Orientirung am Sternhimmel. 85 die Gesammtanordnung dieses zur Zeit drittgrössten astrono- mischen Fernrohres in Europa (das der Bischoffsheim’schen Sternwarte auf dem Mont Gros bei Nizza mit fast 29 Zoll und jenes von Fulkowa mit 30 Zoll Objectivöffnung stehen voran) deutlich zu ersehen. Der Laie wird vielleicht fragen, welchen Nutzen derart gross dimensionirte Instrumente bieten, indem man sich so lange Zeit hindurch mit sehr beschei- denen optischen Hilfsmitteln behalf und dennoch hervorragende Leistungen zu verzeichnen hatte. Jeder, der durch ein astronomisches Fernrohr nach einem Fixstern gesehen hat, wird die Wahrnehmung gemacht haben, dass der Anblick desselben eher kleiner als grösser ist, indem durch Wegfall der Strahlenblitze der Stern zu einem leuchtenden Punkt zusammenschrumpft. Wendet man stärkere Ver- grösserungen an, so wird das Gestirn nicht grösser, wohl aber verschwommener. Nun genügt zur Erklärung dessen, was hier vorgebracht werden soll, der Blick durch ein Fernrohr nicht. Bedient man sich nämlich verschieden grosser Fern- rohre bei gleicher Vergrösserung, so ergiebt sich, dass das beobachtete Gestirn in dem grösseren Instrumente fast kleiner erscheint als in dem klei- neren, aber bei Weitem heller. Daraus ergiebt sich, dass der Werth grosser Instrumente in deren bedeutenden Lichtintensität liegt, was zur Folge hat, dass mit der wachsenden Grösse der Ob- jective immer mehr und mehr Sterne, die sonst selbst dem be- waffneten Auge unsichtbar blei- ben würden, ihr Dasein dem den Himmel absuchenden Astronomen verrathen. Bei gewissen coelesti- schen Objecten entscheidet das Mass der Vergrösserung durchaus nicht, wohl aber die Lichtmenge, welche durch das Objectiv in das Fernrohr gelangt. Beobachtet man einen sehr lichtschwachen Him- melskörper — z. B. einen Nebel- fleck — mit freiem Auge, alsdann durch ein Fernrohr bei etwa hun- dertfacher Vergrösserung, so ist ohne Weiteres klar, dass jenes Object nun zwar hundertmal grösser erscheint, die gleiche Lichtmenge aber sich auf eine hundertmal grössere Fläche ver- theilt. Daraus folgt, dass das beobachtete Object im Fernrohre völlig verschwinden würde, sobald man das Mass der Vergrösserung verdoppeln oder verdreifachen würde. Charakteristisch für diesen Sachverhalt ist die Thatsache, dass Tempel seinerzeit den »Merope- Nebel« in der Nähe der Plejaden mit einem ganz kleinen Instru- mente von 2’/? Zoll Objectiv- öffnung entdeckte, während er sich für die grössten Teleskope als unauffindbar erwies. Wendet man starke Ver- grösserungen an, so wird dieselbe auch auf die wallende Aussenluft übertragen, was zur Folge hat, dass die optischen Bilder in einer die Beobachtung in hohem Grade störenden zitternden Bewegung sind. Das Wallen der Bilder tritt — bei gleicher Vergrösserung — in kleineren Instrumenten minder stark auf, als in grösseren, d. h. ihre »Definition« ist eine bessere. , Bekannt ist, dass der berühmte Mailänder Astronom J. Schiapa- relli, seine epochemachenden Entdeckungen auf Mars mit einem Fernrohre gemacht hat, das nur 8 Zoll Objectivöffnung hat. Hierbei kam ihm freilich noch ein anderer, sehr merk- würdiger Umstand zu Statten. Es hat sich nämlich ergeben, dass die Achro- masie des erwähnten Instrumentes von ganz besonderer Art ist, indem nämlich die rothen und gelben Strahlen sehr gut vereinigt werden, während die blauen und violetten abirren. Da nun Mars hauptsächlich rothes Licht ausstrahlt, so eignete sich Schiaparelli’s Instrument, trotz seines Fehlers, gerade für Mars- beobachtungen besser als irgend ein anderes. Wir kommen nun zu dem grössten Refractor auf euro- päischem Boden — dem 30-Zöller