Die Photo-Selenographie. 39 diapositiv vom 28. Juli 1891. Da bei der Wiedergabe des so überreichen Details, welches die Platte zeigte, es wünschens- werth erschien, für das Verhältnisszeichnen ein engeres Quadrat- netz anzuwenden, als bisher hierzu benützt wurde, erhielt das Glasgitter eine Theilung von halben Millimetern. Das vergrösserte Netz zeigte demgemäss Quadrate von 10 Millimeter Seitenlange. In Folge des zu bewältigenden reichen Details beanspruchte die grundlegende Bleistiftzeichnung allein über 44 Stunden, während die weitere Uebermalung mit Tusche noch über 180 Stunden erforderte, so dass Sich der Gesammtarbeitsaufwand auf circa 225 Stunden stellte -— ein sprechender Beweis von der Ausdauer und dem unermüdlichen Eifer des Urhebers dieser exquisiten graphischen Leistung. In beigefügte Reproduction in Autotypie (nach einer Pho- tographie des Originales), um sich ein zutreffendes Urtheil von der grossenVir- tuosität des Zeichners, be- ziehungsweise von der pein- lichen Gewissenhaftigkeit des Fachmannes machen zu können. Andererseits giebt dieses Blatt Zeugniss von der Leistungsfähigkeit der Photo-Selenographie, wobei freilich nicht übersehen werden darf, dass bezüg- lich des in die Erscheinung tretenden überaus reichen Details ein hoher Grad von Uebung nothwendig ist, um Alles, auch die anschei- nend unwesentlichste Einzel- heit, zu erkennen und auf ihre Reellität zu prüfen. Es kommt eben bei der zeich- nerischen Wiedergabe alles dessen, was die Platte zeigt, sehr darauf an, Alles zu sehen und das Gesehene richtig zu beurtheilen. Nebenher bewerkstel- ligte Professor Weinek noch einige, mehr skizzen- hafte Zeichnungen zur Ver- gleichung verschiedener Platten untereinander und zum Nachweise der Reel- lität des feineren photo- graphischen Details ohne Inanspruchnahme einer op- tischen Verificirung. Diese Zwischenarbeiten betreffen die westliche Gegend des Riphaeusgebirges nach zwei verschiedenen Platten in 2ofacher Vergrösserung; von Cap eil a, ebenfalls nach zwei Platten in 4ofacher Ver- grösserung, und von dem W allkrater T a r u n t i u s C nach drei verschiedenen Platten in 4ofacher Vor- der That genügt ein Blick auf die Süd. % 1 ■ f ft * Fig. 76. Petavius. Tuschirung von L. Weinek nach dem Lick-Negative vom 31. August 1890. Vergrösserung — zofach. Aufgewendete Arbeitszeit: i2o‘/2 Stunden. grösserung. Bei allen diesen Arbeiten wurden die Vergleichs- platten so ausgewählt, dass sie entgegengesetzten Schattenwurf zeigten, ferner die Zeichnungen so entworfen, dass dieVertical- linien des Vergrösserungsnetzes mit den Meridianen der be- treffenden Mondgegenden zusammenfielen. Die Riphaeuszeichnung erforderte über 18 Arbeitsstunden, die Capellazeichnung 45 U, die drei vergleichenden Zeichnungen von Taruntius C insgesammt io’/2 Stunden. Die hier wiedergegebene Zeichnung des Ring- gebirges Flammarion (nach der Lickplatte vom 15. August 1888) erforderte einen Aufwand von 71 Arbeitsstunden, was bei der überraschenden Fülle des Details im Inneren dieses Objectes erklärlich erscheint. Damit schliessen im Grossen und Ganzen die zeichnerischen Arbeiten Professor Weinek’s mit Zugrundelegung vergrösserter Lickplatten ab. Schon in der Zeit ihrer Ausführung wurde von anderer Seite angestrebt, der mühevollen Handzeichnung, welche überdies eine nicht ungewöhnliche künstlerische Veranlagung zur Voraussetzung hat, soll das Geleistete