116 Beobachtende Astronomie. Laufe der Zeit einen immer höheren Grad von Vollkom- menheit erreicht, der heute kaum zu überbieten sein möchte. Auch die elektri- schen Uhren, auf deren Einrichtung wir hier nicht eingehen können, haben auf Sternwarten Eingang ge- funden, und sind in erster Linie die Uhren des Genfer Mechanikers Hipp zu nennen. Von Wichtigkeit sind die elektrischen Con- tact-Apparate, welche im Allgemeinen einem drei- fachen Zwecke dienen: ent- weder übertragen sie die Zeit einer Normaluhr auf mehrere andere Uhren; oder sie reguliren mehrere Uhren durch den Schluss eines elektrischen Stromes; oder endlich messen sie die Optischer Refractor. Heliometer. Dunkelkammer. Photogr. Refractor. E.MEISSNE^SC. ... 1 •ML S1 '* 1 Fig. 249. Die Station der deutschen Venus-Expedition auf Kerguelen im Jahre 1874—1875. Nach der Natur gezeichnet von L. Weinek. Zeit durch ein Längenmass. Die letztere Anwendung ist für den Astronomen entschieden die wichtigste. Es besteht eine ganze Reihe mehr oder minder sinnreicher Constructionen dieser Art von Lamont, Dani- schefski, Krille, Kessel, Mitchel, Locke, Wolf, Hansen, Hirsch u. A. Der elektrische Contact-Apparat ist der wichtigste Bestand- theil der sogenannten Chronographen, Registrir-Apparaten, welche im Grossen und Ganzen auf dem Principe des Morse- schen Schreibtelegraphen basiren, und demgemäss aus Schreib- hebeln und Schreibstiften bestehen. Zum Betriebe des Chrono- graphen werden entweder Gewichte, Federn oder elektrische Motoren verwendet. Die Hipp’schen Chronographen haben keinen Schreibstift, sondern tragen die Zeichen mit Farbe auf Papierstreifen auf. Die Zeichen bestehen in ununterbrochenen Strichen, welche nach Ablauf einer jeden Secunde ein wenig rücken. Dadurch werden die Signalpunkte für die Secundenab- lesungen gegeben. Diesem Chronographen ist der Fuess’sche wie die Erfahrung lehrt, beiweitem überlegen. Sein Hauptvorzug besteht darin, dass die Registrirung nicht mit einer farbigen Müssigkeit (welche leicht schmiert), sondern durch Einschlagen kleiner Löcher in einen Papierstreifen geschieht. Dieser letztere bewegt sich ungefähr mit 60 Centimeter Geschwindigkeit in der Minute, so dass ein Intervall von einem Centimeter einer Se- cunde entspricht. So vorzüglich dieser Apparat arbeitet, kommt ihm dennoch der Uebelstand zu, dass bei langen Beobachtungen, während welchen das Registrirwerk im Gange ist, ein enorm langer Papierstreifen sich ab wickelt. Zwar lässt sich diesem Uebelstande abhelfen, wenn dem Apparate ein Streifen-Aufwickler beigegeben ist, welcher auf einer Spule den abgewickelten Papierstreifen aufnimmt. In anderer Weise hilft man sich damit, dass man für die Registrir-Vorrichtung des Chronographen eine Walze wählt, auf welche ein Papierbogen gespannt wird. Durch auto- matisches Seitwärtsrücken der Walze (ähnlich wie bei den Musikwerken) während ihrer Umdrehungen, werden die Zeichen in parallelen Kreislinien angeordnet, wobei die Länge der einzelnen Theilstriche Secunden entspricht. Der von G. N. Sägemüller (Washington) construirte Chronograph (Fig. 233) hat eine sehr praktische Vorrichtung zur Anordnung der Zeitmarken und dürfte kaum von einem ähnlichen übertroffen werden. Die Registrirwalze des abgebildeten Apparates ist 33 Centimeter lang und hat einen Durchmesser von 16'/2 Centimeter. Das als Drehungsmechanismus dienende Uhrwerk ist so ein- gestellt, dass jede Stundenmarke in der Länge von genau 10 Millimetern durch die mit einem zarten Farbenreservoir versehenen Feder auf dem Papier- mantel aufgetragen wird. Der im vorderen Theile der Abbildung rechts oben sicht- bare Regulator beeinflusst die Rotationen derart, dass die Marken stets regel- mässig in einer Geraden auftreten und durch gewisse Zwischenräume von einander getrennt gehalten werden. Eine, in regelmässigen Abständen mit kleinen Kerbungen versehene Gleitschiene (im Bilde vorne) vermittelt die automatische Verschiebung des Schichtenhebels mit der Feder in der Längsrichtung gegen das freie Ende der Walze, wodurch die Stundenmarken in parallelen Kreisen in ununterbrochener Folge zu je 60 am Papiermantel festgehalten werden. Der Me- chanismus arbeitet vollkommen geräuschlos und kann das Uhrwerk aufgezogen werden, ohne dass der Gang des Mechanismus dadurch gestört würde. Ueber- dies ist eine Anordnung getroffen, vermöge welcher die Umdrehungsgeschwin- digkeit der Walze