Orientirung am Sternhimmel. 97 Anordnung kommt mehr und mehr äusser Gebrauch, während I die zweite nur vereinzelt eingeführt ist; die dritte Art der An- ordnung ist die häufigste. An der grossen Kuppel der Wiener | Sternwarte hat Grubb die Aufgabe in der Weise gelöst, dass er in der Kuppel vom Zenithpunkte bis zur Basis ein Segment von ungefähr 45" frei liess und diese Oeffnung mit einem Seg- mente von etwas grösserem Radius, welches einerseits im Zenith- punkte festgemacht, aber drehbar ist, andererseits mittelst Rollen auf einer Schiene des beweglichen Kranzes ruht, verdeckte. Wird die Kuppel gedreht, so bewegt sich die Segmentklappc mit und wird erst in dem Momente bei Seite gedreht, wenn der Ausschnitt freigelegt werden soll. Der Uebelstand bei dieser Anordnung ist der, dass der Spalt gegen den Zenith sich immer mehr verengert, und dadurch Zenithalbeobachtungen er- heblich behindert. An der Kuppel des Lick-Observatoriums und der meisten anderen modernen Sternwarten ist der Ausschnitt höheren Standort einnehmen. Dazu dienen jene Vorrichtungen, welche man »Beobachtungsstühle«, »Beobachtungstreppen« u.s. w. nennt. Letztere können sehr einfach construirt sein, etwa einer Bibliotheksleiter ähnlich, wobei Rollen am Fussgestelle die Be- wegung erleichtern. Die einzelnen Stufen der Treppe dienen dann als Standorte oder Sitzplätze, wobei für die Körper- stellungen (vornehmlich bei Beobachtungen in der Nähe des Zeniths) entsprechende Bequemlichkeiten in Form von Rücken- lehnen oder Kopfstützen geschaffen werden. Nun kann aber eine solche Treppe eine gewisse Höhe nicht überschreiten, weil sie sonst schwerfällig, für den Beobachter in hohem Grade unbequem wird. Zu Beginn der Aera der grossen Refractoren glaubte man, mit hohen fahrbaren Gerüsten, die in kreisförmigen Schienen um die Refractorsäule liefen, sich be- helfen zu können. Diesem Principe entwuchsen sehr complicirte Maschinen mit Kurbeln und Handhaben, welche es dem Beob- 52 54 43 49 Fig. 220. Repsold’s Heliometer (Objectivkopf). aus diesem Grunde gleich breit gehalten. Es kommt auch vor, dass dem be- rührten Uebelstande der dreieckigen Ausschnitte dadurch abgeholfen ist, dass der dreieckige Roll- verschluss in einer gewis- sen Höhe abgeschnitten ist, also des Drehungs- punktes entbehrt. Bis zum Zenithpunkte bleibt dann noch eine viereckige Oeffnung frei, welche durch eine entsprechende Klappe geschlossen wird. Die Anordnung mit verticalen Wänden und darüber angebrachtem verticalen Dache von geringer Neigung, wie wir sie am Pulkowaer Refractorthurme kennen gelernt haben, erhält in den Drehtrommeln eine Modification, die sehr praktisch ist und auch immer mehr An- wendung findet. Hier handelt es sich, wie schon die Bezeichnung andeutet, nicht um ein Vieleck von Wänden, sondern um eine kreis- förmige, verticale, durch Fenster durchbrochene Wand, welche, ähnlich den Kuppeln, um die verticale Achse des Be- obachtungsraumes rotirt. Die Vortheile dieser Con- struction sind in die Augen springend: der eingeschlossene Raum ist grösser, die Klappen- vorrichtungen lassen sich sehr vereinfachen und schliesslich bieten die Fenster, welche in die Klappenausschnitte übergehen, die Be- quemlichkeit, dass die Trommel von Fall zu Fall nur um ein ge- ringes Bogenmass gedreht zu werden braucht. Die Verschiebung der Dachklappen erfolgt entweder mittelst Hebel, die durch Hand- griffe bewegt werden, oder