überhaupt Anspruch auf einen sachlichen Werth haben, auszuweichen und directe photo- graphische Vergrösserungen nach Originalnegativen herzu- stellen. Die ersten Versuche dieser Art fielen eben nicht sehr befriedigend aus, indem sie gerade dasjenige, auf welches es hier hauptsächlich ankam — das feine Detail — vermissen liessen und überdies das »Korn« der Emulsionsschicht in einer Weise Wiedergaben, dass die Gesammterscheinung einer derartigen photographischen Vergrösserung als roh, verwaschen und durchaus minderwerthig sich erwies. Professor Weinek, der die ersten Ergebnisse dieser Methode aufmerksam verfolgt hatte, konnte in gleichem Masse als Zeichner wie als Astro- nom von diesen Darstellun- gen umso weniger befriedigt sein, als er, in der photo- graphischen Technik reich erfahren und geübt, von vorn- herein nicht die Möglichkeit ausschloss, auch nach diesen Methoden Erspriessliches leisten zu können, falls ra- tionellvorgegangen werde. .. Damit trat die Photo-Seleno- graphie in ein neues Stadium und man kann sagen, dass Alles, was seitdem in diesem Sinne Bahnbrechendes zu Stande kam, das Werk Pro- fessor Weinek’s ist. Denn seine directen photographi- schen Mondvergrösserungen sind wahre Kunstwerke und ihr wissenschaftlicher Werth unbestritten. Die grosse Zahl vorzüglicher Mondblät- ter, welche der Atlas ent- hält, ist dieser Methode zu verdanken. Die Selenogra- phie hatte damit binnen wenigen Jahren ein graphi- sches Hilfsmittel gewonnen, dessen Dienste umso un- schätzbarer sind, als die Er- zielung ausgezeichneter Ori- ginalplatten (Lick und Paris) damit parallel ging und geht, wodurch die Mög- lichkeit, fortgesetzt eine grosse Zahl solch ver- grösserter Monddarstellun- gen zu gewinnen, kaum eine Beschränkung erfährt. Das Verfahren, welches Pro- fessor Weinek bei seinen photogra- phischen Mondvergrösserungen ein- schlägt, ist bisher nicht bekannt ge- worden und entzieht sich demnach der Besprechung. Schon die ersten Versuche (April 1893) fielen inso- ferne befriedigend aus, als das er- haltene vergrösserte »Korn« der Emulsionsschicht völlig dem »geometrischen Vergrösserungsfactor« des Bildes ent- sprach und sich 9—lomal feiner erwies als dasjenige analoger photographischer Ver- grösserungen Anderer. Dementsprechend zeigte sich das Detail in den gewonnenen Bildern viel reichhaltiger, der Scala der Vergrösserung entsprechend, was der Gesammterscheinung der Darstellungen sehr zu Gute kam. Immerhin zeigte es sich, dass mit einer einzigen Exposition nicht eine gleichmässige Güte in allen Theilen des Bildes zu erzielen war, welchem Uebelstande durch verschiedene Expositionen von kürzerer und längerer Dauer begegnet werden konnte. . . »Zum Prüfstein meiner Methode — schreibt Weinek — wählte ich vornehmlich feine Rillen und Krater in den Ringebenen Thebit und Eratosthenes, welche ich nach deren photographischer Entdeckung sorgfältig studirt und gezeichnet hatte, indem ich diese unter fortschreitender Vergrösserung photographirte und zusah, ob dieselben mehr oder weniger klar zur Anschauung gelangten. Von besonderem Interesse waren hierbei eine gewundene Rille am inneren Nordwalle von Erato- sthenes, sowie mehrere winzige Krater, deren Durchmesser kleiner als 1/2 Kilo- meter ist.« Auf diese Weise wurde die Ringebene Thebit successive 12-, 20-, 39-, 50- und 72mal vergrössert, der Wallkrater Eratosthenes 21-, 38-, 53- und yimal.