8o Beobachtende Astronomie. welche Bezeichnung es von Reichenbach, dem ersten Mecha- niker, der in Deutschland diese Construction verwirklichte, er- hielt. In der Folge haben Troughton & Sims, Repsold, Bam- berg u. A. vorzügliche Instrumente dieser Art hergestellt. Das S. 73 abgebildete Universalinstrument (Fig. 170) hat Karl Bamberg für die Berliner Sternwarte gebaut. Es zeichnet sich durch be- sonders solide Construction aus, die in der Aufhäufung bedeu- tender Metallmassen, einem äusserst kräftig dimensionirten Rohre und entsprechend starker Armatur zum Ausdrucke koinmt. Der Constructeur begründet diesen Vorgang damit, dass grössere Massen weniger den Veränderungen unterliegen, welche durch Temperatureinflüsse hervorgerufen werden, und nebenher auch der Zweck erreicht wird, dem ganzen Instrumente einen höheren Grad von Stabilität zu verleihen. Eine eingehende Beschreibung der ziemlich complicirten Construction müssen wir uns erlassen. Einige Erläuterungen werden genügen. Da es bei Universalinstrumenten hauptsächlich darauf ankommt, dasselbe in allen Azimuthen rasch und sicher aufzustellen, erheischt die Umlegevorrichtung eine besonders exacte Construction. Dieselbe ist hier im Pfeiler untergebracht und functionirt so tadellos und rasch, dass die Umlegeoperation in etwa einer halben Minute bewirkt werden kann. Das mit drei kräftigen Fussschrauben versehene Stativ besteht aus einem Speichenrahmen, auf welchem die stark dimensionirten Lager- Sehr sinnreich ist der Umlegemechanismus eingerichtet, welcher in einem centralen Canal des Pfeilers versenkt, in unserer Abbildung also nicht sichtbar ist. Dagegen sind die cannelirten Ränder des Umlegebockes zu sehen, desgleichen am Pfeiler das Rad, mittelst welchem zunächst eine im Pfeiler senkrecht stehende Welle in Bewegung versetzt wird; mittelst eines konischen Rades wird diese Bewegung auf eine — gleichfalls im Pfeiler liegende — horizontale Welle über- tragen, welche den vertical in einer Führungsbüchse sitzenden Cylinder und damit den Umlegebock hebt. 3. Das Aequatoreal. Die bisher besprochenen astronomischen Instrumente sind, wie wir gesehen haben, immer nur in einer bestimmten Ro- tationsebene des Fernrohres zu benützen und dienen dieselben ausschliesslich zu Winkelmessungen am Himmel. Nun beschränkt sich aber die beobachtende Astronomie nicht einzig und allein auf diese Arbeiten. Für gewisse Beobachtungen ist es noth- wendig, dass das Fernrohr eine derartige Bewegungsfreiheit besitze, dass es dem betreffenden Himmelsobjecte folgen könne, da bei starken Vergrösserungen und kleinerem Gesichtsfelde ein Stern oder dergleichen nur ganz kurze Zeit dem Beobachter sichtbar bleibt und Fig. 184. Oculaikopf des ßozölligen Refractors der Nicolai-Hauptsternwarte zu Pulkowa. hierauf über den Rand des Objectives ver- schwindet. Um dem Gestirn mit dem Fern- rohr folgen zu können, muss dasselbe um zwei aufeinander senkrecht stehende Achsen von bestimmter Lage zu den Himmelskreisen beweglich sein. Die eine dieser Achsen ist der W eltachse parallel, die andere steht auf ihr senkrecht, ist also die Declinationsachse. Die erste Achse muss mit einem getheilten, dem Aequator paralle- len Kreise, die zweite mit einem solchen, welcher die Declina- tionen anzeigt, ver- sehen werden. Ein solches In- strument führt den Namen eines paral- laktischen Fern- rohres; seine Con- struction ist schwierig und complicirt. Die- selbe setzt sich aus pfeiler aufmontirt sind. Ihre Form ist aus der Zeichnung zu ersehen. Zur Ver- meidung von Temperatureinflüssen sind Rahmen und Ständer mit Tuch umhüllt. Der Rahmen