit Einschluss der Gestalt und Dichtigkeit der Erde« erscheinen lassen. Als Ge-