Die Photographie im Dienste der Himmelskunde. nicht spurlos an ihren beiden Enden, sondern setzen sich auf der anderen Seite der Nebelmitte wieder fort, um elliptische Ringe zu schliessen. Die ungemein dichte Sternensaat, welche auf demselben Photogramme wahrzunehmen ist, ge- hört wahrscheinlich nicht zum Nebel, sondern sie dürfte sich auf denselben nur projiciren. Darüber zu entscheiden, wo die Wahrheit liegt, ist derzeit noch ganz unmöglich. Als zweites Beispiel sei des schönsten und meist beobachteten Nebels im Orion, am so- genannten »Schwert« dieses Sternbildes gedacht. Unter allen Zeichnungen dieses Gebildes, welches mit einem flimmernden Geschmeide verglichen Fig. 47. Aeltere Darstellung des Stern- haufens im Herkules (13 Messier). worden ist, ist diejenige Bond’s und des Zeich- ners J. W. Watts, die im Jahre 1867 veröffentlicht worden ist, die beste (Bild S. 17). Das Gebilde ist so seltsam, dass es nicht Wunder nehmen darf, wenn es mit allen möglichen Dingen verglichen worden ist. Legentil wollte in demselben eine Aehn- lichkeit mit dem geöffneten Rachen eines Thieres erkennen, Andere griffen nach dem Bilde eines Schmetterlings; man könnte auch an einen Polypen mit Fangarmen denken angesichts der vielen spi- ralig gekrümmten Arme. Erst all- mählich ist man zu der Erkenntniss der richtigen Gestaltung dieses Ge- bildes gekommen und das letzte Wort hat auch hier die Photographie gesprochen. Grosses Interesse be- anspruchten zunächst die Zeich- nungen O. S t r u v e’s und S e c c h i’s. Alsdann die Untersuchungen von Stone, Carpenter, Lamont, Bond, Rosse u. A. Nach langwierigen Vorarbeiten (in den Wintern 1865 bis 1871) hat D’Arrest von dem mittleren Theile des Nebels eine förmliche Karte zu entwerfen versucht, deren noch ziem- lich schwankende Umrisse neuer- • ■ u.-• ' Fig. 48. Der Herkuleshaufen nach einer von Lord Rosse angefertigten Zeichnung. dings auf dem Harvard College-Observatorium auf Grund der dort bewerkstelligten ausgezeichneten photographischen Auf- nahmen in ein festes System gebracht worden sind. Der centrale Theil des Orion-Nebels wird von vier hellen Sternen bezeichnet, welche das berühmte »Trapez« bilden und eine dunkle Stelle im Nebel einnehmen. Ueber diesem thürmt sich das auf D’Arrest’s Karte als Regio Hugeniana be- zeichnete eigentliche Centrum des Nebels empor, eine Stelle von hell- stem Glanze, welche nach Secchi »den Eindruck von stark leuchten- den, pyramidenförmig aufgehäuften Baumwollflocken«macht. Hierhaben die Riesenrefractoren der Gegenwart Theile der Nebelmasse in ein Ge- wimmel von sternartigen Punkten aufgelöst, doch hat die spectral- analy tische Untersuchung festge- stellt, dass es sich gleichwohl nur um echte Gasmassen handelt. Der Orion-Nebel ist das Lieb- lingsobject der Nebularphotographie und es bestehen zur Zeit bereits eine beträchtliche Anzahl solcher Auf- nahmen, von welchen diejenigen von Isaac Roberts eine gewisse Be- rühmtheit erlangt haben. Die Photo- gramme weichen in ihrem Aus- sehen sehr von einander ab. Das MA p.; Fig. 49. Der Herkuleshaufen nach einer Zeichnung von M. Trouvelot. bedarf einer Erklärung. Der Orion-Nebel hat einen sehr hellen Kern, an welchen sich flügelartig ausgedehnte Nebelmassen von sehr geringer Leuchtkraft anschliessen. Im Kern treten ring- förmige Gebilde hervor. Wird nun bei der photographischen Aufnahme dieses Nebels kurz