82 Beobachtende Astronomie. licherweise schädlichen Durchbiegungen unterworfen sein würde. Bei Einhaltung des Verhältnisses von 1:18 bot die Linse genügende Stärke für die Peripherie. Es ergab sich aber daraus, dass die Brennweite dadurch von 40 Fuss auf 45 ver- längert wurde, was insoferne bei O. Struve die grössten Bedenken erregte, als der mechanische Theil des Instrumentes bereits der Repsold’schen Werkstätte in Hamburg in Arbeit gegeben war. Es stellte sich hierbei glücklicherweise heraus, dass die genannten Constructeure mit dem Bau des Rohres noch gar nicht begonnen hatten, da sich die Räume ihrer Werkstätten hierfür zu beengt erwiesen und erst Raum geschaffen werden musste. Daraufhin acceptirte Struve den Vorschlag Clark’s und am Neujahrstage 1883 waren die Linsen endlich fertig, nachdem 3 Jahre, 4 Monate seit Abschluss des Contractes verstrichen waren. Diese Zeitdauer an sich vermittelt eine Vorstellung von den Schwierig- keiten in der Bewältigung so grosser Aufgaben. Bis die 96 Kilogramm schweren Objectivlinsen an Ort und Stelle (in Pulkowa) gebracht und in die Fassung montirt waren, verging übrigens noch ein halbes Jahr. Am Rohre selbst wurde das Objectiv erst anderthalb Jahre später angebracht. Das ganze Objectiv — Linsen und Fassung — hat ein Gewicht von 195 Kilogramm. Nach diesen vorgreifenden Mit- theilungen gehen wir auf unseren Ge- genstand über, in- dem wir uns zu- nächst den dioptri- schen Aequatorea- len — den Refrac- toren — zuwenden. «) Die Refrac- toren. Es würde zu weit führen, die lange geschichtli- che Entwickelung der Aequatoreale im Allgemeinen, so- wie die allmähliche Ausgestaltung der parallaktisch aufge- stellten dioptrischen Fernrohre in ihren einzelnen Typen mit Berücksichti- gung des Details zu behandeln. Ei- nige Vorbemerkun- gen erscheinen in- dess für das Ver- ständniss der hier in Frage kommen- den Constructionen wünschenswert!!. . . Bis zu Beginn un- seres Jahrhunderts bildete das Coordi- natensystem der Ekliptik die Grund- lage für die Beob- achtungen. Da dies die Umrechnungen auf dasCoordinaten- HF •i JF, 1 M Fig. 186. Der 36zöllige Refractor des Lick-Observatoriums. Constructeure: Warner & Swasey, Cleveland. System des Aequa- tors — Rectascen- sion und Declina- tion — nothwendig machte, war man darauf bedacht, sich eines In- 1 strumentes zu bedienen, welches die Einrichtung hatte, dem schein- baren Gange eines Gestirnes nachgeführt werden zu können. Hierbei sollte jedoch an dem Grundsätze festgehalten werden, wie bei Azimuth und Höhe, auch jene Winkel, welche sich auf Aequator und Meridian beziehen, mit absoluter Genauigkeit zu messen. Die älteren Aequatoreale schlossen sich daher zunächst dem Principe des Passageninstrumentes an, indem sie den Winkel- messungen durch Einrichtung grosser getheilter Kreise Rechnung trugen und den betreffenden Instrumenten ein von den modernen Aequatorealen ziemlich abweichendes Aussehen verliehen. Ein Instrument dieser Art ist in Figur 174 abgebildet. Es rührt von dem hervorragenden französischen Mechaniker Gambey her und erkennt man unschwer die constructive Anlehnung an das Durchgangsfernrohr. Die nach der Polhöhe orientirte Stunden- achse setzt sich aus zwei Konen, welche in der Mitte mit dem I centralen Würfel verbolzt sind, zusammen und ist an beiden Punkten unterstützt. Das eine Achsenlager befindet sich auf der in der Richtung der Aequatorebene abgeschrägten Oberfläche eines niedrigen Pfeilers, das andere Achsenlager ist an einem an der Kreismauer der Kuppel befestigten Träger angebracht. Seltsamerweise ist man in jüngster Zeit bei ganz modernen In- strumenten auf diese Unterstützungsweise der Polarachse zurück- gekommen, z. B. bei den photographischen Refractoren zu Paris und Rom, welch letzterer auf Seite 9 abgebildet ist. Auf dem mittleren Würfel ist der Alhidadenkreis angebracht, parallel zur abgeschrägten Oberfläche des Pfeilers und am Südende der Stundenachse der grosse in der Aequatorebene liegende Theil- kreis, an der Declinationsachse der ebenfalls ziemlich grosse Declinationskreis. Bei englischen Instrumenten dieser Art wurde der Träger für das nördliche Achsen- lager der Stunden- achse durch einen zweiten Pfeiler, auf welchem eine unge- mein hohe eiserne Säule aufmontirt war, ersetzt. Es ist bemerkenswert!!, dass weder diese Instrumente, noch die modificirten Constructionen von R e p s o 1 d und P i- stor & Martins, welch letztere an den etwas kleiner dimensionirtenKrei - sen Ablesungen in Secunden gestatte- ten , zu absoluten Winkelmessungen benützt wurden. Erst U t z- schneider und Fraunhofer stell- ten grössere Re- fractoren in der Art her, wie wir sie heute, allerdings sehr vervollkomm- net, zu sehen ge- wohnt sind. Bei die- sen Instrumenten ruhte diePolarachse in zwei auf einer massiven Messing- platte befestigten Lagern; diese Platte war auf der der Polhöhe des Beob- achtungsortes ent- sprechend geneig- ten oberen Fläche des Holzstativs auf- montirt. Zur ge- nauerenOrientirung dienten fünf am Stativ angebrachte F ussschrauben. Die Declinations- achse ruhte in einer über das Nordende der Stundenachse heraus- ragenden Messinghülse und lief jene zwischen Frictionsringen, welche durch Gegengewichte derart auf die Achse wirkten, dass sie theilweise innen aus ihren Lagern gehoben ward. Es ist er- wähnenswerth, dass die berühmte Werkstätte G. & S. Merz in München, welche die Traditionen Fraunhofer’s bis zu unseren Tagen fortentwickelt hat, bei dem geschilderten constructiven Princip geblieben, dasselbe jedoch entsprechend modificirt hat. Als Material für das Rohr diente bei den Fraunhofer’schen Refractoren Holz, desgleichen für das Stativ. In der Folge wurde bei grösseren Instrumenten das Holzstativ verworfen und durch den Steinpfeiler ersetzt (Fig. 175). Die Abbildung auf Seite 74 führt den grossen i5zölligen Pulkowa’schen Refractor von Fraunhofer vor, der seinerzeit als ein Wunderwerk der Mechanik und Optik angestaunt wurde und sich durch geraume Zeit als das vollkommenste Sehwerk-