28 Die Photographie im Dienste der Himmelskunde. gewonnen wurden. Je nach dem Grade der magnetischen, seismischen und atmosphärischen Störungen zeigen die photographischen Aufnahmen auffäl- lige Veränderungen. Die um den schwarzen Sonnenkörper wahrnehm- bare Gloriole bezeichnet die Absorp- tionszonen. Alan gewahrt konische, blendend weisse, zum Theile über die Sonnenscheibe übergreifende, andern- theils spiralförmige, ja schlangenförmig gewundene und kometenschweifartige Absorptionszonen. Nach diesen, durch die Sonnenphotographie festgestellten Thatsachen kann nicht mehr daran gezweifelt werden, dass zwischen den grossen Störungen des elektrischen, beziehungsweise magnetischen Gleich- gewichtes des Erdkörpers und der erhöhten Sonnenthätigkeit ein un- mittelbarer Zusammenhang besteht. Die Sonnenphotogramme zeigen pa- rallel diesen Erscheinungen umso grösser und merkwürdiger gestaltete Absorptionszonen, je grösser diese Störungen sind. Auf den beigegebenen Abbildungen zeigt das drittletzte Bild- chen (unterste Reihe) die photographi- sche Aufnahme von aussergewöhnlich grossen Protuberanzen. Dieselben hatten eine scheinbare Ausdehnung von einem Meter, was einer Höhe von 220.000 Kilometern entspricht. Von nicht minderem Interesse sind die beiden letzten Bildchen — »elektrische Trom- ben« in der Sonnenatmosphäre. Hierzu einige Bemerkungen. Elektrische Entladungen in Folge grosser Potentialdifferenzen *) haben HQ ■Bi Bhb 1. _&_ ■MB BHB 3. 4 5. 6. Fig. 60. Totale Sonnenfinsterniss am 16. April 1893. Exponirt: Nr. 1 0-25”, Nr. 2 2-oos, Nr. 3 4-oos, Nr. 4 8 oos. Nr. 5 i6’oos, Nr. 6 3200”, Nr. 7 24’00”, Nr. 8 0’25”. Photographien der Lick-Expedition in Mina Bronces, Chile. die merkwürdige Eigenschaft, fein zertheilte feste Körper zu condensiren, indem Wirbelbewegungen entstehen, in derem Innern die feinsten Stäub- chen in Trombenform sich zusammen- ballen. Einen ähnlichen Vorgang darf man bei den elektrischen Tromben auf der Sonne, in deren Be- reich die Meteoritenschwärme gelangen, voraussetzen. In allen jenen Jahren, in welchen wegen ungünstigen Constellationen die grossen Platten eine geringe Wirkung auf die Meteoriten- schwärme ausüben, werden grössere Massen von Meteoriten in die Sonnenatmosphäre eindringen, beziehungsweise auf die Oberfläche der Sonne stürzen, und die elektrischen Wirbelbildungen sonach grösser werden als in anderen Jahren. Dies manifestirt sich — wie Z e n g e r auseinandersetzt — in den ausgedehnten Flecken-und Fackel- bildungen, in der *) Unter dem P o- tential versteht man jene Arbeit, welche er- forderlich ist, um die elektrische Krafteinheit (ein sehr kleines elek- trisches Theilchen) aus unendlicher Entfernung auf einen bestimmten Punkt zu bringen. Denkt man sich einen elektri- schen Körper von con- centrischen Flächen glei - chen Potentiales einge- hüllt, so erhält man die sogenannten »Niveau- flächen«. Zwei Niveau- flächen besitzen ver- schiedene Potentiale; zwischen beiden herrscht 1 A.. ,,,-s Fig. 61. Totale Sonnenfinsterniss am 16. April 1893. Aufstellung des 4ofüssigen Teleskops der Lick-Expedition in Mina Bronces, Chile. also eine »Potential- dtfferenz«. enormen Höhe und Ausdehnung der Protuberanzen, in der Hebung der Chromosphäre, endlich in schreck- lichen elektrischen Stürmen, von deren Heftigkeit wir uns keine