136 Beobachtende Astronomie. Ferguson, welche sich hauptsächlich dadurch auszeichnet, dass das ganze Räderwerk zur Hervorbringung der betreffenden An- gaben nur aus zwei Rädern und einem Neunzehnertrieb besteht. Letzterer wird von dem Uhrwerke einmal in acht Stunden um seine Achse geführt und versetzt seinerseits die beiden Räder, von denen eines 57, das andere 59 Zähne hat, in Umdrehung. Mit diesen geringen Mitteln werden auf dem in Fig. 274 dar- gestellten Zifferblatte die scheinbaren täglichen Bewegungen von Mond und Sonne, das Alter und die Phasen des Mondes, sowie die hohen Stellen der Ellipse mit der Aufschrift »Fluth«, die niedrigen mit der Bezeichnung »Ebbe« versehen. Nun stellt sich bekanntlich die Fluth nicht gleichzeitig mit dem Durch- gänge des Mondes durch den Meridian ein, sondern um eine gewisse Zeit später; diese Zeitdifferenz (die sogenannte Hafenzeit) ist an den verschie- denen Orten der Erde ungleich. Deshalb muss die Uhr dem Beobachtungsorte angepasst werden. In Ferguson’s Uhr ist London Bridge angenommen, wo die Fluth 2 7'2 Stunden nach dem Durchgänge des Mondes durch den Meridian anlangt. In Folge dessen ist an dem grösseren Ausschnitte der Mondscheibe A bei cd eine kleine Spitze angebracht, welche 2'^ Stunden von dem Stiele des Mondzeigers M entfernt liegt und so den beiläufigen Zeitpunkt des Fluth- die Zeit seines Eintrittes in den Meridian und die Zeiten des hohen und niedrigen Wasser- standes angezeigt. Die Uhr verzeichnet also, wie man sieht, auch die Ebbe- und Fluth- zeiten, wodurch sie sich von allen ähnlichen Constructionen unterscheidet. Um einen Einblick in die Mechanik eines solchen Werkes zu gewinnen, soll die Construction etwas weit- läufiger erläutert werden, wobei wir der in der »Deut- schen Uhrmacher-Zeitung« enthaltenen Beschreibung folgen. . . Wie bekannt, vollzieht sich die scheinbare tägliche Bewegung der Sonne um die Erde in 24 Stun- den, jene des Mondes in 24 Stunden, 50 Minuten und 28 Secunden. Diese beiden Umlaufszeiten verhalten sich nun sehr nahe zu einander, wie 57 : 59; der Unter- schied zwischen dieser Proportion und dem richtigen Verhältnisse beträgt ungefähr nur 3 Secunden und auf diesem Umstande beiuht die Einfachheit der Ueber- setzung. Das in Figur 274 dargestellte Zifferblatt zeigt einen Ziffernkreis mit den 24 Stunden des Tages. Der Stundenzeiger 8 zeigt die Zeit an und stellt zugleich die Sonne vor, insoferne als er gleichzeitig mit der Sonne am Himmel in24Stunden einen Rundlauf rings um denZiffern- kreis macht. Natürlich kann hier nur von der mittleren (gedachten) Sonne die Rede sein. M ist der Zeiger für den Mond; derselbe beendet seinen Umlauf um das Zifferblatt ■uuuii ^Atii jr ''aV' Fig. 274. Kalenderwerk. austrittes angiebt. Auch der Zeiger 0 zeigt nicht früher auf die zunächst stehende hohe Stelle der Ellipse e, bevor nicht dieser Zeitpunkt erreicht ist. Desgleichen erreichen jeweils 6 Stunden nach Eintritt der Fluth die mit Ebbe bezeichneten Stellen der Ellipse e den Zeiger C. In Figur 276 ist die Uebersetzung der beiden Räder, welche die Zeiger 3/ und >S' drehen, dargestellt. Das Trieb A wird von dem Uhrwerke in Bewegung gesetzt, hat 19 Zähne und macht in 8 Stunden eine Umdrehung. Auf dem Anrichtstift lc sitzt, leicht drehbar, das Rad r‘ mit 59 Zähnen, auf dessen vorderem Rohrende die Mond- scheibe A mit dem Mondzeiger aufgesetzt werden kann. Das Rohr des Rades r‘, auf dem die Sonnenscheibe fest- sitzt, geht über das Rohr vom Rade r; beide Räder stehen mit dem Trieb T in Eingriff. Da nun letzteres in 24 Stunden drei