IOO Beobachtende Astronomie. begreiflich, dass Herschel nach kaum zehn Jahren 430 Spiegel fertiggestellt hatte, von welchen 80 eine Brennweite von 20 Fuss, 150 eine solche von 10 Fuss und 200 eine Brennweite von 7 Fuss hatten. Diese erstaunliche Leistung wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht das wachsende Interesse an solchen Instrumenten deren Construction gefördert hätte. Dazu kamen die Erfolge, welche Herschel als beobachtender Astronom errungen hatte. Am 13. März 1781 entdeckte er den Uranus — oder erkannte er vielmehr an der scheibenförmigen Gestalt dieses Himmels- körpers in einem seiner grossen Reflectoren — dessen Zuge- hörigkeit zu den Planeten. Den Lohn für diese Entdeckung fand Herschel in seiner Ernennung zum königlichen Astronomen. Der englische Hof bezeigte ihm überhaupt das weitgehendste Wohlwollen und diesem Umstande ist es vorwiegend zu danken, dass es zur Erbauung jenes gewaltigen, durch lange Zeit als Weltwunder angestaunten Rieseninstrumentes kam, welches Herschel in den Stand setzte, seine ruhmvolle Thätigkeit als beobachtender Astronom zu entfalten. selbe auf zwei Rädern auf Schienen mit Hilfe einer Zahnstange und eines Ge- triebes entsprechend bewegt wurde. Vielfache seitliche Stützen und Zwischen- balken verliehen diesem Leiterngerüst, das den Raum eines dreistöckigen Hauses einnahm, die nöthige Festigkeit. Fertiggestellt wurde dieses Rieseninstrument nach fast vierjähriger Bauzeit mit zweimaliger Beisteuer des Königs von Eng- land von je 2000 Pfund Sterling im Jahre 1789. An störenden Zwischenfällen hatte es nicht gefehlt. Der erste Spiegel war durch Fahrlässigkeit beim Giessen in der Mitte zu dünn gerathen und verzog sich, ein zweiter sprang beim Ab- kühlen nach dem Gusse in Folge Sprödigkeit des Metalles. Erst ein dritter gelang und wurde am 27. August des genannten Jahres in das Rohr eingesetzt. Kaum vollendet, überraschte das mächtige Sehwerkzeug die Welt mit den Entdeckungen, die sein Schöpfer damit machte. Zunächst wurde der sechste Saturntrabant und nur drei Wochen später der siebente aufgefunden. Das Hauptgewicht aber legte Herschel auf die planmässige Durchforschung der Nebelflecke. Eine neue Zeit der Wunder nahm in der Himmelskunde ihren Anfang. Schon 1784 hatte Herschel mit der Durchführung der Aufgabe, die er sich selbst gestellt, begonnen. Der ganze Himmel schien dem Forscher mit gasförmigen Gebilden bedeckt. »Eines von diesen Nebellagern — erzählt er — ist so reichhaltig, |ig ■ 111 1 V i R-.«! Fig. 225. Heliostat des Smithsonian-Institutes in Washington. I. Fig. 226. Heliostat des Smithsonian-Instilutes in Washington. II Constructeur: Sir Howard Grubb, Dublin. Dieses Instrument, ohnedem bekannt aus zahlreichen Darstellungen, welche seit Jahrzehnten aus einem populären Handbuche der Himmelskunde in das andere übergegangen sind, ist Seite 89 abgebildet. Der aus Eisenblech hergestellte Tubus hatte eine Länge von 39 Fuss und einen Durchmesser von 4 Fuss 10 Zoll und war aus einzelnen, durch Falze verbundene, inwendig durch Ringe und Stangen versteifte Platten zusammengesetzt. Im unteren Theile ruhte der grosse, 4 Fuss im Diameter messende, 31/, Zoll dicke Hohlspiegel, der ein Gewicht von 20 Centnern hatte. Eigentümlich an diesem und allen grossen Herschel’schen Teleskopen war die Anordnung des Spiegels bezüglich seiner Lage zur Achse des Fernrohres, wodurch sich diese Construction wesentlich von den bisher beschriebenen unterschied. Der Spiegel erhielt nämlich eine solche Neigung, dass die optische Achse mit derjenigen des Rohres einen sehr spitzen Winkel einschloss. Dadurch wurde das reflectirte Bild nicht in der Mitte der Rohröffnung, sondern fast am Rande derselben sichtbar und konnte ersteres somit ohne Zuhilfenahme von optischen Hilfseinrichtungen mit freiem Auge betrachtet werden. Das Schema auf Seite 88 erläutert den geschilderten Sach- verhalt. In Anbetracht der Grösse der Rohröffnung störte es nicht, dass der Kopf des Beobachters vor dieselbe zu stehen kam. Herschel nannte diese Art Instrumente »Front-view«-1 eleskope. Zur Aufstellung des mächtigen Rohres diente ein aus Leitern, Balken und Stangen zusammengefügtes riesiges Gerüste, das auf einer Plattform, die sich auf Walzen im Kreise drehen liess, ruhte. Die Plattform trug überdies das Häuschen für das Spiegelende des Rohres, an welches eine kleine Hütte für den astronomischen Gehilfen anschloss. Die Anordnung der Gerüstconstruction war eine solche, dass das obere Rohrende mittelst Flaschenzügen in Declination bewegt werden konnte. Eine Treppe führte zunächst auf eine Art Balkon und von hier mittelst Leiter auf die eigentliche Beobachtungsgallerie, welche sich höher und tiefer stellen liess. Bei der Bewegung des Rohres in Declination musste, um die Schwerpunktlage nicht zu verändern, auch das untere Rohrende nach vorne oder rückwärts geschoben werden. Dies geschah dadurch, dass das- | dass, da ich nur einen Abschnitt desselben in der kurzen Zeit von 36 Minuten durchging, ich nicht weniger als 31 Nebelflecke entdeckte, auf einem schönen blauen Himmel, alle deutlich sichtbar. Ihre Lage und Gestalt sowohl als Beschaffenheit scheint alle nur erdenklichen Mannigfaltigkeiten anzuzeigen. In einer anderen Schicht, oder vielmehr in einem anderen Arme der ersteren, sah ich doppelte und dreifache Nebelflecken in mannig- faltiger Anordnung, grosse mit kleinen, die Begleiter zu sein schienen; schmale, abersehrausgedehnte lichte Nebelflecken, oder glänzende Tüpfel, einige von der Gestalt eines hächers, der aus einem lichten Punkte, gleich einem elektrischen Bündel, herauskommt; andere von kometenartigem Aussehen, mit einem Stern im Mittelpunkte, oder gleich wolkigen Sternmassen, um- ringt von nebligem Dunste.« Schon in der ersten Zeit seiner Beobachtungen konnte Herschel verkünden, dass er zu den 103 Nebeln Messiers 466 neue Flecken und Sternhaufen hinzugefunden habe. Am Ende seiner ruhmreichen Campagne, die alle Raumgrössen überwunden zu haben schien, war die Ziffer der echten Nebel- flecke auf 2303 aufgestiegen, die Zahl der in Sternhaufen auf- gelösten Gebilde (197) nicht eingerechnet. Als Wilhelm Her- schel sein erfolgreiches Leben im Jahre 1822 beschlossen hatte, setzte sein Sohn John Herschel mit seinen grossen, nach den Principien des Vaters construirten Instrumenten die Arbeit am