Die Fixsternwelt. 149 verfehlt, der hier in Frage kommenden Speculation Raum zu geben. Wenn, abgesehen von der Dichtigkeitsabnahme nach dem Rande hin, die Sterne nach dem Zufalle vertheilt sind, ist hierunter keines- wegs zu verstehen, dass diesfalls alle Componenten gleich weit ab- stehen müssen; es müssen vielmehr kleinere Gruppirungen statt- finden, und im vorliegenden Falle scheinen dieselben keinesfalls das Mass des beim Zufall Zulässigen zu überschreiten. Es lässt sich dies durch ein einfaches Experiment zeigen. Lässt man nämlich eine der Zahl der Sterne des Haufens entsprechende Zahl von Körnern irgend einer pulverisirten Substanz aus einer gewissen Höhe auf eine horizontale Fläche fallen, so vertheilen sich dieselben annähernd nach der Sternhaufen des Tukan, nach John Dichtigkeitsabnahme, wie sie der Stern- haufen zeigt. Gleichzeitig aber weist der so erhaltene Sternhaufen leere Stellen und sich abzweigende Arme auf, welche durchaus dem Anblicke, welchen der Herkuleshaufen bietet, entsprechen. Die Aehnlichkeit wird zuweilen so auffällig, als hätte man die Körnchen nach der Zeichnung angeordnet. Aehnliche Gruppirungen und Figuren, wie sie in unseren Stern- haufen auftreten, kann man übrigens an fast jeder einigermassen stern- reichen Stelle des Himmels finden. Von besonderem Interesse ist das Ver- halten des Nebels im Haufen zu den Sternen. Während das Innere des Haufens vollständig mit Nebel erfüllt ist, zeigt der letztere sich weiter nach dem Rande hin nur als Begleiter von Sternen oder Sterngruppen. Es kommen hier Sterne vor, welche zweifellos mit mäch- tigen Atmosphären — wie die sogenannten Nebelsterne — umgeben sind, ferner sind kleinere Nebelflecke vorhanden, von fast gleichmässiger Helligkeit, ohne merkliche Verdichtung, bis zu deutlichen Nebelknoten von unregel- mässiger Form. Scheiner hält dafür, dass das System Objecte vom einfachen Nebel bis zum völlig ausgebildeten Stern in sich schliesst, und dass dasselbe noch verhältnissmässig sehr dichten Nebel enthält, und dieser Umstand lässt nach zwei Richtungen hin Schlüsse zu, welche Scheiner indess nur mit Vorbehalten zieht, nämlich, dass das System sich noch in einem relativ frühen Entwickelungsstadium befindet, und dass die Sterne desselben thatsächlich näher zusammenstehen als beispielsweise in unserem Sternensysteme, weil sich die Atmosphären gleichsam berühren. Scheiner führte noch Untersuchungen über die Lage des Schwer- punktes des Sternhaufens durch, welche jedoch ihrer rein theoretischen Natur wegen hier weiter nicht besprochen werden sollen. Bezüglich der Form des Haufens hebt Scheiner hervor, dass fast alle dichten Stern- haufen als kreisrunde Scheiben erscheinen und daher die Annahme gerechtfertigt ist, es handle sich hier um Kugelgebilde. Schon Secchi, der dies als selbstverständlich an- nimmt, bemerkt, dass beispielsweise die Dich- tigkeit bei Messier 13 in der Mitte stärker sei als nach der Projection einer Kugel von gleichmässiger Dichtigkeit auf einer Ebene resultiren würde. Seine weiteren Angaben, dass die helleren Sterne sich vornehmlich am Rande des Haufens befänden, und dass die wenigen in der Mitte auf letzteren nur projicirt erscheinen, indem die hellen Sterne gleichsam einen Mantel um den eigentlichen Sternhaufen bildeten, sind hinfällig, da gerade umgekehrt die helleren Sterne vorzugsweise in der Mitte aufireten. Scheiner hat specielle Untersuchungen über die Dichtigkeitsabnahme der Sterne nicht führen wollen, weil die erhaltenen Zahlen- werthe zu unsicher sind. Indess hat sich im Allgemeinen ergeben, dass die Dichtigkeit im Innern eine ausserordentlich viel grössere ist als nach dem Rande hin. Die Sternhaufen zeigen sich dem unbewaffneten Auge als kleine schleierartige Gebilde und viele von ihnen verändern dieses Aussehen auch in Fernrohren von geringer optischer Kraft nicht. Anderseits beobachtet man leuchtende wolkenartige Massen, über die man lange im Zweifel war, ob man es wirk- lich mit Gebilden dieser Art oder mit Sternhaufen in unermess- lichen Fernen zu thun habe. William Herschel, der sich — wie dem Leser von früher bekannt ist — zuerst eingehender mit dieser Erscheinung befasste, theilte von vorneherein diese Ansicht, indem es ihm mit Hilfe seines mächtigen Sehwerk- zeuges vielfach gelang, solche Lichtwolken in Sternanhäufungen aufzulösen. In dem Masse aber, als die Auflösung gelang, er- schienen immer neue Gebilde dieser Art, deren Auflösung nicht ■W' I v Fig. 300. Kometarische Nebel, nach Herschel und Rosse. ... SSW Fig. 301. Planetarische Nebel, nach John Herschel. 