verdoppelt werden kann, was insbesondere bei Längenmessungen zu Statten kommt. Für die subtilsten astronomischen Zeitbestim- mungen, z. B. zur genauen Bestimmung des Meridian- durchganges eines Gestir- nes, dienen die Photo- chronographen. Die mit grossen optischen Instru- menten versehenen amerika- nischen Sternwarten be- dienen sich dieser Apparate ganz allgemein. Der in Fig. 234 abgebildete Photo- chronograph besteht im Wesentlichen aus zwei Theilen, dem Plattenhälter sammt Verschluss und dem Elektromagnet. Ersterer wird im chemischem Focus dicht am Fadenkreuze des Filarmikrometers einge- stellt. Um die Einstellung zu erleichtern, ist der Ocu- larschieber in einem Schlit- ten eingelassen, wodurch das Ocular weggelassen werden kann. Ein Bronzerahmen schliesst ringförmig fest anruhend am Rohr hart hinter dem Mikrometergehäuse. Auf diesen Rahmen ist der Elektromagnet montirt, der nur aus einem Kerne mit der Spule besteht, um das Gewicht zu verringern. Das Polende des Eisenkernes ruht ferner bis zum Rande in einem ringförmigen Kissen aus Kork, wodurch die Anschläge des Ankers gemildert werden. Weiters ist ein dünnes Stahlblech in Form eines Streifens als Deck- blättchen im rechten Winkel zu seiner Bewegungslinie am Anker befestigt und dringt durch eine Höhlung in das Kästchen über dem Pole ein. In der Ruhelage sind Pol, Anker und Deckblättchen in der Weise an dem Bronzeringe gelagert, dass der untere Theil des Verschlusses parallel zu dem wagrechten Durchmesser des Fadennetzes liegt. Sobald der elektrische Strom geschlossen wird, fällt der Verschluss mit dem Anker und wird anderseits wieder gehoben, wenn der Strom durch das mitwirkende Uhrwerk unterbrochen wird. Demgemäss zeigt das Negativ eine Marke, die einer Stromunterbrechung entspricht. Der Uhr- contact ist derart eingerichtet, dass gewisse Secunden keine Unterbrechung des elektrischen Stromes herbeiführen, wodurch eine Kennzeichnung der Marken untereinander eintritt. Beim Gebrauche des Apparates wird zunächst das Fadennetz photo- graphirt, was durch kurzen Stromschluss geschieht, wobei eine Lichtquelle einen Augenblick vor das Objectiv gebracht wird. Durch den Stromschluss ge- langt der Verschluss genau in den Meridian und wird hier niedergehalten. Die Fäden des Mikrometers berühren das Sternbildchen selbst nicht, sondern sie sind über und unter der Scheibe zu sehen, wodurch eine genaue Messung der Abstände zwischen den Fäden und den Zeitmarken ermöglicht wird. Die Photochronographen dieses Systems aibeiten äusserst exact und es ist einer ihrer Hauptvortheile gegenüber den herkömmlichen Chronographen, dass sie jeden subjectiven Beobachtungsfehler ausschliessen. Selbstverständlich lassen sich mittelst dieser Apparate auch exacte Längenmessungen durchführen, wenn die zwei hierbei in Betracht kommenden Stationen ganz gleich aus- gerüstet sind. Eine letzte Gruppe von astronomischen Hilfsapparaten bilden die Spectroskope verschiedenen Systems und zu verschiedenen Zwecken. Da es nicht zweckmässig erscheint, diese Apparate von dem Abschnitte über die Spectralanalyse der Gestirne zu trennen, werden sie dort ausführlich besprochen werden. B. Die Sternwarten. In der Betrachtung der wundersamen Vorgänge am Sternen- himmel mit freiem Auge, wie es die Weisen des grauen Alterthums thaten, liegen die Keime der beobachtenden Astro- nomie. Es fehlten die optischen Hilfsmittel; lediglich dem unbe- waffneten Auge blieb es vorbehalten, jene Erscheinungen fest- zustellen, denen eine gewisse Gesetzmässigkeit zu Grunde lag und deren Erkenntniss die Basis für das astronomische Wissen in jener fernabliegenden Zeit bildete. Der Gang der Gestirne, die Phasen des Mondes, die regelmässige Wiederkehr der Finsternisse inner- halb bestimmter Perioden, der Lichtstreif eines Kometen, die Feuerlinien der Sternschnuppen: das Alles regte das Denken und wohl auch die Einbildungskraft der ersten Himmelsforscher an. Da Manches sich wunderbar anliess, knüpfte an die That- sächlichkeit der Dinge die Mythe an. Der Naturreligion war das Himmelszelt der Hintergrund für das Phantasiespiel der Theo- gonien und Kosmogonien. Aber der grübelnde Geist begnügte sich nicht mit Theorien und so musste die Bethätigung astro- nomischen Forschens schon in grauer Vorzeit mächtig auf die Ausgestaltung einer Weltanschauung hinwirken, durch welche der erste Schein der Erkenntniss, der Wissenschaft hervor-