Fig- 334- Ein Theil des Sonnen- (Mond-) Randes bei der totalen Sonnenfinsterniss am 16. April 1893. Vergrösserung nach einer Photographie der Expedition des Lick - Observatoriums in Mina Bronces (Chile). VIERTER ABSCHNITT. Die Sonne. m Laufe der letzten hundert Jahre haben sich die Ansichten der Forscher über wenige Dinge der Welt so fundamental geändert, wie über die Physik der Sonne. Es erklärt sich dies vornehmlich daraus, dass bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts kein Mittel bekannt war, bei Beobachtung der Sonne durch das Fernrohr die ungeheuere Intensität des Sonnenlichtes und die damit verbundene Wärmewirkung abzuschwächen. Fabricius — der eigentliche Entdecker der Sonnenflecke — verfiel auf den Gedanken, die Sonnenstrahlen durch ein kleines Loch in ein dunkles Zimmer fallen zu lassen und das Bild auf einem weissen Papier aufzufangen, wo sich dann der Fleck sehr deut- lich in Form einer länglichen Wolke zeigte. Andere verfielen darauf, die Sonne durch den Nadelstich in einer Karte zu beob- achten. Da bereits Appianus in seinen 1540 gedruckten Buche »Astronomicum Caesareum« erzählt, dass zu seiner Zeit einige Personen verschiedene Combinationen von gefärbten Gläsern, welche an den Rändern zusammengeklebt waren, verwendeten, um die Sonne zu beobachten, muss es Wunder nehmen, dass es so lange gedauert hat, ehe sich ein so naheliegendes Verfahren Bahn brach. Würde beispielsweise Galilei sich der gefärbten Gläser bedient haben, so würde ihm wahrscheinlich das schmerz- hafte Augenleiden und die schliessliche Erblindung erspart worden sein. Ueber das Mass der Helligkeit des Sonnenlichtes haben wir bereits früher einmal berichtet. Nach Bond ist die Leucht- kraft der Sonne 470.000, die des Vollmondes = 1 gesetzt, und übertrifft die der Venus in ihrem höchsten Glanze um das 622- millionenfache und die des Sirius um das sgSomillionenfache. Nach Messungen von Crova und Anderen ist die Leuchtkraft der Sonne gleich der von 8500 Kerzen. Wohl ist die Helligkeit der Sonne an den Rändern geringer als in der Mitte. Durch gefärbte Gläser betrachtet, erscheint die Sonne keineswegs als eine gleichmässig glänzende Scheibe, sondern es wechseln in ihr hellere und dunklere Stellen ab. Ja, bei stärkeren Vergrösse- rungen und ganz besonders auf den in letzter Zeit gewonnenen Photogrammen sieht man die ganze Oberfläche des strahlenden Gestirnes mit einer Unzahl dicht gedrängter Wölkchen bedeckt. Vermöge der wunderbaren Ergebnisse der Spectralanalyse wissen wir heute, dass in der Zusammensetzung der Materie kein Geheimniss mehr waltet, und dass eine bewunderungswürdige Gesetzmässigkeit zwischen Licht und Stoff besteht, auf Grund deren es gelungen ist, in die Natur fast aller kosmischen Licht- quellen, insbesondere aber in diejenige unseres Sonnenkörpers Einblick zu gewinnen. Das Licht ist eine der obersten Lebens- [ bedingungen, aber von dem Wesen des letzteren wissen wir j nichts. Freilich hat man das Unfassbare fassbar zu machen ge- sucht, indem man bestimmte Begriffe feststellte, um damit der Wissenschaft ein Verständigungsmittel zu bieten. Allein, was soll es mit den Erklärungen von der Vibration des Aethers oder mit der Undulationstheorie? Neben dem Lichte ist die Wärme, und zwar ausschliesslich die Sonnenwärme, die zweitwichtigste Lebensbedingung. Welche Temperatur dem Sonnenkörper zukommt, ist selbstverständlich nicht festzustellen. Zöllner berechnete sie für die Oberfläche der Sonne auf 13.2500 C., für das Innere des Sonnenkörpers auf i,ii2.ooo0 C., während Andere zu weit niedrigeren Zahlen (8ooo°), oder viel höheren (bis 4.000.000°) kamen. Genauer hat sich die Wärmemenge, welche die Erde von der Sonne erhält, berechnen lassen. Die Wärmemenge eines Jahres würde aus- reichen, um eine die ganze Erdoberfläche gleichmässig bedeckende Eisschicht von 30'8 Meter Dicke zu schmelzen; die Wärmemenge eines einzigen Jahres -würde genügen, um circa 2*3 Millionen KubikmeterWasser um i° C. zu erwärmen, wozu 9 Billionen Kilo- gramm Kohlen (Kohlenstoff) nöthig wären, wollte man die gleiche Wärme künstlich erzeugen. Nun empfängt aber die Erde nur etwa den 21 öomillionsten Theil der von der Sonne in den Welt- raum ausstrahlenden Wärme. Denkt man sich nämlich um die Sonne eine Hohlkugel, deren Oberfläche durch den Erdmittel- punkt geht, so könnte man auf diese Oberfläche 2160 Millionen Erdkugeln aneinander drängen. Ganz unfassbar sind die Zahlen, welche uns die von der Sonne in Jahrtausenden ausgestrahlte Wärme zu versinnlichen hätten. Ein Anhaltspunkt wird genügen: wäre der Sonnenkörper ein im heftigsten Brande befindlicher Steinkohlenklumpen, so könnte der jetzige Wärmeaufwand der Sonne nur etwa 4000 Jahre lang bestritten werden. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, in welchen Quellen wir den Ersatz für den enormen Wärmeverbrauch zu suchen haben. Wir wissen es 1 nicht, denn alles, was in dieser Richtung vorgebracht wurde, sind nichts weiter als Hypothesen. Die landläufigste ist die, dass ungeheuere Mengen von kos- mischen Körpern (Meteorite, aufgelöste Kometenmassen) in den Sonnenköiper stürzen, wobei enorme Mengen von Wärme frei werden. Hat doch E. Norde n- skjöld eine ähnliche, unsere Erde betreffende Behauptung aufgestellt, die dahin geht, dass um einen ursprünglich verhältnissmässig kleinen Kern sich nach und nach gewaltige Mengen von Meteorstaub gelagert hätten. Man hat ausgerechnet, dass eine Schichte solchen Staubes von nur 2'8 Millimeter Dicke welche sich im Laufe eines Jahrhunderts lings um die Erde ansetzt, ein Quantum von '/4 Billion Kilogramm repräsentirt. Der wichtigste Einw-and gegen die vorstehend angeführte Annahme be- züglich der Quelle des Ersatzes für die von der Sonne ausgehende Wärme be- steht darin, dass der Sonnenköiper in diesem Falle mit der Zeit eine Ver- mehrung erfahren würde, welche nicht ohne merkbare Wirkung auf die Be- wegungserscheinungen der Planeten sein könnte. Helmholtz war daher der 42