144 Die Fixsternwelt. wodurch verschiedenartig beschaffene Seiten des betreffenden Weltkörpers sich uns zuwenden, oder durch eine periodische Ausströmung absorbirender Massen, hervorgerufen. (Die dritte Ursache der Veränderlichkeit wird auf »Brände«, welche in mehr oder weniger unregelmässigenZwischenpausen stattfinden, zurück- geführt. Die meisten Astronomen neigen sich der Ansicht zu, dass die am nächsten liegenden Ursachen der Veränderlichkeit auf einem Phänomen beruhen dürften, analog dem der Sonnenflecken. Dieser Anschauung gegenüber ist es lehrreich, zu erfahren, welche Aufschlüsse die bis jetzt erlangten Resultate der Spectral- analyse gegeben haben. Wenn der periodische Wechsel der Helligkeit eines Sternes aus einer Aenderung seiner physischen Constitution, oder aus dem Vortreten eines dunklen und undurch- sichtigen Körpers her- rührt; oder wenn es zutrifft, dass der vor- tretende Körper über- haupt — mag er dunkel oder leuchtend sein — von einer ab- sorbirenden Atmo- sphäre umgeben ist, so wird sich das in einer Aenderung des Spec- trums überhaupt, oder mindestens in dem Hinzukommen einiger neuer Absorptions- linien zu demjenigen Spectrum offenbaren, welches zur Zeit der geringsten Helligkeit beobachtet worden ist. Es handelt sich also hier offenbar um das Auftreten von chemi- schen Verbindungen, welche sich in Wol- kenform über die mäh- lig erkaltende Ober- fläche des betreffen- den Raumes lagern. Bei den Verän- derlichen vom Algol- typus (Fig. 288) ist durch die spectrosko- pischen Untersuchun- gen von Vogel und Scheiner die Tra- bantentheorie völlig über alle Zweifel er- hoben worden. Der Leser erinnert sich, dass nach einem frü- her erörtertem Gesetze Fig. 291. Der Neue Stern im Fuhrmann (Nova Aurigae). (Durch den Pfeil angedeutet. — Photographie des Lick-Observatoriums.) im Spectrum eines Sternes, der sich uns nähert, die dunklen Linien nach dem violetten Ende verschoben erscheinen und um- gekehrt bei dem sich entfernenden nach dem rothen. Beides geschieht bei Algol abwechselnd: vor der Verfinsterung gehen die Linien nach Roth — er entfernt sich also von uns — nach der Verfinsterung greifen sie nach Violett aus — er kommt also wieder auf uns zu. Die Geschwindigkeit der Bewegung be- rechnet sich auf 42 Kilometer in der Secunde für Algol, 89 Kilometer für den dunklen Begleiter. Unter Annahme einer Kreisbahn und gleicher Dichtigkeit der beiden durch die Gra- vitation aneinander gefesselten Körper, ergeben sich als annähernde Dimensionen des Systems: Durchmesser des Hauptsternes 1,700.000 Kilometer (unsere Sonne hat blos 1,300,000 Kilometer), Durch- messer des dunklen Begleiters 1,330.000 Kilometer; Entfernung der Mittelpunkte beider von einander 5,180.000 Kilometer... Die beigefügte Figur 288 erklärt das Phänomen des Lichtwechsels auf Grund der vorgeführten Thatsachen in ausreichendem Masse. Nun haben aber die Untersuchungen Chandler’s ergeben, dass die Dauer des Lichtwechsels von Algol nicht gleich bleibt, sondern im Laute der Zeit auffällige Schwankungen gezeigt hat. Besteht das Algolsystem nur aus zwei Sternen, so sind solche Schwankungen in der Umlaufszeit nicht erklärlich. Chandler ist daher geneigt, an die Existenz eines dritten dunklen Körpers zu glauben, um welchen sich jene beiden in einer Kreisbahn bewegen. Kommen sie in dieser Bahn auf die Erde zu, so muss die Periode kürzer erscheinen; entfernen sie sich dagegen von uns, so wird sie länger. Diese Hypothese hat der amerikanische Astronom zur Gewissheit erhoben, indem er eine unregelmässige Eigenbewegung des Algol nachwies. . . Diese Untersuchung er- öffnet einen weiteren Einblick in die Constitution der Fixsterne und deutet darauf hin, dass viele von ihnen, wie unsere Sonne, von dunklen Körpern umgeben sind. Denn ähnliche Schwan- kungen in der Licht- periode zeigen auch die meisten anderen Sterne vom Algolty- pus. Erwägt man fer- ner, dass man ein veränderliches Licht nur bei den Sternen der Algol-Constitution wahrnehmen kann, bei welchen derLichtstrahl in der Bahnebene liegt, und daher für uns Bedeckungen ein- treten, so darf man annehmen, dass solche Systeme viel häufiger vorkommen, als es uns wahrnehmbar ist. Im Jahre 1886 ent- deckte Chandler, dass der Stern Y Cygni, der von 7. Grösse ist, in Intervallen von i Tag 11 Stunden 56’8 Minuten Lichtmini- mum habe. . . Seine Zu- gehörigkeit zum Algoltypus war damit constatirt. Es war aber auffällig, dass die Dauer des Lichtwechsels Unregel- mässigkeiten zeigte, die sich nicht ohneweiters er- klären liessen. Da fand Duner (Upsala), dass eine längere und kürzere Pe- riode regelmässig abwech- seln. Auf die angestellten Untersuchungen gestützt, ergiebt sich, dass Y Cygni aus zwei gleich hellen Ster- nen besteht, die umeinan- der in 54m 44s kreisen und sich in dieser Zeit zweimal täglich verdecken, so dass hierbei abwechselnd der eine und der andere Stern uns zugewandt ist. Nimmt man an, dass die Bahn dieses Systems nicht kreisförmig (wie bei Algol) ist, sondern eine geringe Ellipticität besitzt, so folgt — da die Radienvectoren in gleichen Zeiten gleiche Flächen überstreichen — dass die Umgebung des Periastron (die gegenseitige giösste Nähe beider Sterne) schneller durchlaufen wird als der übrige Theil der Bahn. Nimmt man ferner an, dass die grosse Achse der elliptischen Bahn senkrecht auf dem Visionsradius steht, so ist eine Ellipticität von nur o-i ge- nügend, um die Differenz der fraglichen Minima zu erklären. Äusser den veränderlichen Sternen giebt es solche, welche gelegentlich plötzlich hell aufflackern und wieder schwächer werden, ohne dass diese Erscheinungen an eine erkennbare Periode gebunden wären. Meist verschwinden solche neue Sterne in kürzerer oder längerer Zeit nach ihrem Erscheinen gänzlich. Phänomene dieser Art sind bisher nur einige zwanzig Mal be- obachtet worden. Der älteste unerwartet erschienene Stern, von welchem Nachrichten auf uns gekommen sind, ist derjenige, welcher zur Zeit Hipparch’s im Jahre 125 v. Chr. erglänzte und, wie Plinius berichtet, ihn zur Aufstellung seines Sternkataloges veranlasste, um spätere Beobachter in den Stand zu setzen, sich zu überzeugen, ob auch in der Fixsternwelt Veränderungen vor sich gingen. Ein anderer, nicht weniger berühmter Stern war