1. In den Fischen, 2. im Grossen Bären, 3. in der Andromeda. gelang. Seitdem ist durch fortgesetzte Durchforschung des Himmels die Zahl dieser als Nebelflecke bezeichneten Gebilde auf viele Tausende gestiegen, und was der optischen Untersuchung nicht gelang, erzielte die Spectralanalyse, indem sie die Natur der Nebelflecke enthüllte. Denn während die aus wirklichen Sternen (festen oder flüssigen Körpern) bestehenden Anhäufungen ein zusammenhängendes Band als Spectrum liefern, zeigen die Nebel nur etliche farbige Linien, woraus geschlossen werden kann, dass dieselben wirklich aus Gasmassen bestehen. Wir haben schon in den vorangegangenen Abschnitten uns wiederholt mit den Nebelflecken beschäftigt, so dass wir an dieser Stelle nur etliche Bemerkun- gen über die systematische Einthei- lung dieser Gebilde nachzutragen ha- ben. Die grossen, ausgedehnten Nebel sind in der Regel äusserst lichtschwach, an ihren Grenzen unbe- stimmt und verwaschen, daher man sie nur mit sehr starken Fernrohren sehen kann. W. Herschel hat den Flächenraum aller von ihm beobach- teten Nebel dieser Art berechnet und gefunden, dass jener über 200 Quadrat- grade des Himmelsgewölbes einnimmt, was auf eine ins Ungeheure grenzende Menge der im Welträume zerstreuten kosmischen Nebelgebilde schliessen lässt. Die grossen Nebel zeigen uns eine noch ganz unregelmässige und chaotische, leuchtende Gas- masse, wie beispielsweise der in zwei Kartenblättern des Atlas darge- stellte Orionnebel, der grösste und hellste dieser Art, der schon mit blossem Auge deutlich zu erkennen ist. In grossen Fernrohren zeigt dieser Nebel ein ganz wunderbares flockiges Gewebe von helleren und matteren Streifen und Bändern, dunklen Canälen und ausflatternden Flügeln, welche jeder zeichnerischen Darstellung spotten. Neben diesen grossen unregelmässigen Nebeln machen sich solche bemerkbar, deren Ausdehnung zwar gleichfalls die Ober- fläche der Sonne oder der Vollmondscheibe noch viele Male über- trifft, jedoch eine schärfere Begrenzung und stellenweise auf- fallend hellere Partien, in denen das Licht sich gleichsam zu concentriren scheint, zeigen. Gewöhn- lich sind diese helleren Theile — die »Sterne« oder »Lichtknoten« — fast kreisrund, besonders dann, wenn das Licht sehr stark ist und gegen den Mittelpunkt schnell an Intensität zu- nimmt. Mitunter zeigen sich den Licht- knoten ähnliche kleine Nebel, welche von einander vollständig getrennt sind. In solchen Fällen ist der Schluss ge- stattet, dass wenigstens einzelne sol- cher Gruppen die Lichtknoten ausge- dehnter Nebel seien, deren andere Theile uns wegen ihrer Lichtschwäche zur Zeit noch verborgen sind. Im Sternbilde der Jungfrau befinden sich ganze Herden solcher Sternnebel und die Zone dieser Bildungen erstreckt sich weiterhin durch das Haar der Berenice, den grossen Bären, die Andromeda und den nördlichen Fisch bis zum Kopfe des Centaur. Selbst bei den unordentlich- sten aller Nebel erkennt man bereits die Spuren organisi- render Wirkung. Es bildet sich deutlich ein helles cen- trales Gebiet, von welchem sich viele, meist von der Mitte aus nach rechts etwas eingebogene Ausläufer gruppiren. Die Stadien dieser Bildungen sind vorzugsweise die Spiral- nebel, die Ringnebel und die planetarischen Nebel. Als lypus der Spiralnebel wird gewöhnlich der im Sternbilde der Jagdhunde vorgeführt. Bizarrer noch als dieser ist der Spiral- nebel im Sternbilde des Cepheus. Das Sternbild ist ohnedies an anderen Wundern reich . . . Grüne und blaue Doppelsterne durchziehen miteinander den Raum. Abwechselnd verstärkt und vermindert aus geheimnissvoller Ursache der »Granatstern«, der am intensivsten selbst für das unbewaffnete Auge roth leuchtende Fix- 38