ruht auf Rollen, welche in einer Kreisbahn sich bewegen, die mit dem Rahmen ein Stück bildet, und zwar in Gestalt eines Doppelrahmens, welcher bis an den Rand des Steinpfeilers reicht und — soweit dies beim Auf- gypsen erreichbar ist — horizontal liegt. Die exacte Horizontalstellung erfolgt selbstverständlich mit Hilfe der Fussschrauben. Die Zapfenlager sind derart auf dem Stän der befestigt, dass die Lager der Hängelibelle sich genau über ihnen befinden. Das Reflexionsprisma befindet sich nicht an dem Würfel, sondern am Objectiv- rohre. Die Beleuchtung erfolgt durch die Achse. Der Aufsuchungskreis befindet sich auf unserer Abbildung auf der linken Seite, also diametral gegenüber dem Ocular, welch letzteres sehr sinnreich eingerichtet ist. Es besitzt nämlich drei Schrauben; mit der einen lässt sich der bewegliche Faden in Declination ver- schieben, mit der zweiten wird ein beweglicher Faden im Sinne der täglichen Bewegung gerückt, während die dritte Schraube dazu dient, das Ocular über das ganze Gesichtsfeld hinführen zu können. Am Ocularkonus des Achsenkörpers befinden sich überdies drei Arme, welche in Handgriffe endigen und zur groben Einstellung des Fernrohres dienen. Weitere Details sind die folgenden: Auf der Kreishälfte des Achsenkörpers ist eine kleine Libelle aufmontirt, welche bei jeder Neigung des Fernrohres horizontal gestellt werden kann und zu Beobachtungen in gleichen Höhen zu beiden Seiten des Zenithpunktes dient. Selbstverständlich lässt sich das Fern- rohr so weit mit dem Objectiv nach abwärts umschlagen, um in einem zwischen den Rändern am horizontalen Rahmen angebrachten Quecksilberniveau Nadir- beobachtungen anstellen zu können. Um diese Operation nicht durch das Niveau zu behindern, ist der Hauptfassung der Libelle eine entsprechende Schweifung gegeben. Das kleine Fernrohr links in der Abbildung dient dazu, eventuelle Veränderungen des Instrumentes im Azimuth an einem Azimuthaikreise zu controliren. Die Correction erfolgt mit der unter dem erwähnten Fernrohre liegenden Klemme, welche für Feinbewegungen mit zwei Gegenschrauben ver- sehen ist. dem Stativ mit dem Achsensystem und dem Fernrohre zusammen, welch letzteres derart schwebend und ausbalancirt auf der Decli- nationsachse befestigt ist, dass es sich auf jeden Punkt des Himmelsgewölbes einstellen lässt. Bei den zum Theil gewaltigen Dimensionen dieser Instrumente ist zur Erleichterung des Auf- findens coelestischer Objecte ein bedeutend klei4®res Fernrohr (oder mehrere solche) auf der Mantelfläche des grossen Fern- rohres derart montirt, dass die optischen Achsen beider Rohre zu einander parallel sind. Man bezeichnet alle Constructionen dieser Art als Aequa- toreale, gleichviel ob deren optischer Theil nun aus einem Linsenfernrohr oder aus Reflexionsvorrichtungen besteht; die Instrumente ersterer Art heissen Refractoren, die der letzteren Reflectoren (Spiegelteleskope)... Das Aequatoreal ist die Krone aller astronomischen Instrumente und diejenige Gattung unter ihnen, welche in Folge Steigerung der Dimensionen zu gross- artigen Constructionen Anlass gegeben und dementsprechend zu epochemachenden Erfolgen in der beobachtenden Astronomie geführt hat. Das mechanische Genie einerseits und die Kunst des Optikers andererseits haben diese Erfolge angebahnt. Der blosse Anblick eines der Riesenrefractoren der Neuzeit mit dem ungeheuren Rohre, den gewaltigen Massen, welche durch Ge- wichte derart ausbalancirt sind, dass das gewaltige Sehwerkzeug sich mit einem Finger bewegen lässt, die sinnverwirrende Mannigfaltigkeit des Details, die Exactheit des Triebwerkes,