Orientirung am Sternhimmel. 55 kreisförmigen Schicht stehen die Sternhaufen in gar verschiedenen Entfernungen von einander und von ihrem gemeinsamen Schwer- punkte, um den sich ihre Gesammtheit wahrscheinlich umdreht. Versetze ich mich nun in Gedanken auf irgend einen Stern in irgend einem dieser Fixsternsysteme: welchen Anblick wird mir dann die Sternenwelt darbieten? Ich werde die Sterne des eigenen Systems wegen ihrer verhältnissmässig geringen Entfernung in ziemlich hellem Glanze und nach allen Richtungen hin um meinen Standpunkt herum am Himmel vertheilt sehen. Dagegen werde ich alle anderen Fixsternsysteme in weiter Ferne als Sternhaufen erblicken, und zwar müssen sich dieselben, weil sie alle fast in derselben Ebene liegen, für mein Auge theils neben, theils hintereinander schieben und so ein schimmerndes Band von lauter Sternhaufen bilden, welches als ein grösster Kreis den ganzen Himmel umzieht. Nun ist aber unsere Sonne ein solcher Stern in einem solchen Sternhaufen, und dieses unser Fixsternsystem ist wieder nur ein einzelnes; äusser ihm giebt es un- zählige andere, welche wir neben- und hintereinander stehend in dem grossen Gürtel der Milchstrasse er- blicken. Ständen alle diese Stern- haufen genau in derselben Ebene, so müsste uns die Milchstrasse über- all gleich breit, oder vielmehr gleich schmal erscheinen. Da dieselben aber nur nahezu in einer Ebene stehen, so zeigt sie in ihren einzelnen Theilen gar verschiedene Breite; ja in einzelnen Richtungen, wo die Stern- haufen besonders weit von der all- gemeinen Ebene abweichen, scheint die Milchstrasse sogar Ausläufer zu haben und sich in Arme zu spalten.« Die Milchstrasse ist der äusserste Markstein, bis zu welchem die menschlicheForschung vorzudringen vermochte; bei jedem Versuche, über diese Grenze hinauszugehen, lässt uns sogar die Einbildungskraft im Stiche. Indess bietet auch der Anblick der gesammten Fixstern- welt ein überwältigendes Bild von der Unermesslichkeit des Weltalls. Es ist im Allgemeinen ganz gleich, ob man die Fixsterne mit freiem Auge oder durch ein Fernrohr be- trachtet: sie erscheinen (mit gerin- gen Ausnahmen) immer als Licht- punkte von unmessbarer Grösse, doch ist zu bemerken, dass im Fern- rohre die Strahlenblitze wegfallen. Wenn man daher von der »Grösse der Sterne« spricht, ist darunter immer die scheinbare zu verstehen, und diese wieder nach der Stärke oder dem Glanze des Lichtes, das von dem betreffenden Stern ausstrahlt. In diesem Sinne also sind die Be- zeichnungen der Sterne »erster«, »zweiter« u. s. w. Grösse auf- zufassen. Ein gutes Auge sieht noch die Sterne 6. Grösse; mit denen 7. Grösse beginnen die teleskopischen Sterne. Bei einiger Hebung lernt man die Sterne 1. bis 5. Grösse leicht mit blossem Auge unterscheiden. Auch ihre Auffindung fällt nicht schwer, da die Sternkarten, deren man sich bedient, für die einzelnen Grössenclassen besondere conventionelle Zeichen haben. Sucht man die Sterne einer und derselben Grössenclasse mit Hilfe der Sternkarte der Reihe nach auf, alsdann diejenigen einer anderen Grössenclasse u. s. w., so gewinnt man bald den vergleichenden Massstab und ist alsdann befähigt, ohne weiteres die Sterne, die man eben betrachtet, zu classificiren. Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, dass der glänzendere Stern der nähere sei. Der Polarstern z. B. ist ein Stern 2. Grösse und dennoch sechsmal so weit von der Erde entfernt, als der Stern 61 im Schwan, welcher ein Stern 5. Grösse ist; und letzterer wieder ist von uns nur halb so weit, als »Wega« in der »Leier«, der ein Stern 1. Grösse ist. Zu letzterer Grössenclasse zählt auch der Stern a im Centaur, der aber fünfmal näher ist als Wega. Aus diesen Thatsachen folgt, dass das beim Anblicke des Sternenhimmels in unser Auge gelangende Eicht ganz wesent- lich verschiedene Entfernungen zurückzulegen hat oder richtiger zurückzulegen hatte, um ein- für allemal irdisch wahrnehmbar zu bleiben. So bedarf das Licht eines Sternes i. Grösse 3 Jahre, um zu uns zu gelangen, dasjenige eines Sternes 5. Grösse 25 Jahre, und jenes eines Sternes 12. Grösse vollends 1500 Jahre. Damit ist die ganz ungeheuere Entfernung der Fixsterne ge- kennzeichnet. Denn ein Lichtpunkt, wie z. B. der grössere der beiden Sterne im linken Hinterfüsse des »Grossen Bären«, ist, nach Struve, in Bezug auf seine Masse uymal so gross als die unserer Sonne, was — die gleiche Dichte beider voraus- gesetzt — einen fast fünffachen Sonnendurchmesser für jenen Stern ergiebt. Man denke: einen Lichtpunkt (unter ungezählten Millionen) von solch ungeheuerer Grösse! Dafür beträgt die Ent- fernung des fraglichen Sternes die Kleinigkeit von 71/.2 Millionen Sonnenweiten, also rund 150 Billionen Meilen. Ai“ w • .■.st.yi ; 5 :.Ei- SO ■ • • ■ ■ - • • • d, VW 4 -- # ’ • ’S ■ A J / ‘ Ry y v-V FL AS-• ■. ■ ÖW: .: .. ... *-L ‘ V'f k Fk * V ‘4. * ? * • •*• ‘ . ' "W ' Fig. 122. Ein Theil der Milchstrasse. Photographische Aufnahme des Lick-Observatoriums. Die kosmischen Lichtquellen der Nacht sind der Mond und die Sterne. Das Licht des Mondes besitzt nur 7fi80 00C der Intensität der Sonne, dagegen ist der Vollmond (nach John Herschel) 27.ooomal so hell als der hellste Stern im »Centaur«, dem der Erde zunächst stehenden Fixstern. Die Leuchtkraft der Venus beträgt nur ungefähr 1/G2o,ooooon> die des Sirius — des hellsten Fixsternes am nördlichen Himmel — vollends nur «so,000000 von derjenigen der Sonne. Für den Mond ist die Sonne nicht ausschliesslich die Lichtquelle. Kurz nach dem Neumond, wenn die schmale Mondsichel wieder erscheint, sieht man die Mondsichel in grünlich-aschfarbenem Lichte. Dieses ist das von der Mondoberfläche zurückgestrahlte Erdlicht, also doppelt reflectirtes Licht. Während das Licht der Sonne 8'/2 Minuten braucht, um den Weg bis zur Erde zurückzulegen, genügen für das Licht des Mondes nur 1 */2 Secunden. Was die blaue Farbe des Himmelsgewölbes anbetrifft, giebt es hierfür mancherlei Erklärungen. Wir setzen voraus, dem Leser sei bekannt, dass die Atmosphäre zwar einen hohen Grad von Durchsichtigkeit besitzt, aber nicht absolut durchsichtig ist. In diesem F alle würde sie sich zum Lichtstrahl wie ein optisch leerer Raum verhalten, d. h. es würde keine Lichtreflexion statt-