Orientirung am Sternhimmel 53 Sonnenuhren sind zur Zeit wenig in Gebrauch, was vor- nehmlich vom mathematisch- theoretischen Standpunkte zu be- dauern ist, da deren Construc- tion die vielfachste Anwendung sphärischer Elemente beansprucht und somit die Vertrautheit mit letzteren in sehr erspriesslicher Weise fördert. In neuester Zeit hat Franz Zappa — ein ehe- maliger Telegraphenbeamter — sich mit diesen Constructionen befasst, vergessene Quellen auf- gedeckt und auf dem Wege eigener praktischer Thätigkeit eine grosse Zahl von Construc- tionen bewerkstelligt, auf welche wir hier leider nicht eingehen können. Demjenigen, der sich hierfür interessirt, sei mitgetheilt, dass alle diese Constructionen UNTERE-POLAR Fig. 117. Obere Polar-Sonnenuhr. • w n vn 11 YI mit einer grossen Zahl von Abbildungen in der populär-wissen- schaftlichen Zeitschrift »Der Stein der Weisen« (A. Hartleben’s Verlag, Wien) besprochen sind. Sonnenuhren, die noch im Gebrauche stehen, gehören in der Regel nur zwei Arten an; Vertical-West-Sonnciriihr . es sind entweder sogenannte horizontale Sonnenuhren oder verticale Süduhren. Die erste ist, wie schon die Bezeichnung andeutet, auf einer horizontalen Fläche dargestellt und nach dem Ortsmeridian orientirt. Die verticale Süduhr steht senkrecht auf dem Ortsmeridian und ihre Uhrfläche schaut direct nach Süden. Äusser diesen zwei Arten unterscheidet man aber noch fol- gende: die verticale Nord-, die verticale West- und die verticale Ostuhr; die obere Polar- und die untere Polaruhr; die obere Aequinoctial- und die untere Aequinoctialuhr. Von diesen Uhren theilen wir nur die Con- \V< \ , r\\\U Fig. 118. Verticale West-Sonnenuhr. structionsweise der beiden oben genannten — als der bekanntesten — weiter unten mit, bezüglich der anderen verweisen wir auf die vorstehend genannte Quelle. schlagen, und zwar derart, dass dieses eine scheibenförmige Gestalt erhält. Durch die Mitte der Scheibe wird ein Loch von Nähnadelstärke durchgebohrt. Nun nimmt man einen weissen glatten Carton und zieht auf dem- selben aus dem Punkte M etwa 5 oder 6 concentrische Kreise; hierauf wird der Nagel senkrecht in den gemeinsamen Mittelpunkt der gezogenen Kreise einge- steckt und derselbe derart ge- dreht, dass die durchlochteScheibe der Sonne zugewandt ist. Diese letztere wirft ihren Schatten auf den Carton, wobei die Durch- lochung als weisser Punkt er- scheint. Mit der Fortbewegung der Sonne rückt der weisse Punkt gegen die Kreise hin und berührt endlich den ersten Kreis bei 1, nach einiger Zeit den zweiten Kreis bei 2, und so fort bei 3, 4, 5. Nach Ablauf eines weiteren Zeitabschnittes, während welchem sich der Schatten des Nagelkopfes innerhalb des innersten Kreises vorwärts bewegt, wird der weisse Punkt den letzteren wieder bei 5 (jetzt auf der ent- gegengesetzten Seite) treffen und allmählich die anderen Kreise bei 4, 3, 2 und 1 berühren. Alle diese Stellen werden, und zwar immer dann, wenn der weisse Punkt den jeweiligen Kreis trifft, mittelst Bleistift bezeichnet. Zuletzt verbindet man die Punkte i bis 5 und 5 bis 1 mit dem Mittelpunkte und halbirt nun mindestens zwei der erhaltenen Winkel. Fallen beide Halbirungs- linien aufeinander, so ist richtig gearbeitet worden, wenn nicht, muss das Verfahren den nächsten Tag wiederholt werden. Die Halbirungslinie, welche über den Mittelpunkt hinaus bis zum äusser- sten Kreise gezogen wird, ist die gefundene Mittagslinie, oben Nord, unten Süd. Die Senk- rechte darauf giebt den Ost- und Westpunkt (0, JF). Selbstver- ständlich darf während des ganzen Vorganges der Carton nicht UNTERE AEQUINOCTIAL. OBERE AEQUINOCTIAL. A l-W— FW . Fig. ng. Obere Aequinoctial-Sonnenuhr. Fig. 120. Untere Aequinoctial-Sonnenuhr. Die horizontale Sonnenuhr muss nach dem Ortsmeridian oder — wie man gewöhnlich zu sagen pflegt — nach der Mittagslinie orientirt sein. Daraus folgt, dass man vor Allem diese letztere festzustellen hat. Es geschieht dies am einfachsten in nachstehender Weise. Ein etwa 10 Centimeter langer schmiede- eiserner Nagel (Figur in) wird an seinem Kopfende breit ge- gerückt werden und hat man denselben entsprechend zu be- festigen. Die Mittagslinie wird hierauf auf einem feststehenden Tisch (Postament, Fensterbrett oder dergleichen) übertragen. Nun kann man zur Construction der gewählten Art von Sonnenuhr schreiten. Bei der horizontalen Sonnenuhr wird wie folgt verfahren (Figur 112). Man zieht zuvörderst die Horizontlinie A B und senkrecht darauf die Mittags- 14