mittelst Zahnräder. Die Abbildung Seite 88 (Fig. 195) zeigt die Gesammtansicht eines Beobachtungs- thurmes mit Drehtrommel. Zu den mechanischen Einrichtungen der Refractorthürme gehören schliesslich die Fahrtreppen und Beobachtungs- stühle. Ihre Gestalt und Anordnung ist sehr verschieden und hängen diese mit der ganzen Construction des Beobachtungs- raumes zusammen. Wenn man einen orientirenden Blick auf die auf den vorangegangenen Seiten abgebildeten grossen Instru- mente wirft, so erkennt man ohne weiteres, dass dieselben vom Fussboden aus nur zu Beobachtungen in der Nähe des Zeniths benützt werden können. Nimmt die Zenithdistanz zu, so ist das Ocular nicht mehr zu erreichen und der Beobachter muss einen achter ermöglichen, sich selber sammt dem gan- zen Gestelle im Kreise herumzuführen, oder sei- nen Standort nach Be- darf heben und senken zu können. Da Vorrich- tungen dieser Art sehr schwerfällig sind und die bequeme Anpassung der jeweiligen Stellung mit Zeitverlust verbunden ist, zeigen die Astrono- men eine grosse Vorliebe für die grossen, auf Schie- nen laufenden Fahrstühle. In den neuen amerikani- schen Sternwarten hat man dem Uebelstande, übermässig hohe Be- obachtungsgestelle be- nützen zu müssen, in ra- dicaler Weise dadurch abgeholfen, dass im Be- darfsfälle das ganze Po- dium des Beobachtungs- raumes durch hydrauli- sche Kraft gehoben wird. Sehr instructiv sind in diesen Beziehungen die beiden Abbildungen auf Seite 82 und 83, welche den Lick-Refractor dar- stellen. Auf dem ersten Bilde sieht man das Po- dium in seiner tiefsten Lage, in dem zweiten Bilde bis auf die halbe Pfeilerhöhe gehoben. In anderer Weise hat man sich in Pulkowa geholfen (Abbildungen Seite 79 und 87). Hier sind zwei Fahrstühle in ver- schiedener Höhe angeordnet. Zu diesem Zwecke erhebt sich über dem eigentlichen (tieferen)Beob- achtungsraume eine diesen letzteren im Kreise umziehende Gallerie, welche den eigentlichen Fahrstuhl trägt. Da bei der Grösse des Instrumentes die bei den Beob- achtungen zu benützenden Theile nothwendigerweise in grossen Abständen stehen, empfahl sich für diejenigen Stellungen des Fernrohres, bei denen sich stehend oder von einem hohen Sitze aus gut beobachten lässt (etwa zwischen 6o° und 900 Zenithdistanz) ein geräumiges Standbrett, auf welchem der Beobachter sich frei bewegen hann. Ein solches mit einem leicht aufzuschlagenden Sitzbrett ist deshalb für den oberen Fahrstuhl angenommen worden, und ist der Beobachter diesfalls im Stande, ohne seinen Platz vor dem Fernrohre zu verlassen, sowohl sich mit dem ganzen Fahrstuhl durch Ziehen an einem bequem gelegenen Handseil in horizontaler Richtung fortzubewegen, als auch sich mit dem entsprechend aus- balancirten Standbrett durch eine einfache Windevorrichtung an einer steilen Bahn zu heben oder niederzulassen. An dem unteren Fahrstuhl, wo in Folge der tiefen Lage des Oculares eine mehr geneigte Körperhaltung nicht zu ver- meiden ist, befindet sich ein Sitz mit verstellbarer Rücklehne und Fussbrett, der in ähnlicher Weise wie das Standbrett des oberen Fahrstuhles in horizon- taler und verticaler Richtung beweglich ist und zugleich eine Bewegung radial zum Mittelpunkte des Instrumentes zulässt. Bei beiden Fahrstühlen liegt auf jeder Seite der Bahn eine Treppe mit Handgeländer, von welcher aus man das Standbrett, beziehungsweise den Sitz, in jeder Stellung leicht erreichen kann. 25