der kaiserlichen Sternwarte zu Pulkowa — zu sprechen. Um dem Leser nach all dem bisher Mitgetheilten einen klaren Einblick in die Details eines so mächtigen Instrumentes zu geben, folgen wir hier hauptsächlich dem Originalberichte seiner Constructeure, A. Repsold & Söhne in Hamburg (Fig. 183, S. 79): Der Träger des ganzen Instrumentes, welcher von dem brunnenartigen Backsteinfundament aufsteigt, ist aus Gusseisen und hat die Form einer kräftigen Säule. Er besteht aus sieben K • Jill Fig. 191. Das 2ozöllige Aequatoreal der Sternwarte zu Denver (Col.) mit Sägemüller’schen Sucherkreisen. durch Schraubenbolzen verbundenen Theilen. Der Fuss ist ein hohler Conus, welcher ringsum auf dem Fundament ruht und durch einen Cementguss zur vollkommenen Anlage gebracht ist. Die nächsten fünf Theile, von denen der unterste durch den Fussboden tritt, bilden je einen wenig konischen Ring; der Kopf besteht aus einem kastenförmigen Hohlkörper, dessen obere Platte parallel zur Polachse liegt. Die Correction in Polhöhe geschieht am Kopf durch zwei Anstossschrauben, diejenige in Azimuth durch Drehung des obersten konischen Theiles der Säule auf dem zweiten, mittelst im Innern angebrachter Stell- schrauben. Auf dem Säulenkopfe ruht die gusseiserne Lager- büchse der Stundenachse. Sie ist in der Hauptform cylin- drisch und dient am oberen Ende zugleich als Drehungsmittel für den Uhrkreis, einen Kreis mit Gang ohne Ende für die an einem Aufbau des Säulen- kopfes gehaltene Schraube, welche vom Uhrwerk ge- trieben wird. Um das In- strument durch die Stell- schraube an der Lager- büchse der Stundenachse beliebig lange nachführen zu können, ohne die Stell- schraube zurückdrehen zu müssen, ist eine sinnreiche Einrichtung getroffen, die wir indess Mangels einer schematischen Zeichnung übergehen. Am unteren Ende trägt die Lagerbüchse der Stundenachse zwei Mi- krometer - Mikroskope zur feinen Ablesung eines un- teren Stundenkreises; ein zweiter oberer Kreis ist oberhalb des Uhrkreises auf der Lagerbüchse der Stundenachse befestigt und giebt die grobe Ablesung vom Ocular aus. Die Stundenachse (aus Krupp’schem Gussstahl) ruht in zwei cylindrischen Lagern und stützt sich in der Längsrichtung auf ihr unteres Lager. Unterhalb desselben trägt sie neben dem Theilkreis noch ein Zahnrad zur Drehung der Achse durch ein an der Säule angebrachtes Vor- gelege mit Handrad; auf dem Kopfende ruht die Büchse der Declinations- achse. Der Lagerdruck der Stundenachse wird durch eine senkrechte Scheibe aufgehoben, welche sich in eine Hohlkehle der Achse oberhalb des oberen Zapfens fügt; diese Scheibe steht senkrecht unter dem Schwerpunkt aller mit der Stundenachse sich drehenden Theile und entlastet daher die Lager in beiden Richtungen; die Zapfen der Scheibe haben ihre Lager auf einem horizontalen Träger, welcher mit dem einen Ende auf dem Säulenkopfe ruht, während das andere durch einen unter dem Träger liegenden Hebel hinaufgedrückt wird. Der lange Arm dieses Hebels trägt an einer bis in das Fundament hinabreichenden Kette das nöthige Gegengewicht. Die Stundenachse ist mit einer weiten, der Länge nach durchgehenden Bohrung versehen, um die Ein- stellung der Declination vom unteren Ende der Stundenachse zu ermöglichen. Zu diesem Zwecke dreht sich in der Bohrung ein starkes Rohr, unten mit einem Handrad, oben mit einem Triebe versehen, welche durch Uebersetzungen auf ein mit der Declinationsachse fest verbundenes Zahnrad wirkt. Vor diesem Zahnrade trägt die Declinationsachse einen kleinen Theilkreis, welcher durch ein in jedem Rohre angebrachtes Objectiv und ein gegen die Kopffläche der Stundenachse befestigtes Prisma 22