exponirt, so erscheint nichts anderes als der helle, flockenartige Kern. Auch eine Photo- graphie E. v. Gothard’s (Abbildung S. 17) zeigt diese Gestaltung. Bei längerer Belichtung geht von der verwickelten Structur des Kernes und den ihm benachbarten Lichtknoten bereits Vieles ver- loren, dagegen treten die nun weit ausgreifenden, zu einem Ringe zusammenschliessenden Seiten- strahlen deutlich in die Erscheinung. Bei noch längerer Exposition treten vornehmlich die schwachen Ringtheile des Kernes deutlich hervor. Die hier in Frage kommende Belichtungsdauer bezieht sich auf 15 Almuten, beziehungsweise 80 Minuten in 31/2 Stunden. In der Vergleichung dieser verschiedenen Aufnahmen gewinnt man eine sehr befriedigende Vorstellung von der Gesammtgestaltung dieses grossartigen Nebel- gebildes. Sehr interessant sind die photographischen Aufnahmen des Orion-Nebels, welche das Harvard College-Observatorium bewerk- stelligt hat und von welchen eine Probe auf einem der Kartenblätter des Atlas gegeben ist. In allen diesen Darstellungen tritt die spiralförmige Structur des- selben (zuerst von Bond erkannt) zwar nicht so ausgeprägt hervor, wie in den gleichartigen Handzeich- nungen, doch ist dieser Sachverhalt immerhin an solchen Photogrammen zu erkennen, welche durch längere Belichtungszeit gewonnen wurden und in Folge dessen die strahlen- förmigen, mitunter vorhangähnlich eingerollten Ansätze deutlicher zei- gen. Die spiralige Form der meisten oder doch sehr vieler Nebel ist überhaupt erst auf Grund der Nebu- larphotographie erwiesen worden. Sehr augenfällig wird dies durch die Nebeneinanderstellung zweier Darstellungen auf S. 77 erhärtet. Die linksstehende Abbildung giebt die Gestaltung eines Spiralnebels, so wie ihn Professor Dr. H. C. Vo- gel am Wiener 2 7zölligen Refractor nach sorgfältigen Studien gezeichnet hat. Die rechtsstehende Abbildung hingegen giebt eine Dar- stellung wieder, zu welcher eine Aufnahme E. v. Gothards die Grundlage gegeben hat. Ein flüchtiger Blick zeigt, dass das am Rieseninstrumente gezeichnete Bild nur als eine Skizze des detail- reichen Photogrammes, welches doch mit einem sehr beschei- denen Instrumente (einem io’/4zöl- ligen Spiegelteleskop) gewonnen wurde, angesehen werden kann. Hierzu bemerkt Vogel: »Die Nebel- aufnahmen des Herrn v. Goth ar d zeigen, dass auch mit verhältniss- mässig sehr geringen instrumentellen Mitteln auf photographischem Wege ein wissenschaftliches Resultat er- halten werden kann, welches bei Weitem das übersteigt, was man selbst mit den grössten Instrumenten durch Ocularbeobachtungen gewon- nen hat.« Sehr dankbare Objecte für die Nebularphotographie liefert der ohnedem weit nebelreichere südliche Sternhimmel. Auf einer Tafel des Atlas sehen wir die ausgedehnten Nebelmassen im Sternbilde des »Schützen«, auf einer anderen die berühmte Grosse Magellan'sche Wolke, welche bezüglich ihrer Di- mensionen alle derartigen Gebilde übertrifft. Freilich handelt es sich hierbei nicht um einen Nebel, sondern um einen ganzen Complex von engeren und schüttereren Sternhaufen, grösseren und kleineren kosmischen Dunstmassen. John Herschel unterschied in seinem mächtigen Instrumente am Cap der guten Hoffnung in der »Grossen Wolke« 582 Einzelsterne, 46 Sternhaufen und 291 Nebel- flecke. In der »Kleinen Wolke« entsprechend 200, 7 und 37. Schon Alexander v. Humboldt hat in begeisterten Worten