Orientirung am Sternhimmel. 63 sowohl in den Ruinen von Niniveh als im Trümmerschutte von Herculanum geschliffene Gläser (in Linsenform, beziehungsweise mehr der Kugelform sich nähernd) gefunden, von welchen an- genommen wird, dass sie für optische Zwecke gedient haben mögen. Plinius erwähnt ausdrück- lich der Smaragde, welche meist hohlrund sind, um die Sehstrahlen zu sammeln. Ob damit eine Verwendung solcher Gläser nach Art der Brillen verbunden war, steht nicht fest; wenigstens gilt für den Erfinder der letzteren der Florentiner Banquier Salvino degli Armati (1280), ob- wohl sich hierfür nur vage Anhalts- punkte ergeben. Dagegen ist es er- wiesen, dass zu Beginn des 14. Jahr- hunderts Brillen bereits im Gebrauche standen. Es sollten indess noch Jahrhun- derte verstreichen, ehe diese Erfindung den Zwecken der Himmelskunde dienstbar gemacht wurde. Die erste Andeutung hierüber macht Hiero- nymus Fracastor in seiner 1538 in Venedig erschienenen Schrift, in der es heisst: »Wenn Jemand durch zwei aufeinander gelegte Augengläser schaut, so erblickt er Alles näher und grösser.« Und weiter: »Man ver- fertigt gewisse Augengläser von sol- cher Dicke, dass, wenn man durch diese Gläser den Mond oder ein an- deres Gestirn betrachtet, dieselben nicht entfernter als Thürme zu sein scheinen. . .« Trotz solcher Andeu- tungen hat man gleichwohl sichere I45‘ Nachrichten über die Construction des ersten Fernrohres erst aus der Zeit des Beginnes des 17. Jahrhunderts, und zwar auf Grund von Documenten, welche in den Archiven von Haag aufgefunden worden sind. Nach diesen hätte der Optiker Franz Lippershay zu Mittelburg (aus Wesel gebürtig) am 2. October 1608 bei Das sogenannte Luftfernrohr von Chr. Huyghens (1680). 3 I ' I I hierüber Mittheilung machte und für deren Verwendungsweise Vorschläge unterbreitete. Ueber den Ursprung der Erfindung berichtet Galilei nichts und italienische Schriftsteller be- gründen dies damit, dass der genannte Astronom das holländische Fernrohr gewissermassen neu erfun- den habe, indem er durch die Gesetze der Lichtbrechung darauf geführt wor- den sei. Wer die Schriften des grossen Mannes einigermassen kennt, wird aus ihnen entnehmen, dass die Sache sich gleichwohl anders verhält. Dem ent- spricht eine Bemerkung Huyghens’ in dessen Werke über Dioptrik: »Dem, der durch blosses Nachdenken, allein aus den Gesetzen der Natur und der Geometrie auf die Entdeckung der Fernrohre gekommen wäre, würde ich unbedenklich übermenschliche Ver- standeskräfte zugestehen.« Wenn nun gleichwohl das erste Fernrohr, das in Gebrauch genommen wurde, sich an den Namen Galilei geheftet hat, erklärt sich dies aus dem Umstande, dass dieser der Erste war, der es gegen den Himmel rich- tete. Welch ein Augenblick mag es gewesen sein, als der grosse Astronom das sah, was Plutarch geahnt hatte: der Mond zeigte Berge, welche Schatten warfen! Und der Schleier der Milchstrasse riss und zeigte das dichte Gedränge kleiner und kleinster Sterne, wie es Demokrit vermuthet hatte. Mit staunenden Blicken sah Galilei die Wunder des Himmels sich erschliessen: die Phasen von Venus und Mercur, die Streifen und Flecken von Jupiter und Mars, schliesslich — wenigstens in Andeutungen — das Ringsystem des Saturn. Galilei glaubte noch an »Henkel«, welche an den Centralkörper geheftet seien, bis Huyghens nachmals der staunenden Welt zur Kenntniss brachte, dass man es thatsächlich hier mit freischweben- Fig. 146. Franz Lippershay. Fig. 147. Galileo Galilei. f den Generalstaaten ein Patent auf ein von ihm erfundenes Instrument angemeldet, welches nichts Anderes als ein Fern- rohr war, und zwar ein monoculares. Aufgefordert, das Instru- ment für beide Augen einzurichten, schuf er noch in demselben Jahre ein bioculares Fernrohr. hast unmittelbar hierauf griff Galilei die holländische Erfindung auf, indem er den Leitern der Republik von Venedig den Ringen zu thun habe. Freilich sollte der dieser Art vom Glück begünstigte Astronom seine Entdeckungen, beziehungs- weise den kreimuth, mit dem er sie vertrat, mit schweren moralischen Demüthigungen büssen. Es ist hier nicht die Stelle, in diesen Sachverhalt näher einzugehen. Das Galilei’sche Fernrohr bestand und besteht aus zwei Linsen, einer Convexlinse, welche dem zu beobachtenden Gegenstände, und einer Concavlinse,