Umdrehungen macht, seine Zähne- zahl 19 in derjenigen des Rades mit 57 dreimal ent- halten ist, so folgt daraus, dass die Sonnenscheibe B in 24 Stunden einen Umlauf vollendet. Das Rad r und mit ihm der Mond M hingegen drehen sich etwas langsamer, und zwar werden die beiden Zeiger M und 8 je nach 29’/2 Tagen wieder in dieselbe Stellung zu einander gelangen, mit dem Unter- schiede, dass der Zeiger £ diese 29 '/2 Umdrehungen wirk- lich ausgeführt hat, während der Zeiger 3/ in derselben Zeit nur 28'/., Umdrehungen gemacht hat. Daher kommt es, dass nach je 24 Stunden der Stiel des Zeigers 37 auf einen neuen Tag des Mondalters hinweist, indem in je 24 S'unden die Mondscheibe genau um einen von den in 24 Stunden, 5o72 Minuten, welche Zeit der scheinbaren mittleren Umlaufs- zeit des Mondes fast genau entspricht. Jeder der beiden Zeiger ist an einer kreisrunden Scheibe befestigt, von welchen man die Scheibe a (des Mondes) in Figur 274 sieht, während die Sonnenscheibe B in Figur 276 abgebildet ist. Die beiden Scheiben drehen sich mit den an denselben befestigten Zeigern (M und 8) um einen durch die Mitte des Zifferblattes reichenden Anrichtstift. In die Sonnenscheibe B (Figur 275) sind 3 concentrische Kreise ein- gravirt, von denen der äusserste die 24 Tagesstunden in umgekehrter Reihen- folge aufweist. Von diesen Stunden gilt die Zahl XII unter dem Sonnenzeiger für Mittag, während die gegenüberliegende Zahl XII Mitternacht bedeutet. Der zweite Kreis ist in gleicher Richtung in 2g{/2 Theile getheilt und dient zur Angabe des Mondalters. Durch diese doppelte Eintheilung wird sofort ersichtlich, um welche Zeit der Mond durch den Meridian geht, in- dem die betreffenden Tage des Mondalters genau bei den correspondirenden Stunden ste- hen. Ist z. B. der Mond 9 Tage alt, so passirt er den Meridian um Uhr Morgens; ist der Mond 21 Tage alt, so passirt er den Meridian um 5 Uhr Nachmittags. . . Der innerste Kreis der Sonnenscheibe ist zur Hälfte geschwärzt und lässt dadurch in einem über demselben befindlichen runden Ausschnitt in der Mond- scheibe fAJ die annähernde Gestalt der Mondphasen er- scheinen. Ueber der Sonnenscheibe ist die in Figur 276 sichtbare Mondscheibe (A)angebracht,welche (Fig. 274) bei a einen kleinen runden Ausschnitt und bei a1 einen grösseren Ausschnitt von unregelmässiger Form hat, durch welchen ein Theil der darunter befindlichen Sonnenscheibe sicht- bar wird. Die beiden Scheiben A und B drehen sich während des Gehens der Uhr nach rechts. Da jedoch die Scheibe A mit dem Mondzeiger zu jeder Umdrehung 50*4 Minuten mehr braucht als die Scheibe B mit dem die Ortszeit angebenden Sonnenzeiger 8, so bleibt natür- lich die Mondscheibe A zu der darüber liegenden Sonnen- scheibe B fortwährend ein wenig zuiück und in den Ausschnitten der Scheibe A erscheinen somit jeden Tag andere Angaben. Je nach einer Periode von 29V2 Tagen (zur Zeit des Neumondes) stehen die beiden Zeiger M und 5 genau übereinander; zur Zeit des Vollmondes stehen sie einander gegenüber und man kann deshalb schon durch einen flüchtigen Blick auf die gegenseitige Stellung der beiden Zeiger ungefähr abschätzen, ob die Zeit des Voll- oder des Neumondes nahe ist. Die ganz genaue Angabe ei folgt durch den Stiel des Zeigers 37, welcher z. B. in Figur 274 auf den 24. Tag des Mondalteis und auf 7 Uhr zeigt; um 8 Uhr geht somit der Mond durch den Ortsmeridian, soferne der Zeiger <8 die lichtige Ortszeit angiebt. In dem Ausschnitte a bemerkt man, dass der Mond zum grössten Theile schwarz ist, so dass nur eine kleine helle Sichel erübrigt, wie