40 Die Photographie im Dienste der Himmelskunde. Selbst die stärksten Vergrösserungen ergaben noch ein relativ sehr feines Korn, und erwies sich — wie nicht anders zu denken — letzteres massgebend für die Güte und Feinheit der durchgeführten Vergrösserungen. Für die Methode ist sonach die Präparation der Platten von grösster Wichtigkeit und gewannen in der Folge — wie wir gleich sehen werden — die Vergrösserungen steigend an Plastik, Reichthum des Details und Schönheit der Gesammterscheinung, je besser die bei den Aufnahmen zur Verwendung gelangten Platten waren. Ursprünglich musste sich Professor Weinek auf die Wiedergabe eines kleinen Bildfeldes beschränken. Nach entsprechend vorgenommenen Verbesserungen am Ver- grösserungsapparate gelang es, auch die grössten Wallebenen des Mondes mit gleichmässiger Schärfe in allen Theilen abzubilden. Wie der Urheber dieser aus- gezeichneten Arbeiten bemerkt, lassen dieselben vom selenographischen Stand- punkte kaum mehr etwas zu wünschen übrig, »sobald man nur gelernt hat, vom Korne unabhängig zu sehen«. Das letztere ist schon deshalb wichtig, weil durch ein gröberes Korn auf den stark vergrösserten Bildern eine Art »Granulirung« auftritt, welche bei Ungeübten leicht zu Täuschungen führen kann. Auf diese Weise wurden Süd. auf der k. k. Sternwarte zu Prag innerhalb 8 Monaten nicht weniger als 141 photographische Vergrösse- rungen von einzelnen Mondpartien, von Nebelflecken, Sterngruppen und Sonnenprotuberanzen ange- fertigt. Das Format der Aufnahmen variirte von 9:12 Centimeter zu 13:18 und 21:26 Centimeter. Die Vergrösserung ging von 5:71. Zu- erst wurden Lumier e’sche, später Schleussne r'sehe Trockenplat- ten verwendet. . . Unter den ersten photographischen Mondvergrösse- rungen, welche Professor Weinek der Oeffentlichkeit übergab, befand sich das prachtvolle lunare Gebilde Tycho, von dem eine 24fache Vergrösserung nach dem Lick- negative vom 10. November 1892 bewerkstelligt wurde. Die hier ste- hende Probe ist eine Verkleinerung des Originales um ungefähr ein Drittel, wodurch der Gesammt- effect zwar etwas geschmälert wurde, die Plastik aber insoferne gewonnen hat, als die vorerwähnte »Granulirung« weniger störend in die Erscheinung tritt, wie in der Originalvergrösserung. Zur Beur- theilung der Methode ist selbst- verständlich letztere massgebend. Der Effect ist unbestritten ein sehr bestechender und die schein- bare Verschwommenheit wird er- heblich gemindert, wenn man das Blatt aus einiger Entfernung be- trachtet. Gleichwohl giebt die Papiercopie keineswegs all die vielen Details wieder, welche die Ocularbeobachtung des Diaposi- tives bei Festhaltung an das gleiche Vergrösserungsmass zeigt. Ferner tritt an dem Hauptwalle von Tycho sehr deutlich der be- reits mehrfach berührte Uebelstand hervor, dass bei einer gewissen mittleren Expositionsdauer die hellen Partien überexponirt, die dunkleren Partien dagegen unter- exponirt werden. So verschwindet dort sowohl wie hier alles Detail, welcher Uebelstand sich wieder in der Papiercopie fühlbarer macht als auf der Platte. Es leuchtet ein, dass mit der zunehmenden Güte des verwendeten Plattenma- teriales bei gleichzeitigem Bestreben, möglichst gute Aufnahmen zu erzielen, die vorbesprochenen Gebrechen sich weniger störend bethätigen würden, zumal wenn die Kunst des Reproductionstechnikers ihr Bestes einsetzt. Das Alles hat in der That die Photo-Selenographie in der Folge erwiesen. Eine sehr markante Etappe in der Ausgestaltung des Erfolges be- zeichnet das Eingreifen des Pariser National-Observatoriums. Am 14. März 1894 war es den Astronomen dieses Institutes — Loewy und Puiseux — gelungen, ein Mondnegativ (erstes Viertel) zu erhalten, dessen Schönheit und Schärfe alles bisher Dagewesene weit übertraf. Das Mondbild hat (in der Richtung des lunaren Centralmeridians) einen Durchmesser von 17 Cen- timeter (4 Centimeter mehr als auf den Eickplatten); die Auf- nahme wurde mit einem Instrumente von 60 Centimeter (2 23/, Zoll) Objectivöffnung und 18 Meter Brennweite gemacht; die Exposition betrug */2 Secunde. Es ist also diese Mondaufnahme, abgesehen ja « < • »ß WL * £ a 11 Fig. 77. Vendelinus. Tuschirung von L. Weinek nach dem Lick-Negative vom 31. August 1890. Vergrösserung — zofach. Aufgewendete Arbeitszeit: 121 Stunden. von ihrer bereits hervorgehobenen Schönheit, zugleich die grösste unter allen vorhandenen. Da das Pariser Observatorium dieses Negativ dem Professor Weinek zur Verfügung stellte, erwuchs ihm die dankenswerthe Aufgabe, seine Sachkenntniss und photo- technische Fertigkeit auch in diesem Falle zu bethätigen. In der That sind die von Professor Weinek nach dem Pariser Originale bewerkstelligten Vergrösserungen wahre Pracht- bilder. Das Mass der Vergrösserung ist 23’36 im Diameter, was einem Monddurchmesser von 4 Metern,. also einem lunaren Kartenbilde von der doppelten Grösse der Schmidt’schen Mond- karte entspricht. Die Copien sind durchwegs auf dem hoch- glänzenden, alle Details des Negatives mit grosser Treue wieder- gebenden »Minervapapiere« bewerkstelligt und ist der Gesammt- eindruck der Bilder ein tadellos schöner. Um den vollen Effect derselben zur Anschauung zu bringen, wurden dem Atlas mehrere Blätter im Massstabe der Originalpapiercopien beige- geben, und ist zu bemerken, dass die Autocopie (das für den Schnellpressendruck eingerichtete Clichd) sich bezüglich der Gesammter- scheinung dem Originale in einem Masse nähert, das als sehr befriedigend be- zeichnet werden kann. Be- züglich des Details diene als Orientirungsbehelf, dass i Millimeter des Karten- bildes 0’8916 Meter der Natur entspricht, wodurch man in Stand gesetzt ist — da Objecte von ’/2 Milli- meter Durchmesser einem normalen Auge noch gut wahrnehmbar sind — Ob- jecte von 500 Meter linea- rer Ausdehnung auf der Mondoberfläche zu unter- scheiden. Wir werden aber gleich sehen, dass das Mass noch viel kleiner ausfallen kann. Nach der Pariser Auf- nahme vom 14. März 1894 ist dem Atlas äusser den vorerwähnten grossen Blät- tern noch eine grössere Zahl etwas verkleinerter Mond- bilder beigegeben, über deren Schönheit und Plastik der einfache Augenschein belehrt. Andere Reproduc- tionen sind vornehmlich in den Text des Abschnittes über den Erdmond einge- streut und tragen dieselben ganz wesentlich zur Bele- bung des geschriebenen Wortes bei. Dass die Lei- stungen des Professors Wei- nek in den Fachkreisen ungetheilten Beifall gefunden haben, braucht wohl kaum besonders hervorgehoben werden. Ed. S. Hol- den bezeichnet diese Vergrösserungen als »simply superb«, und Dr. A. A. Common erklärte in einer Sitzung der »Royal Astronomical Society« (am 10. April 1895): » The enlargeinents of the Paris pholographs made by Dr. Weinek apear to nie to be the niost wunderful things which have been done in lunar photography up to the present time.« Bei den Vergrösserungen nach dem Pariser Negative vom 14. März 1894 trug zu dem Gelingen derselben der Umstand sehr wesentlich bei, dass das Korn der Emulsionsschicht sich als erheblich feiner als jenes auf den Lickplatten erwies. Aller- dings darf nicht übersehen werden, dass das focale Mondbild der j Pariser Aufnahmen fast um ’/5 grösser als das focale Mondbild der I Lickaufnahmen ist, und dass für die Pariser Vergrösserunger ein