68 Beobachtende Astronomie. werden musste, um das Maxi- mum ihrer Leistungsfähigkeit im Fernrohre zu erreichen. Sodann stellte er Forschungen über die Zerstreuung des Lichtes an und gelangte durch die Entdeckung der nach ihm benannten Linien im Spectrum dahin, für die Dispersions- werthe der einzelnen Farben bestimmte Daten zu erhalten, die er in seinen Formeln der Berechnung der Objective zu Grunde legte. Schliesslich er- zielte er einen hohen Grad von Vollkommenheit in der Her- stellung der Glassorten, vor- nehmlich des stärker brechen- den Flintglases. Niemand hätte geglaubt, dass über Dollond hinaus Fortschritte, wie sie Fraun- hofer erzielt hatte, möglich seien. Schon der erste grosse Wurf des Münchener Optikers setzte alle Welt in Erstaunen. Als im Jahre 1824 derFraun- hofer’sche grosse Refractor von 9 Zoll Objectivöffnung in der Sternwarte zu Dorpat auf- gestellt war, und zwar in einer besonderen Art von parallakti- scher Montirung durch Com- bination einer doppelten Be- wegung — nach der Stunden- achse und der Declinations- achse — das Ganze mit relativ befriedigender Präcision durch ein Uhrwerk der scheinbaren Bewegung der Gestirne nach- geführt, schrieb W. Struve, der berühmte Leiter der Dor- pater Sternwarte: »Staunend stand ich vor dem herrlichen Kunstwerke, unentschieden, was mehr zu bewundern: die Schön- heit der Formen des Ganzen und die Vollendung desselben bis ins kleinste Detail, oder die Zweckmässigkeit der Aufstellung und der so sinnreiche Mechanismus der Bewegung, oder die unvergleichliche optische Kraft und Präcision der Bilder.« Wir greifen unseren Mittheilungen etwas voraus, wenn wir in die weiteren Fortschritte in der Herstellung grosser Ob- fi-r Fig. 160. Passageninstrument im ersten Vertical (New Naval Observatory). Constructeur: G. N. Sägemüller, Washington. jective und in der Vervoll- kommnung der hierzu er- forderlichen Glassorten mit einigen Worten eingehen. Aus der Münchener Werk- stätte gingen bald andere ausgezeichnete Instrumente hervor, darunter der damals als Wunderwerk angestaunte grosse, iqzöllige Refractor für die Sternwarte zu Pul- kowa. Andere Meisterwerke folgten und alsbald waren F raunhofer’sche Instrumente über den ganzen Erdkreis ver- breitet. Die grössten Linsen, die dieser Werkstätte ent- stammen, sind die der Re- fractoren zu Strassburg und Mailand mit je 18 Zoll Durch- messer. Der Refractor der Strassburger Sternwarte ist zur Zeit das grösste Fernrohr in Deutschland... Später griff der durch sein bedeutendes Fachwissen und seine prak- tischen Erfahrungen hervor- ragende bayerische Ministerial- rath C. A. Steinheil in diese Fig. 161. Passageninstrument mit gebrochener Achse. Constructeur: C. Bamberg, Berlin-Friedenau. Thätigkeit ein, indem er eine eigene optische Anstalt grün- dete , deren Leistungen seit- dem Weltruf erreicht haben. Ueberhaupt ist der bayeri- schen Hauptstadt — trotz der Thatsache, dass sich im Laufe der Zeit englische und ameri- kanische Optiker unabhängig machten — eine gewisse füh- rende Rolle verblieben. Neben Fraunhofer und Steinheil haben Merz und Reinfelder & Hertel Weltruf erlangt. Zu diesen Namen sind in jüng- ster Zeit jene Feils in Paris und Chance in Birmingham, als Erzeuger vollkommen feh- lerfreier Glasblöcl e, und Al- van Clark in Cambridgeport (Nord - Amerika), als König unter allen Linsenschleifern, getreten. Wir werden mit diesen Allen noch nähere Be- kanntschaft machen. Nach dieser kurzenUeber- sicht auf die Entwickelung der astronomischen Sehwerk- zeuge im Allgemeinen und der dioptrischen Instrumente im Besonderen — mit absicht- licher Hinweglassung der pa- rallel laufenden Bestrebungen und Erfolge auf dem Gebiete der Construction katoptrischer Instrumente (Reflectoren, Spie- gelteleskope) — gehen wir auf die Einrichtung und die Gebrauchsweise der hauptsäch- lichsten Typen von astronomi- schen Instrumentarien über. Wir beginnen mit denjenigen, welche zur Zeitbestimmung dienen, lassen hierauf jene Con- structionen folgen, welche in den Coordinaten des Aequators — Declination und Rectascension — beweglich sind, also für die Absuchung des Himmelsraumes eingerichtet sind und die Be- zeichnung »Aequatoreale« führen. Andere Constructionen, welche besonderen Zwecken dienen (mit Ausschluss der bereits behandelten astrophotographischen Instrumentarien) und unter welchen die Heliometer die wichtigsten sind, sowie verschiedene Hilfsinstrumente,Messapparate (Mikrometer, Photometer), Uhren, Chronometer, Chrono- graphen, sollen diese Mitthei- lungen beschliessen und auf diese Weise dem Laien in grossen Zügen ein umfassen- des Bild von diesem Gegen- stände vermitteln. Erst mit der Kenntniss desselben wird sich ihm eine zutreffende Vor- stellung von der Reichhaltig- keit und Bedeutung der der beobachtenden Astronomie zur Verfügung stehenden techni- schen Hilfsmittel erschliessen. 1. Das Passageninstrument. Wir haben gesehen, dass die ältesten astronomischen Instrumente der Zeitbestim- mung — Rectascension der Gestirne — dienten und dass unter den hierzu construirten Instrumenten der Mauerqua- drant sich am längsten er- hielt. Seine Construction war