dies in der That 5 Tage vor Neumond der Fall ist. In Figur 275 erscheint die Stelle bei a punktirt angegeben, welche der halbe Ausschnitt bei Vollmond einnimmt; daraus ergiebt sich, dass alsdann die ganze Mondscheibe weiss er- scheinen wird. Der mittlere Kreis der Mondscheibe A stellt gewissermassen die Erde vor, und der an den Umfang dieses Kreises reichende Zeiger C be- deutet den Ort, an welchem sich die Uhr befindet. Die dunkel gefärbte Ellipse innerhalb des Kreises stellt die Fluth- und Ebbebewegung dar, und zwar sind Fig. 275. Kalenderwerk. Fig. 276. 2972 Theilen zurückbleibt. Es ist noch eines kleinen Mechanismus zu gedenken, der in Figur 277 dargestellt ist, und welcher dazu dient, die Bewegung von Ebbe und Fluth noch anschaulicher zu machen, indem die über dem Zifferblatte in Figur 274 sichtbare Meeresfläche (mj entsprechend steigt oder sich herabsenkt. Auf der Rückseite des in Figur 277 punktirt angedeuteten Rades r ist eine ellipsen- förmige Scheibe (E) angebracht, welche genau dieselbe Stellung hat, wie die vorne auf der Mondscheibe (A) aufgezeichnete Ellipse (e). Auf dem Umfange der Scheibe E liegt durch seine eigene Schwere der Hebel G II auf, der seinen Drehpunkt in h hat und bei d gelenkartig mit einer Stange verbunden ist, die eine Platte P mit der aufgemalten Meeresfläche erhält. Diese Platte bewegt sich zwischen 4 kleinen Rollen (n), so dass die Bewegung derselben sehr leicht vor sich geht und die Meeresfläche immer genau horizontal steht. Das Heben und Senken des Hebels ist aus der Zeichnung leicht zu erklären. . . Trotz ihrer ingeniösen Construction kann diese Uhr nur beiläufige Daten liefern, da sie nur für einen bestimmten Ort gebraucht weiden kann, und die sogenannte »halbmonatliche Ungleich- heit« von Ebbe und Fluth nicht berücksichtigt. Man versteht darunter bekanntlich die Beein- flussung des Phänomens durch die gegenseitige Stellung der Sonne und des Mondes, in Folge welcher die Fluthzeit bald verzögert, bald beschleunigt wird. Die halbmonatliche Ungleichheit ist — so wie die Hafenzeit — mit der geographischen Lage sehr verän- derlich und man müsste sie für jeden Hafen eigens be- rechnen. . , Dazu kommt noch die sogenannte »halb- tägige Ungleichheit«, welche von der Declination der Sonne und des Mondes abhängig ist und in manchen Küstenstrichen einen so bedeutenden Einfluss ausübt, dass sie bisweilen eine von den beiden täglichen Fluthen ganz verschwinden macht. Endlich ist auch die Zeit, welche von der höchsten Fluth bis zur tiefsten Ebbe verstreicht, durchaus nicht 6 Stunden, wie bei dem be- schriebenen Mechanismus angenommen wurde. Obwohl die Zeitbestimmungen des Kalen- ders etwas Feststehendes sind, leuchtet gleich- wohl ein, dass sie in Anbetracht der Kugelgestalt der Erde, beziehungsweise der Achsendrehung, für gewisse Fälle Modificationen erfahren. Für einen östlich ge- legenen Punkt beginnt ein neuer Tag — also ein neues Monats- datum — früher, als für einen westlich gelegenen Ort. Je grösser die Entfernung (innnerhalb 180 Längengraden) ist, desto grösser wird consequenter Weise der Zeitunterschied, und schliesslich muss der Fall eintreten, dass zwei diametral einander gegenüber liegende Orte ihr Datum nicht mehr in Uebereinstimmung haben. Bekannt ist die Erzählung von dem Pater Alfonsus Sanctius, der von Manilla nach Macao segelte und am 2. Mai — dem Feste des hl. Athanasius — angekommen zu sein glaubte, während die dortigen portugiesischen Geistlichen das Fest der Kreuz- findung (3. Mai) feierten. ■' B ■mnwiR* M .7 Fig. 277. Kalenderwerk. \d