Vorstellung machen können; denn welche Bedeu- tung hat die Heftigkeit eines Orkans auf unserem Planeten, dessen Ge- schwindigkeit ungefähr 50 Meter in der Secunde beträgt, während nach Yo ung die Sonnenstürme über 400.000 Meter in der Secunde in ihrer Bahn durch- laufen, die mit den Sonneneruptionen aufsteigenden Gassäulen nach S c h i a- parelli sogar eine Geschwindigkeit von goo.ooo Meter erreichen? Da die photographischen Sonnen-Aufnah- men Zenger’s zum Theile noch in die »nasse« Praxis fallen und auch sonst vielfach eigen- artige Manipulationen zeigen, mögen hierüber noch einige Worte angeführt werden. Die ersten Versuche Zenger’s auf dem Gebiete der Sonnen- photographie wurden in den Jahren 1873 und 1874 mittelst eines 4’/.^zölligen Spiegelteleskops von 5 Fuss Brennweite von John Browning in London angestellt. Die gewonnenen Bilder zeigten sich schon bei einer 5- bis 8fachen Vergrösserung ungenügend scharf. Verwendet wurden nasse Brom-Jodsilber-Collodiumplatten, die immerhin selbst mit Anwendung eines Momentverschlusses sich als ausreichend licht- empfindlich erwiesen. Auf den Bildern zeigten sich eigenthümlich weisse Ränder um die Sonnenscheibe, welche Zenger anfangs für Wirkung photographischer Irradiation ansah. In diesem Falle hätten aber die Ringe concen- trisch sein müssen, was keineswegs der Fall war, da sie sehr merklich elliptisch waren oder nur bruchstückweise an der Peripherie des Sonnenbildes auftraten. Je mehr die Spiegel- öffnung verengert wurde, desto unbestimmter und unschärfer begrenzt erschienen die frag- lichen Ringe, welche eine grauweisse bis schneeweisse Farbe hatten. Da Zenger sich darüber Gewissheit verschaffen wollte, ob die Erscheinung nicht etwa leuchtende Theile der Chromosphäre und der Corona seien, die sich in Folge ihrer rela- tiven Lichtschwäche als weissliche Ringe dar- stellten, verwendete der Genannte Linsen- systeme von Busch (Rathenow) von sehr ver- schiedener Lichtstärke, von '/n relativer Oeffnung des kürzest focaligen Porträt- I linsensystems bis zu ’/9 relativer Oeffnung des Orthoskops, schliesslich Stein- heil’s Aplanaten von ’/7 relativer Oeffnung, welch letztere als das einzig zweck- dienliche System erkannt wurden. Die Aplanaten zeichneten schärfer als alle anderen Systeme und liessen nicht nur eine Menge Details erkennen, sondern definirten auch die Tonabstufungen von Grau bis zum blendenden Weiss vor- züglich. Die regelmässige Wiederkehr dieser Erscheinungen bei verschiedenen Aufnahmen bestärkte Zenger in der Anschauung, dass es sich hier nicht um die vorstehend erwähnte Unterexposition handle, sondern um kräftige Ab- sorption der aktinischen Strahlen in der Umge- bung des Sonnenbildes. In Ermangelung orthochromatischer Plat- ten, welche damals noch nicht bekannt waren, präparirte Zenger nach einem umständlichenRe- cepte, das wir übergehen, Collodiumhäutchen mit einer Chlorophylllösung, welche für aktinische, wie auch für unaktini- sche Strahlen — gelbe und rothe der Chromo- sphäre, sowie für die vorzugsweise in der Co- rona auftretenden gelb- grünen Strahlen — hin- reichend empfindlich sein sollten. Derart prä- parirte Platten ergaben Sonnenbilder von grosser Schärfe und Deutlichkeit der farbigen Sonnenhöfe sowohl bei bewölktem als klarem Himmel. Es sind dies die Eisnadel- halos von etwa dem