Der Kalender. 135 Josias Lab recht das Werk in An- griff nahmen und am 24. Juni 1574 fertigstellten. Im Jahre 1750 (nach Anderen 1789) blieb die Uhr stehen und Nie- mand kümmerte sich um sie bis zum Jahre 1839, zu welchem Zeitpunkte der berühmte Uhrmacher M. Schwil- gue die Reparatur in Angriff nahm und 1842 vollendete, wobei jedoch das ursprüngliche Werk eine völlige Umarbeitung erfuhr, so dass die Uhr in ihrer jetzigen constructiven An- ordnung eigentlich eine Leistung mo- derner Mechanik ist. Dagegen ist bezüglich des architektonischen Auf- baues und der äusseren Anordnung das Ursprüngliche beibehalten worden. Da diese Anordnung im Bilde sehr klar zur Ansicht gebracht ist, wollen wir nur einige Worte über das Werk selbst vorbringen. Die einzelnen Theile sind in sieben Etagen angeordnet. Zu unterst (hinter dem Gitter) befindet sich ein grosser Himmelsglobus, auf Fig. 272. Kalenderuhr an der Hauptfagade der Kathedrale zu Bourges. welchem der Gang der Sonne und des Mondes, der Planeten und die Jahreszeiten veranschaulicht sind. Hinter dem Globus sieht man ein drei Meter im Diameter messendes Zifferblatt, welches aus drei Theilen besteht: der mittlere Theil der Scheibe stellt die Karte von Strassburg und Umgebung aus dem Jahre 1575 dar; der zweite, bewegliche Kreis ist in 24 Stunden ge- theilt und besitzt mehrere Stifte, welche die Zeitdifferenzen, die Sichtbarkeit der Planeten u. s. w. andeuten. Der dritte Theil des Zifferblattes endlich den Schlossplatz — gerichteten Ziffer- blattes übertragen. Zu beiden Seiten des (inneren) Zifferblattes sitzen zwei Genien, deren eine durch Glocken- schlag jede Viertelstunde angiebt, während die andere gleichzeitig eine Sanduhr wendet. In der vierten Etage sieht man ein grosses, 2x/2 Meter im Diameter messendes Zifferblatt, wel- ches die zwölf Monate, die Zeichen des Thierkreises und den Gang der Planeten anzeigt. Darüber — in der fünften Etage — ist in halbbogen- förmig überwölbter Nische eine Karte des Sternhimmels angebracht, mit einem kreisrunden Ausschnitt in der Mitte, in welcher die einzelnen Mond- phasen in die Erscheinung treten. Die sechste und siebente Etage enthält Figurenautomaten. In der sechsten steht die Figur des Todes zwischen zwei ungleich ge- stimmten Glocken. In den einzelnen Viertelstunden erscheinen nacheinander vier Figuren, die Kindheit, die Jugend, das Mannesalter und das Greisenalter darstellend; jede derselben vollführt die entsprechende Zahl von Schlägen (1, 2, 3, 4) auf die eine, höher gestimmte Glocke. Sowie diebigur des Greisen- alters ihre vier Schläge absolvirt hat, giebt der lod die Stunden- schläge auf der tiefer gestimmten Glocke. In der siebenten Etage endlich vollzieht sich alle zwölf Stunden — zu Mittag und um Mitternacht — eine Procession der zwölf Apostel vor dem Herrn, wobei sich alle verbeugen bis auf Judas. Petrus erhebt die Hand wie zum Schwur, dass er ist ein Kalendarium mit Angabe der beweglichen Feste. Eine Apollostatue mit einer Schale in der Hand, zeigt auf der einen Seite des Zifferblattes den jeweiligen Tag an, eine Dianastatue auf der ent- gegengesetzten Seite mar- kirt den Tag, welcher das bürgerliche Halbjahr be- zeichnet. In den vier Ecken befinden sich gemalte Per- sonificationen der vier Menschenalter. Links vom Zifferblatt befindet sich ein verwickeltes System von Ringen aus Kupfer, sieben Kreise darstellend, welche die goldene Zahl, die Epakte, den Sonnenzirkel, den Sonntagsbuchstaben u. s. w. anzeigen, während rechter Hand eine sinn- reiche Vorrichtung zu se- hen ist, mittelst welcher der Lauf der Sonne und des Mondes veranschaulicht werden. In der zweiten Etage, also über den zuerst be- schriebenen Zifferblättern, ist eine Nische mit den allegorischen Figuren der Wochentage. Darüber, in der dritten Etage, ist ein grosses Zifferblatt her- kömmlicher Art in Blau und Gold angebracht, mit der Eintheilung in 24 Stun- den und Untertheilung in Minuten. Die Bewegungen dieses Werkes werden auf die Zeiger eines zweiten, nach aussen — d. i. auf Fig. 273. Astronomische Uhr im Strassburger Münster. Christum nicht verleugne, worauf ein an der Spitze des links sichtbaren Thürm- chens angebrachter Hahn dreimal kräht. Der Einzug der Apostel erfolgt auf der einen Seite durch ein sich öffnendes Pförtchen, der Abzug durch ein diametral entgegengesetztes Pfört- chen. Das Innere des Etagenthurmes schliesst ein Musikwerk ein, welches in gewissen Momenten auf automatischem Wege kirch- liche Lieder anstimmt. In neuester Zeit ist eine ähn- liche, »die Weltuhr« ge- nannte Construction, be- kannt geworden, die von einem Schwarzwälder Uhr- macher herrührt und von ihm auf Wanderschaustel- lungen in einer grossen Zahl von Städten vorgeführt worden ist. Der Construc- teur hat sich alle Fort- schritte der Mechanik zu Nutze gemacht und ein Kunstwerk ersten Ranges geschaffen. Kalenderwerke einfa- cherer Construction finden übrigens vielfach Anwen- dung sowohl bei Pendel- als bei Taschenuhren. Letztere findet man zur Zeit bei je- dem besseren Uhrmacher. Auf deren Construction hier einzugehen, ist unthunlich, doch wollen wir wenig- stens ein Beispiel vorführen. Es ist dies eine Standuhr des englichen Mechanikers und Astronomen James