Orientirung am Sternhimmel. 65 Der Vollständigkeit halber sei hier auch noch des terrestrischen Fernrohres gedacht. Es unterschei- det sich von dem astronomischen Fernrohr principiell nur durch die Zu- sammensetzung des Linsensystemes des Oculars, nebenher wohl auch durch die Abmessungen, indem terrestrische Fernrohre, welche, wie schon die Be- zeichnung andeutet, lediglich zum Be- trachten irdischer Gegenstände dienen, handlich dimensionirt sein müssen. Das durch die Objectivlinse umgekehrt erscheinende Bild wird durch eine Combination von convexen Ocular- linsen wieder in die aufrechte Stel- lung gebracht. Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden, dass das astronomische Fernrohr in seiner ur- sprünglichen Gestalt und Construction an mancherlei Gebrechen litt. Abgesehen davon, dass der Schliff der Linsen kein tadel- loser war, ; . 153. Dipleidoskop von Dent. liehen Vorrichtung. sehen Sternwarte nicht unterzubringen war, wurde auf freiem zeigte sich die Erscheinung, dass die Strahlen nach Felde ein Mastbaum von 90 Fuss aufgerichtet, an welchem das dem Durchgänge durch Kugelflächen — wie die Be- grenzungsflächen der Linsen es sind — keinen gemein- samen Brennpunkt hatten, indem die Randstrahlen stärker als die Central- strahlen gebrochen wurden. Man nennt dies bekanntlich die sphärische Abwei- chung. Ferner ergab sich, dass der Brennpunkt einer einfachen Linse für die verschiedenen Farbenstrah- len nicht derselbe ist, was IL. J aB Fig. 154. Spiegelsextant. Fig. 155- zu der Erscheinung führt, dass die Bilder mit einem farbigen Saume erscheinen — eine Folge der sogenannten chromatischen Abweichung. Da man die richtigen Mittel nicht fand, diese Fehler zu beseitigen, erzielte man eine gewisse Cor- rectur derselben dadurch, dass man die Brennweite vergrösserte. Damit war zunächst erreicht, dass die Wirkung der sphäri- schen Abweichung weniger fühl- bar wurde, indem dieselbe in dem Masse sich verringert, als das Quadrat der Brennweite wächst. Die sphärische Abweichung ist also beispielsweise bei doppelter Brennweite viermal so klein als bei einfacher. Da nun die Breite des durch die chromatische Ab- weichung entstehenden bunten Randes von der Brennweite un- abhängig ist, so ergiebt sich, dass mit der Vergrösserung der Brennweite wohl die Dimensio- nen des entworfenen Bildes — zu dessen genauerer Betrachtung nur ein schwächeres Ocular aus- reicht — wachsen, der Farben- saum jedoch an Breite nicht zunimmt. Die Folge dieser Wahrneh- mung war, dass alsbald ausser- gewöhnlich grosse Brennweiten in Anwendung kamen. Der be- rühmte Huyghens besass ein Fernrohr, das bei 3 Zoll Objectiv- Fig. 156. Passageninstrument des Lick-Observatoriums. Öffnung 30 Fuss Brennweite hatte. Man blieb dabei nicht stehen, vergrösserte immer mehr und mehr die Brennweite und erhielt auf diese Weise Ungethüme von astronomischen Instrumenten, von welchen hier zwei als besonders charakteristisch in Ab- bildungen vorgeführt sind. Der Constructeur des einen derselben war der reiche Danziger Rathsherr und Liebhaber der Astro- nomie Johann Hoewelke (lateinisirt: Hevelius), besonders hervorragend als Selenograph. In der ersten Zeit be- gnügte sich Hevelius mit Tuben von 6 bis 12 Fuss Länge, ging aber später zu der doppelten und dreifa- chen Länge über, und als auch diese Instrumente — die er sich alle selbst angefertigt hatte — ihn nicht befrie- digten, glaubte er sein Ziel mit einem Fernrohre von 9 Zoll Objectivöffnung und 60 Fuss Brennweite erreicht zu haben. Gleichwohl war sein Streben damit nicht befriedigt und nun schritt er zur Construction eines Ungethümes von 140 Fuss Brennweite, für welches Buratinus, der Freund Hevelius’, die Linsen geschliffen hatte. Die Figur 142, S. 61, zeigt die Gesammtanordnung dieser wunder- Da sie auf der Plattform der Hevelius- Instrument mittelst Winden und Flaschenzügen empor- gehoben und herabgelassen werden konnte. Da ein Rohr von der angegebenen Länge nicht zu beschaffen war, erhielten nur Objectiv und Ocular eine Art von Schutzkästen, und bestand das Ocular überdies aus einer Rolle von hartem Perga- ment, das sich im Kasten in der Richtung der optischen Achse verschieben liess, also Feineinstellungen zuliess. An Stelle des fehlenden Rohres war eine Anzahl auf der Ocularseite geschwärzter Blenden (Diaphragmen) innerhalb eines Gerüstes von starken Bohlen angeordnet und das Ganze derart versteift, dass eine centrale Visurlinie sich ergab. Das In- strument gestattete sowohl eine Bewegung nach auf- und ab- wärts (mittelst der Flaschenzüge) als in der Horizontalebene, zu welchem Ende die oberste Rolle, um welche das Instrument herum- geführt werden konnte, eine verticale Achse hatte. Mit dieser Bewegung liess sich die grobe Einstellung erzielen, während die Feineinstellung durch Heben und Senken des Ocularendes zwischen zwei galgenförmig an- geordneten Streben, welche sich auf einem transportablen Blocke mit Zahnstange und Schraube ohne Ende seitlich verschieben liessen, erfolgte. Nach Gebrauch- nahme musste das Instrument vom Maste herabgelassen und in einen entsprechend langen Schuppen geschoben werden. Von einer Sta- bilität dieser Vorrichtung konnte keine Rede sein; jeder Luft- zug behinderte die Beobachtung. Ausserdem waren die Zurüstun- gen zu letzteren so umständlich und zeitraubend, dass es nicht Wunder nehmen darf, wenn von den Arbeiten Hevelius’ mit diesem Ungethüme von Refractor nichts bekannt geworden ist. Abweichend von dieser Construction war diejenige des Fern- rohres, welches Pater Gottignez im Jahre 1680 in Rom fertig- stellte. Dasselbe ist in Figur 143 abgebildet und zeigt an Stelle des Gerüstes mit den Diaphragmen ein ungemein langes Rohr, das zur Verhütung von Durchbiegungen in einem brückenartigen Gestelle